CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (1573)
- Part of a Book (1236)
- Review (419)
- Part of Periodical (298)
- Book (178)
- Conference Proceeding (59)
- Report (44)
- Preprint (11)
- Periodical (7)
- Other (5)
Language
- German (3840) (remove)
Keywords
- Literatur (421)
- Rezension (299)
- Deutsch (166)
- Rezeption (146)
- Geschichte (142)
- Begriff (139)
- Vergleichende Literaturwissenschaft (135)
- Ästhetik (132)
- Benjamin, Walter (127)
- Übersetzung (127)
Institute
- Extern (178)
- Neuere Philologien (3)
- Universitätsbibliothek (3)
- Präsidium (2)
- Sprach- und Kulturwissenschaften (1)
Über den Abfall des Menschen
(2019)
Die historisch gewachsene Relevanz des Abfallproblems kulminiert in jüngsten theoretischen Versuchen, die Kultur als Ganzes vom Müll her in den Blick zu nehmen. Damit wird ausbuchstabiert, worauf Begriffe wie 'Wegwerfgesellschaft' hindeuten: dass Müll nicht nur als Anderes oder Rest der Produktion zu denken ist, sondern in einem viel grundlegenderen Zusammenhang mit dieser steht. Eine bis heute relevante Pionierarbeit zum Müll ist Michael Thompsons "Rubbish Theory". Am Beispiel von Seidenbildern aus dem 19. Jahrhundert zeigt er, wie einstmals Wertloses zur Antiquität wurde und welche sozialen Distinktionen mit der Deklaration einer Sache als Abfall verbunden sind. In seiner Spur lesen neuere soziologische Studien am Müllaufkommen den sozialen Status der 'Entsorger' ab: Zeige ihnen deinen Müll, und sie sagen dir, wer du bist. Reich sein heißt auch, etwas wegzuwerfen haben, und was den einen Müll, ist andern Lebensmittel. Nach Thompson ist klar geworden, dass etwas zu Müll nicht allein aufgrund seiner intrinsischen Eigenschaften wird. Eine spezielle Aufgabe der Kulturwissenschaften liegt daher in der Untersuchung der kulturellen und sozialen Codierung von Müll und des historischen Wandels objektbezogener Wertzuschreibungen.
Für die Juli-Ausgabe von "39Null - Magazin für Gesellschaft und Kultur" (7/2019) hat Katharina Rahn mit Moritz Neuffer und Morten Paul über die Neue Rechte, Medien und Fragen der Öffentlichkeit gesprochen. Zusammen mit weiteren Geistes- und Kulturwissenschaftler*innen haben die beiden 2017 den Arbeitskreis "Kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung" gegründet. Im daraus hervorgegangenen Eurozine-Dossier "Worlds of Cultural Journals" wurde 2018 ihr Aufsatz "Rechte Hefte. Zeitschriften der alten und neuen Rechten nach 1945" veröffentlicht.
Leidtragende Körper
(2019)
Warlam Schalamow (1907–1982) ist der einzige Schriftsteller in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts, der dem Körpergedächtnis für sein eigenes Schreiben wie für das menschliche Gedächtnis an sich besonderen Stellenwert beimaß. Nahezu all seine überlieferten Prosatexte und Gedichte sind nach den vierzehn Jahren Gefangenschaft in den Lagern der Kolyma-Region, am Kältepol der Erde, verfasst worden. Alles, was er dort, am "Pol der Grausamkeit" des GULag durchleben musste, hat sich unauslöschlich in sein Gedächtnis wie in seinen Körper eingebrannt. Die Goldgrube der Kolyma, in der die Häftlinge bei Temperaturen bis zu minus 55 Grad arbeiten mussten, ließ den Überlebenden zeitlebens nicht los. Seinen eigenen Erfahrungen entnahm Schalamow ein neues, erschreckendes Wissen über die Verfasstheit des Menschen, über "das Gesetz des Verfalls" ebenso wie über "das Gesetz des Widerstands gegen den Verfall". Dieses Wissen mit literarischen Mitteln gegen das Vergessen wachzuhalten, hieß vor allem eines: "Wichtig ist das Wiedererwecken des Gefühls". Eben dieses Heraufholen des damaligen Gefühls ist für ihn die Garantie von Wahrhaftigkeit.
