CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Daß in die Visionen des Jorge Luis Borges Reminiszenzen an Werke der bildenden Kunst eingeflossen sind, erscheint evident, wenn man etwa die Beschreibung der 'La biblioteca de Babel' (Borges 1989a, 465-471) mit den Kerkerphantasien Giovanni Battista Piranesis ('Carceri', 1745-1750) oder auch mit der Darstellung des Babylonischen Turmbaus (1563) durch Pieter Breughel d.Ä. vergleicht. Auch bestehen vielfaltige Beziehungen der Borges'schen Labyrinth-, Spiegel- und Doppelgängerphantasien zu Gemälden der Surrealisten sowie zu anderen Werken, insbesondere der modernen Kunst. Inzwischen hat Borges der bildenden Kunst gleichsam mit Zinsen zurückerstattet, was er ihr verdankt. Bildende Künstler verschiedener Stilrichtungen haben aus seinen Werken Anregungen bezogen, Borges'sche Visionen visualisiert, mit Gemälden, Photographien und Graphiken auf die Denkbilder des Argentiniers geantwortet.
In der aktuellen Diskussion kursieren eine ganze Reihe von Fragen nach dem Umgang mit bzw. dem richtigen Zugriff auf die mehrsprachige Luxemburger Literatur. Wie sollen aus kulturpolitischer Perspektive und wie können vom Ort der Wissenschaft aus Konzepte der Literaturgeschichtsschreibung für den Raum Luxemburg aussehen? Was ist jenseits der Tatsache der Dreisprachigkeit (und damit einem per se komparatistischen Gegenstand) das Spezifische an der Luxemburger Literatur? Wie könnte (sollte?) diese Spezifik gefördert werden? Und wie sieht die aktuelle Lage aus der Perspektive der Luxemburger Literaten selbst aus? Wann ist jemand eigentlich ein Luxemburger Autor? Die Antworten darauf sind nicht weniger vielfaltig als die Fragen und ließen sich selbst in einer ganzen Vortragsreihe kaum hinreichend behandeln. Es lassen sich jedoch einige wiederkehrende Grundtypen der Thematisierung der Luxemburger Literatur im öffentlichen Raum ausmachen, die zunächst skizziert werden sollen.
Wenn Elisabeth Beck-Gernsheim über die jüdische Kultur in Deutschland schreibt, sie sei "hier und heute tatsächlich: eine deutsche Erfindung" (Beck-Gernsheim 1999, 270), so stellt sich auch die Frage, ob es sich bei 'Galizien' in anderen literarischen Texten ebenfalls in diesem Sinne um eine Erfindung, um die Konstruktion einer Erinnerungslandschaft handelt, die sich im Sinne Pierre Noras als "histoire au second degre" (Nora 2002) auf ein Phantasma bezieht, dessen eigentlich Substanz sich nicht in einer wie immer zugeordneten und im weitesten Sinne vermutlich sogar ganz unbekannt gebliebenen Landschaft 'im Osten' wiederfinden lässt, sondern vielmehr in der Seelengeschichte, im Mentalitäten-Haushalt ihrer Beobachter ihren Bezugspunkt hat.
Klassiker, Klassiker - und kein Ende? Dieser Eindruck mag einen dieser Tage beim Durchstöbern größerer Buchhandlungen beschleichen. Freilich, die Auswahl und Kanonisierung von Literatur in Leselisten, Lektüreempfehlungen und Lexika ist kein neues Phänomen. Doch seit einigen Jahren wird der Buchmarkt mit einer Fülle von reich illustrierten Klassiker- und 'must read'-Büchern überschwemmt, die sich vornehmlich an ein interessiertes Laienpublikum wenden. Neben dem Anstoß einer neuen Kanondebatte durch Ulrich Greiners Leitartikel in der 'Zeit' im Mai 1997 (Greiner 1997) scheint hier nicht zuletzt das Jahr 2000 ausschlaggebend gewesen zu sein; der Beginn des neuen Jahrtausends lädt offensichtlich ein zu einer Sichtung und Bewertung des bisher Geschriebenen: 2 Mehr als viereinhalbtausend Jahre Literatur und Schriftkultur - wenn man über das 'Gilgamesch'-Epos hinaus bis auf die ältesten sumerischen Schriftüberlieferungen zurückgeht - machen es dem Fachwissenschaftler, mehr noch den Studierenden der Philologien und wohl erst recht dem interessierten Laien nicht einfach, das Wesentliche aus der unendlichen Masse der schriftlichen Zeugnisse und literarischen Erzeugnisse auszuwählen. Angesichts einer täglich weiterwachsenden Bücherfülle scheint sich "die Sehnsucht nach einem festen Inventar" (Hage/Saltzwedel 2001, 208) herauszukristallisieren: Was bleibt, um mit Eduard Engel (1928) zu fragen, und hat über die Jahrzehnte und Jahrhunderte Bestand? Was ist mehr als eine dem Zeitgeist verpflichtete literarische Eintagsfliege und hat das Potential zum Klassiker?
