CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Machen wir uns nichts vor. Auch wenn "Event" zum "PR-Wort der letzten Jahre" gekürt worden ist, wenn "Events auf die Besucher wie eine moderne Konsumdroge" wirken, wenn gar vom "Trend zum Event" gesprochen wird, von dem alle Bereiche der Gesellschaft längst so stark erfaßt sind, daß sich ihm nichts und niemand mehr entziehen kann – es bleibt dabei: Wann auch immer davon in Verbindung mit Kultur die Rede ist, da hat man es mit einem bösen Kampfbegriff zu tun. Mit "Eventisierung der Kultur" ist ihr steter Verfall gemeint. Und das Label "Eventkultur" gibt den Zustandsbegriff für eine Gesellschaft, die antrat, mit Kunst und Literatur die höchsten Höhen des Menschenmöglichen zu erreichen, und die nun ihr Bestes, Schönstes und Wahrstes bei einem Schaustellerwettbewerb auf dem Jahrmarkt verhökert. Event, das ist das "zur Sensation hoch inszenierte Nichtereignis, und die größte Kunst im Medienspiel ist das lauteste Krähen". Hier wird, so scheint es, "die Kunst zum bloßen Anlaß für den Konsum (...), zum Alibi", weil sie "in sonderbarer Perversion der alten Horazischen Ästhetik des 'utile cum dulci' und des 'prodesse et delectare', Zucker auf eine Sache streut, die sonst keinem mehr schmeckt." Und das passiert en masse: "Anschwellende Programmhefte, ausufernde Veranstaltungskalender, zunehmender Festivaltourismus, Boom der Multiplex-Kinos, Expo, Millenium Dome – was ist", so fragt sich da der kritische Betrachter mit Blick aufs Literarische, "was ist aus dem Erzählen geworden?" ...
Auf der Autobahn
(2006)
Eine erstaunliche Anklage wegen des Vertriebs eines „obszönen“ Comics ist Anlaß für eine kurze Untersuchung von Argumentationen, die eine spezifisch kindliche Rezeption neuer Medien in der Absicht beschreiben, die juristische Regulierung ihrer Verbreitung zu motivieren. Der Versuch, wahrgenommene Widersprüche in diesen Argumentationen zu erklären, führt schließlich zu der Frage, ob es mißlungene oder etwa besonders gelungene Rezeptionen sind, die in vergleichbaren Kontexten für gefährlich erklärt werden.
Teekesselchen
(1988)
Wo hat der Bengel nur das Wort wieder aufgeschnappt? Wenn er schon seine Programmierübungen für den Deutschunterricht nicht machen will, dann soll er doch 'Beyond Dark Castle' spielen oder sich durch Datennetze hacken, wie jeder anständige Junge in seinem Alter. Aber Sohnemann muß natürlich wieder aus der Reihe tanzen! Gedichte lesen! Jetzt haben wir die Bescherung: "Papa, was sind denn eigentlich 'Wipfel'?" ...
Die Zahl der computerisierten Schriftsteller wächst rapide. Von den Vorzügen des Mac wissen besonders die zu berichten, die zuvor Erfahrungen an anderen Systemen gesammelt haben. Wie zum Beispiel Fernsehautor Wolfgang Menge. Wir besuchten den Konvertiten in dessen Sylter Sommerdomizil und fragten ihn nach seinem Verhältnis zu den neuen Techniken des Schreibens. Das Gespräch führte Peter Matussek, die Fotos machte Frank Stöckel.
Der Beitrag gibt ein Beispiel dafür, wie philologische Kompetenz für die Analyse von medienkulturellen Phänomenen fruchtbar gemacht werden kann. Ausgehend von Wolfgang Isers Leerstellentheorem wird nach der Funktionsweise ästhetischer Erinnerungsanlässe gefragt – zum einen in systematischer Hinsicht durch einen Vergleich von Schrift, Bild und Klang, zum anderen in historischer Hinsicht durch einen Vergleich analoger und digitaler Medien. Es ergibt sich, daß die ästhetischen Strategien, mit denen traditionellerweise Literatur, bildende Kunst und Musik Leerstellen eröffnen, auf Animationen beruhen, die durch ihre computertechnische Realisierung grundsätzlich nivelliert werden. Folglich bedarf es neuer Verfahren der Leerstellengenerierung, um unter den Bedingungen digitaler Medien die Erinnerung zu aktivieren.
Der Tränen Palast
(2006)
Im Jahr 1837 schreibt Gustave Flaubert – er ist sechzehn Jahre alt – die Erzählung Quidquid volueris, eine nahezu perfekte Schauergeschichte im Stil der gothic novel, ein goyaesker Alp "schlafloser Nächte", worin der Erzähler eingangs die Teufel seiner Einbildungskraft, die "Kinder meines Hirns" anruft wie Musen der Inspiration. Virtuos setzt der adoleszente Autor alle Stilmittel des langsam sich aufbauenden Grauens ein, das sich am Ende in einer entsetzlichen Tat entlädt. ...
Im folgenden wird nicht ein Versuch zur Geschichte männlicher Masken unternommen, ebenso wenig wie eine religionswissenschaftliche oder ethnologische Analyse des Maskengebrauchs und seiner gender-Ordnung. Im Kern geht es vielmehr um den denkwürdigen Punkt, dass an der Nahtstelle zwischen Mythos und Aufklärung in der griechischen Antike eine Neukartierung des Männlichen und Weiblichen im Feld des Generativen vorgenommen wird. Die späten Nachfahren dieser männlichen Machtergreifung, um die es im zweiten Teil geht, entwickeln Figuren des Sexuellen, worin das Generative radikal ausgeschlossen und das Begehren zum Schauplatz eines nur noch in sich selbst kreisenden Maskenspiels wird – jenseits jeder Reproduktionslogik. Man könnte die These wagen: die 'Männer' besetzen die mythische Generativität, doch generieren sie nichts mehr außer sich selbst. Vielleicht ist die ungeheure Kreativität, die in der europäischen Moderne (heute besonders auf dem Feld der 'Reproduktion des Lebens') entfesselt wird, nichts als eine Maske, die diese innere Unfruchtbarkeit überdeckt. Nach einer Abklärung des Maskerade-Konzepts, wie es hier verwendet wird, werden in einem ersten Kapitel mythische Beispiele gezeigt, in welchen die mythische Produktivität des Weiblichen (die Magna Mater) dem symbolischen Regime von Herren-Göttern unterstellt wird. Diese Umcodierung wird die abendländische, nämlich männliche Auffassung von Sexualität und Reproduktion nachhaltig prägen. Sie hat ihren Preis. Er wird, im zweiten Teil, errechenbar an den legendären Figuren des männlichen Sex – Casanova, Don Juan, Sade, 'Walter' und Sacher-Masoch –, welche die "Masken des Begehrens" (Ariès / Béjin) in der Moderne bestimmt haben. Im Mittelpunkt steht dabei Sacher-Masoch, der das masochistische Begehren, das den scheinbaren Kontrapunkt zur männlichen Selbstermächtigung darstellt, aus einer Vielzahl mythischer, literarischer und bildkünstlerischer Figurationen des übermachtig Weiblichen und des demütigen, gar geopferten Männlichen synthetisiert.