Auf dem Boden der Tatsachen
(2019)
Als Hans Blumenberg 1974 den Kuno-Fischer-Preis für Philosophiegeschichte erhält, fällt in seiner Dankesrede der Satz: "Ich habe den Vorwurf des 'Historismus' immer als ehrenvoll empfunden." Aus dem Mund eines Philosophen muss diese Aussage verwundern, denn polemisch verwendet meint 'Historismus' schließlich das glatte Gegenteil von Philosophie: reines positivistisches Faktensammeln ohne alle Wertung. Die Genese der Phänomene klären zu wollen, ohne ihre Geltung bestimmen zu können - so ließe sich der "Vorwurf" zusammenfassen -, endet in einem aussagefreien Relativismus. Als philosophische Haltung löst der Historismus Philosophie in Geschichte auf. Dass er dennoch "ehrenvoll" sein kann, lässt sich für Blumenberg aber durchaus philosophisch begründen. Verstanden als Korrektur falscher Geschichtsverständnisse nämlich ist der Historismus für ein ganzes geschichtstheoretisches Programm nutzbar zu machen: Blumenberg nannte es einmal die "Destruktion der Historie".
Verrufenes historisieren
(2019)
Idee und Ideologie des Fortschritts wurden im 19. Jahrhundert nicht zuletzt von den historischen Wissenschaften hervorgebracht und durch die enormen Fortschritte der Wissenschaften ungemein plausibilisiert. [...] Vielleicht müssen wir rabiat werden, wenn wir den uns immer noch selbstverständlichen ideologischen Komplex von Fortschritt, Zeit und Historisierung verstehen und überwinden wollen; Immanuel Wallerstein hat dafür einmal die sprachlich gewöhnungsbedürftige Formel eines "Unthinking the 19th Century" ins Spiel gebracht. Vielleicht müssen wir unsere begrifflichen und rhetorischen Routinen - die auch in Deckbegriffen wie der Moderne, der Gesellschaft oder der Wissenschaft noch wirksam sind - irritieren, etwa durch 'illegitime', 'unwissenschaftliche' oder verrufene Formen des Historisierens.
2018/19 jähren sich zum hundertsten Mal die epochalen Ereignisse, die als 'Novemberrevolution' und 'Spartakusaufstand' in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegangen sind. Die Stadt Berlin, Hauptschauplatz der damaligen Vorgänge, begeht das Jubiläum mit einem "Themenwinter", offenbar bestrebt, deren historischem Gewicht gerecht zu werden. Die zum Jahrestag der doppelten Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht am 9. November eröffnete Ausstellung im Museum für Fotografie nimmt die Ereignisse zwischen November 1918 und Mai/Juni 1919 aus verschiedenen Richtungen in den Blick und befasst sich neben der Dokumentarfotografie mit dem Kino und der Unterhaltungskultur, mit Operette, Revue, Kabarett und Tanz.
Verbraucher
(2018)
Das Wort 'Verbraucher' hat einen vertrauten Klang und erfreut sich besonders in Form verschiedener Komposita wie 'Verbraucherschutz' oder 'Verbraucherpolitik' großer Wertschätzung. Abgeleitet ist es vom Verb 'verbrauchen'. Es scheint damit verwurzelt in einem anthropologischen Grundtatbestand, denn der Mensch ist nun einmal, als gesellschaftliches Naturwesen, auf den Verbrauch bestimmter Dinge angewiesen. Allerdings ist bereits das Verb 'verbrauchen' keineswegs so selbstverständlich, wie es zunächst scheint. Wer vom Verbrauchen redet, abstrahiert nämlich schon von den konkreten Formen und Zwecken der Aneignung der Dinge und stellt allein den Aspekt des Verlusts oder Endes ihrer Brauchbarkeit heraus. [...] Auch der Blick auf den Komplementärausdruck des Gebrauchens zeigt, dass es sich beim Verb 'verbrauchen' um eine Schwundform handelt. Eine weitere Reduktion wird vollzogen, wenn aus ihm das Substantiv 'Verbraucher' abgeleitet wird. Anhand der gängigen Unterscheidung von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern lässt sich das verdeutlichen. Im Vergleich zu den Gebrauchsgütern ist der Anteil der Verbrauchsgüter, also der Dinge, die zum unmittelbaren Verzehr zur Erhaltung der Existenz bestimmt sind, sehr gering. Wenn nun der Mensch als Verbraucher angesprochen wird, dann wird gerade diese elementare Erhaltungsfunktion totalisiert und zur Wesensbestimmung aufgebläht. Was umgekehrt heißt: Im 'Verbraucher' ist der Mensch als kulturelles Wesen ausgelöscht. Wie ist es dazu gekommen?