[Rezension zu:] Wilhelm Amann, Georg Mein u. Rolf Parr (Hg.): Gegenwartsliteratur und Globalisierung
(2011)
Rezension zu Wilhelm Amann, Georg Mein u. Rolf Parr (Hg.): Gegenwartsliteratur und Globalisierung. Konstellationen - Konzepte - Perspektiven. Heidelberg (Synchron) 2010. 360 S.
Der vorliegende Band ist das Ergebnis der Tagung "Globalisierung und deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Konstellationen, Konzepte, Perspektiven" im Dezember 2008 an der Universität Luxemburg. Wie bei einem solchen Projekt zu erwarten, bietet der Band einen (durchaus positiv zu wertenden) inhomogenen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung zum "Konzeptschlagwort" Globalisierung.
[Rezension zu:] Sabine Coelsch-Foisner u. Dorothea Flothow: High Culture and/versus Popular Culture
(2011)
Rezension zu Sabine Coelsch-Foisner u. Dorothea Flothow: High Culture and/versus Popular Culture. Heidelberg (Universitätsverlag Winter) 2009 (= Wissenschaft und Kunst; Bd. 12). 208 S.
Das Verhältnis von Hoch- und Populärkultur beschäftigt weder die Literaturwissenschaft noch die Kulturtheorie erst seit jüngster Zeit. Doch jenseits einer Wertungskritik a la Killy, Broch oder Adorno/Horkheimer einerseits und eines die Grenzüberwindung postulierenden Kulturoptimismus' im Sinne Susan Sontags oder Umberto Ecos Rechtfertigung der Massenkultur andererseits, bietet diese Distinktion immer noch genug Anlaß zur Diskussion und Auseinandersetzung, wie der die Beiträge der im Jahr 2007 in Salzburg stattgefundenen 18. 'British Cultural Studies Conference' in Auswahl umfassende Band belegt. Ziel der Konferenz war es, so die Herausgeberinnen, "to explore the relationship between high culture and popular culture in terms of dynamic processes." Im Band wird dieses Vorhaben mehr oder minder eingelöst durch 13 insgesamt recht blasse Fallstudien, denen zwei theoretische Beiträge vorangestellt sind.
Rezension zu Eckart Goebel u. Elisabeth Bronfen (Hg.), Narziss und Eros. Bild oder Text? Göttingen (Wallstein Verlag) 2009. (= Manhattan Manuscripts, hg. von Eckart Goebel, Paul Fleming u. John T. Hamilton, Bandnummer: 2), 302 S.
'Narziss und Eros', Band 2 der 'Manhattan Manuscripts', die Eckart Goebel mit Paul Fleming und John T. Hamilton herausgibt, setzt literaturhistorisch bei Ovids Fassung des Narziss-Mythos an und geht zeitgemäß - kontextgebunden - einen großen Schritt über Freud hinaus. Anstatt sich an den Ungereimtheiten, Spannungen und Widersprüchen der Ausführungen Freuds abzuarbeiten, legt der Band ohne viel Aufhebens die Kriterien narzisstischer Persönlichkeitsstörung nach dem Diagnoseklassifikationssystem DSM-N ('Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders', Fourth Edition) der American Psychiatrie Association zugrunde, holt Eros in den Titel und bringt damit (Un)Ordnung in Ovids und Freuds Ordnungen der Geschlechter.
Rezension zu Elisabeth Arend, Elke Richter u. Christiane Solte-Gresser (Hg.), Mittelmeerdiskurse in Literatur und Film / La Méditerranée: représentations littéraires et cinématographiques. Frankfurt am Main (Peter Lang) 2010 (= Mittelmeer: Literaturen - Kulturen, hg. von E. Arend u. E. Richter, Bd. 2). 317 S.
Rezension zu Michael Niehaus: Das Buch der wandernden Dinge. Vom Ring des Polykrates bis zum entwendeten Brief. München (Hanser) 2009. 406 S.
"Die Geschichte eines wandernden Dinges kann dazu bestimmt werden, das Ding mit Bedeutung zu beladen, zu befrachten. Doch was geschieht mit dieser akkumulierten Bedeutung, wenn die Geschichte am Ende ist?"(159), fragt Michael Niehaus mitten in seiner groß angelegten Studie zu wandernden Dingen in Literatur und Film.
Rezension zu Gerigk, Horst-Jürgen: Ein Meister aus Russland. Beziehungsfelder der Wirkung Dostojewskijs. Vierzehn Essays. Heidelberg (Winter) 2010. 215 S.
Gerigk vereinigt vierzehn Essays zu Dostoevskij, darunter drei Erstpublikationen und elf Bearbeitungen von Veröffentlichungen der Jahre 1981 bis 2006. Texte Dostoevskijs kommunizieren mit solchen von Turgenev, Heidegger, Schiller, E.T.A. Hoffmann, Faulkner, Flaubert, Hauptmann, Salinger, Joyce, Sylvia Plath und anderen.
Boris Previšić (Hg.): Die Literatur der Literaturtheorie. Bern u. a. (Lang) 2010. S. 199.
Dieser Band markiert eine veritable Lücke in der Literaturwissenschaft und schließt sie wenigstens ansatzweise, indem er eine alltägliche Beobachtung fruchtbar macht: Bestimmte (naturgemäß genau deshalb mittlerweile kanonisierte) Autoren oder Texte haben so innovativ in die Weiterentwicklung literarischer Möglichkeiten eingegriffen oder den Lesern so elementar die Augen für Neues oder Selbstverständliches geöffnet, dass sie nicht nur in dem Umfang, wie dies für jeden beliebigen Beitrag zur Literatur gilt, sondern mit erheblicher Wirkung die Literaturwissenschaft selbst verändert haben.
Rezension zu Theisohn, Philipp: Plagiat. Eine unoriginelle Literaturgeschichte. Stuttgart (Kröner) 2009. 591 S.
Eine "Mentalitätsgeschichte" verspricht Philipp Theisohn in seiner Einleitung - "sie enthüllt nicht, sondern beobachtet vielmehr, wie sich Enthüllungen und Verhüllungen von Textvergehen im Laufe der Jahrhunderte entwickeln." (XII). Es gilt zu wissen, "in welcher Weise, unter welchen Umständen, zu welcher Zeit und mit welchen Folgen der Mensch auf die Vorstellung des Plagiats verfällt." (XIII) Auf dem Weg durch die Literaturgeschichte hin zu diesem Wissen sollen drei Thesen überprüft werden (3):
1. Zu einem Plagiat gehören immer drei Beteiligte: ein Plagiierter, ein Plagiator und die Öffentlichkeit.
2. Plagiate entstehen dadurch, dass man sich von ihnen erzählt.
3. Plagiate verhandeln grundsätzlich ein "inneres" Verhältnis von Text und Autor.
Alphabetisch organisierte Texte haben seit Jahren Konjunktur, und ein Blick ins Verzeichnis der Neuerscheinungen bestätigt deren Kontinuität. Belehrende und unterhaltende ABC-Bücher sowie vielfältige Mischformen von Belehrendem und Unterhaltendem scheinen sich bei Autoren wie bei Lesern großer Beliebtheit zu erfreuen. Daß die Matrix des Alphabets neben lexikographischen oder pseudo-Iexikographischen Büchern über alles Mögliche auch als Kompositionsprinzip für große und (nicht nur quantitativ) gewichtige Romane dienen kann, verdeutlicht der neueste Roman von Günter Grass, der dem Wörterbuch der Brüder Grimm sowie dessen alphabetischer Struktur in mehr als einer Hinsicht verbunden ist: 'Grimms Wörter' (Grass 2010).