Der Einsicht, dass die Zeitschrift kein simpler "cargo truck" für intellektuelles Frachtgut ist, wird inzwischen auch in der Forschung Rechnung getragen. Damit wird nachgeholt, was für die 'history of books' schon längst selbstverständlich ist: Zeitschriften weisen Eigenlogiken auf, die kultur- und wissensgeschichtlich untersucht werden können und sollten. Nicht zuletzt sind sie immer auch Interventionen in eine spezifische historische Situation. [...] Periodika sind in der Geschichte der Ideen und Theorien, der Künste und der Wissenschaften der Neuzeit allgegenwärtig, und gerade deshalb sind sie theoriebedürftig. Der Arbeitskreis Kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung hat sich 2017 als Initiative von und für Nachwuchsforscher*innen gegründet, die über Perspektiven auf diesen selbstverständlich-unselbstverständlichen Gegenstand nachdenken.
Mit 'Synergie' werden kooperative Interaktionen bezeichnet, die zu einer neuen Qualität führen bzw. führen sollen. Spätestens im 19. Jahrhundert wurde auf den von 'synérgeia' ('Mitwirkung, Zusammenarbeit') abgeleiteten Gräzismus die Bedeutung des aristotelischen Satzes "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" übertragen. Nicht nur in den Natur- und Geisteswissenschaften, sondern auch in Ökonomie, Technik und Kunst haben Debatten über Synergien und ihre Effekte seit einiger Zeit Konjunktur. Dabei stellt sich die wissenstheoretische Frage, wie derartige Synergie-Modellierungen in die Generierung und Strukturierung von Wissen eingreifen und welches Innovationspotential sie für die Wissensgesellschaft mit Blick auf die Zukunft haben.
Gegründet 1988, vier Studioalben zwischen 1991 und 1996, zwei Kompilationen und eine Abschiedstournee 1998: so die Eckdaten der Berliner Band Lassie Singers. Gegründet wurde sie von den Sängerinnen Almut Klotz und Christiane Rösinger, die sich zunächst Almut Schummel und C.C. Hügelsheim nannten. Hügelsheim ist der Name des badischen Geburtsortes von Christiane Rösinger. Auch die vor ein paar Jahren früh verstorbene Almut Klotz war Mitte der Achtzigerjahre aus Baden-Württemberg, aus dem tiefen Schwarzwald, nach Berlin gekommen. Die Lassie Singers sind also ein Beispiel für den schwäbisch-badischen Kulturtransfer ins alte West-Berlin und ins Wende-Berlin um 1990.
Der Kiezkönig bleibt ein Paradox. Ob bei City oder in den verschiedenen Rap-Richtungen: Die Identifikation mit dem Problemkiez ist in der Popmusik einerseits ein wichtiges Zeichen für Unabhängigkeit und Widerstand. Andererseits ist sie eine Gratwanderung, denn der Querulant darf sich eben nicht wie ein absolutistischer Herrscher über alles und jeden erheben, sondern muss Milieutreue beweisen - und damit auch seinen Zuhörern die Möglichkeit geben, sich als gleichberechtigten Teil dieses Milieus zu imaginieren.