Die folgenden Ausführungen verstehen sich deshalb als erste Erkundungen im Bereich einer Frage, die weitaus weniger 'unzeitgemäß' ist, als sie auf den ersten Blick anmutet. Sie schlagen den Bogen zurück zum 'grundlegendsten' und 'universalsten' Theorieprogramm, welches das abendländische Denken lange zu bieten hatte: zur Ontologie. Im Lichte der perennierenden Problemhorizonte des ontologischen Denkens soll im Folgenden die Frage nach einer ontologischen Bestimmung der schönen Literatur erneut aufgeworfen werden - und trotz der Probleme dieser Frage anhand einer möglichen Antwort nachgewiesen werden, warum dieses Theorieprogramm auch literaturtheoretisch nicht einfach aufgegeben werden sollte.
Sammelrezension zu Wolf, Werner (Hg.): Metareference across Media. Theory and Case Studies. Amsterdam, New York (Rodopi) 2009.
Ders. (Hg.): The Metareferential Turn in Contemporary Arts and Media. Forms, Functions, Attempts at Explanation. Amsterdam, New York (Rodopi) 2011.
Selbstreferenz ist in der Literaturwissenschaft wie auch im transmedialen Diskurs ein breit diskutiertes Phänomen, dessen Bestandsaufnahme inzwischen weit gediehen ist. Maßgeblichen Anteil daran hat der Grazer Werner Wolf, namentlich mit den inzwischen fünf Sammelbänden der Reihe "Studies in Intermediality", deren erste drei auch bereits, mal offener, mal impliziter, diesen Gesichtspunkt quer durch die Künste würdigten. Es handelte sich um Bände zur Rahmung und Grenzziehung, zur descriptio und zur allgemeinen Intermedialität. Die Bände 4 und 5 der Serie widmen sich nun ganz der Metareferenz, und zwar zunächst transmedial (die implizite These des Bandes lautet also, dass man gerade - aber nicht nur - Metareferenz jenseits der medialen Grenzziehungen analysieren sollte), um dann noch einen Schritt weiterzugehen und den "metareferential turn" auszurufen.
Rezension zu Eva Blome: Reinheit und Vermischung. Literarisch-kulturelle Entwürfe von "Rasse" und Sexualität (1900-1930). Köln (Böhlau) 2011. 354 S.
Zentral für die am Konstanzer Graduiertenkolleg 'Die Figur des Dritten' entstandene Dissertation ist die um 1900 von der Eugenik aufgeworfene Frage, ob der 'Neue Mensch' eher 'gemischtrassig' oder 'rassenrein' sein soll.
[Rezension zu:] Manfred Schmeling u. Hans-Joachim Backe (Hg.): From Ritual to Romance and Beyond
(2012)
Rezension zu Manfred Schmeling u. Hans-Joachim Backe (Hg.): From Ritual to Romance and Beyond. Comparative Literature and Comparative Religious Studies. Würzburg (Königshausen & Neumann) 2011. 316 S.
Die variantenreichen Beziehungen zwischen Religion und Literatur, auch über den europäischen Raum hinaus, zu analysieren, haben sich in der internationalen Wissenschaftslandschaft des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts nicht nur Theologie und Literaturwissenschaft, sondern viele verschiedene Disziplinen zur Aufgabe gemacht. Wir haben es hier mit einem Untersuchungsfeld zu tun, das eine Vielzahl von Methoden und Ansätzen nicht nur erlaubt, sondern erfordert. Daher ist es durchaus sinnvoll, in einem Band verschiedene, heterogene Sichtweisen auf das Feld zu präsentieren. Eben das leistet die Aufsatzsammlung 'From Ritual to Romance and Beyond' von Manfred Schmeling und Hans-Joachim Backe, die 25 Beiträge zum Thema Religion und Literatur zusammenbindet.