Houllebecqs Science-Fiction : "Unterwerfung" und "Die zweite Invasion der Marsianer" der Strugatzkis
(2018)
Am 6. Juni 2018 wurde die deutsche Fernsehverfilmung von Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" in der ARD gesendet. Auf die Erstausstrahlung folgte eine Gesprächsrunde zum Thema "Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?" An der Programmzusammenstellung wird das Missverständnis deutlich, das sich in der öffentlichen Diskussion von "Unterwerfung" etabliert hat. Dieses Missverständnis besteht darin, die "Islamdebatte" als Thema des Romans zu begreifen und deshalb dessen Szenario zum Gegenstand einer politischen Debatte zu machen. [...] "Unterwerfung" (2015) ist kein Roman über die Auseinandersetzung mit dem Fremden, sondern über das Verhältnis zur eigenen Geschichte. Der exemplarische Fall materialisierter Geschichte ist in "Unterwerfung" die Literatur. Dass der Protagonist und Erzähler François ein Literaturwissenschaftler ist, der sich vorwiegend mit Texten von Joris-Karl Huysmans befasst, ist dem Roman dabei Mittel zum Zweck, die Literatur thematisch ins Zentrum zu rücken. [...] Der neuere literaturgeschichtliche Hintergrund für Houellebecqs Arbeit ist die Science-Fiction. Und tatsächlich lässt sich "Unterwerfung" als Hypertext eines Science-Fiction-Romans lesen. Dieser trägt im Deutschen den Titel "Die zweite Invasion der Marsianer", wurde von Arkadi und Boris Strugatzki erstmals im Jahr 1967 auf Russisch veröffentlicht und liegt in einer trashigen französischen Taschenbuchausgabe von 1983 als "La seconde invasion des Martiens" in der Reihe "Science-fiction soviétique" vor.
Wer vom Populismus sprechen will, darf über den Liberalismus nicht schweigen. Es macht die Analyse komplexer, weil diejenigen, die sie betreiben, sich nicht mehr als unbeteiligte Beobachter ausgeben können. Allein schon der Begriff Populismus markiert ja eine Perspektive von außen, denn heutige Populisten nennen sich gewöhnlich nicht so. Wer den Begriff verwendet, ist unter den Vorzeichen eines sich immer weiter polarisierenden politischen Feldes also in der Regel dem Gegenlager der 'Liberalen' zuzurechnen. Dessen Vertreter sind an einer beide Seiten umgreifenden Dynamik beteiligt. Insofern ist auch die Art, wie sie über den Populismus sprechen, Teil des politischen Spieles. Deshalb reicht es nicht, das 'Narrativ des Populismus' mit seinen charakteristischen Merkmalen zu isolieren und, was ein leichtes Spiel ist, als trügerisch zu entlarven. Das Bild muss ergänzt werden um eine Analyse auch des 'liberalen Narrativs': der perspektivischen Verzerrungen, die es enthält, seiner Leerstellen und Ambivalenzen, vor allem aber der Gründe für seine geschwundene Integrationskraft sowohl im nationalen als auch im Weltmaßstab.
Was bei Schrott aus seiner künstlerischen Bearbeitung der Wissens-'Tradition' geworden ist, ist nicht einfach zu sagen. Jedenfalls keine Naturreligion und keine Experimentaltheologie, sondern eine Dichtung, sehr groß dimensioniert, gewiss, aber doch stets nur "Stücke eines Epos: nicht in hehrem Anspruch, sondern als Poesie, die Welt enthält". Von Freuds Epostheorie her gesehen ist der befremdliche Titel "Erste Erde. Epos" gewissenhafte Leseanleitung: Achtung, Kunst! - Nicht beantwortet ist damit die Frage, warum Schrott die 'Tradition' von Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte literarisch bearbeitet hat.
An ein philosophisches Fachpublikum richtete sich Blumenberg zuerst mit "Die sprachliche Wirklichkeit der Philosophie", geschrieben 1946 und veröffentlicht im Jahr darauf in der Hamburger Akademischen Rundschau. [...] Der Essay von nur vier Seiten zeugt von Blumenbergs Hadern mit allen Versuchen, die Philosophie von Grund auf neu zu errichten. Erstaunlich daran ist nun, dass Blumenberg dabei nicht als Vertreter der Phänomenologie und Anthropologie auftritt, als der er heute vor allem gelesen wird. Stattdessen erscheint er in diesem Anfangstext als Sprachtheoretiker.