CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Das Dissertationsprojekt untersucht, wie die ästhetischen Eigenschaften literarischer Texte mithilfe einer hermeneutischen Methode erfasst und wertgeschätzt werden können. Dieser Beitrag skizziert, wie das Projekt verschiedene Ansätze der Hermeneutik und der analytischen Ästhetik zu diesem Zweck miteinander kombiniert.
Ziel des Dissertationsprojekts "Ästhetische Wertschätzung und Literatur" ist es, mit einer Explikation auf die Frage 'Was ist ästhetische Wertschätzung?' zu antworten. Hierzu werden neuere Theorien der 'analytischen' philosophischen Ästhetik zu den Themen 'ästhetischer Wert', 'ästhetische Erfahrung' und 'ästhetische Wertschätzung' diskutiert.
Literarische Modellforschung
(2023)
Die These, Kunst sei ein Modell der Wirklichkeit, erweist sich als heuristisch fruchtbar, wenn man sie modelltheoretisch vertieft. Im Kontext digitaler Narrationen, die Lektüren durch Entscheidungen ersetzen und Erzählhandlungen mittels künstlicher Intelligenz gestalten, untersucht die literarische Modellforschung die Steuermechanismen eines literarischen Systems und prüft sodann, inwiefern diese für die Poetologie des jeweiligen (digitalen oder klassisch-analogen) Darstellungsformats bedeutsam werden und den Status einer diskursiven Direktive gewinnen.
Der Beitrag skizziert den Stand der Motivforschung und entwickelt darauf aufbauend einen operationalisierbaren Motivbegriff, eine Typologie literarischer Motivik sowie ein Analyseinstrumentarium, das den narrativen Kern von Motiven erkennbar macht und seinen unterschiedlichen Ausgestaltungsdimensionen gerecht wird. Damit sucht der Beitrag die Ergebnisse von verschiedenen Forschungs- und Publikationsprojekten an den Universitäten Bremen und Duisburg-Essen seit 2017 zusammenzufassen.
Der Beitrag führt ein in ein am Münsteraner Sonderforschungsbereich 1385 Recht und Literatur entwickeltes Dissertationsprojekt, dessen Ausgangspunkt der bisweilen auftretende Kollisionsfall zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit darstellt. Konkret wird die Frage diskutiert, inwiefern fiktionale Texte persönlichkeitsrechtsverletzend sein können.
Der Beitrag skizziert ein Projekt, das die Generierung impliziter Assertionen in literarischen Fiktionen untersucht, also auf die reale Welt bezogene Propositionen, die die jeweilige Fiktion nahelegt, ohne sie explizit zu formulieren. Im Rahmen des Projekts werden literaturtheoretische Fragestellungen mit Methoden aus dem Bereich der Digital Humanities verknüpft.
In diesem Beitrag wird das Projekt CAUTION vorgestellt, das sich dem narrativen Phänomen des unzuverlässigen Erzählens mithilfe verschiedener computergestützter Methoden (automatische und manuelle Annotation, Argumentvisualisierung und Deep Learning) nähert. In diesem Rahmen wird zur Beantwortung theoretisch-methodologisch relevanter Fragen zu unzuverlässigem Erzählen, aber auch zu literaturwissenschaftlicher Interpretation im Allgemeinen sowie zum Potenzial computergestützter Zugänge in diesem Zusammenhang beigetragen.
Ausgehend von der grundlegenden narratologischen Bedeutung von Ereignissen in ihrer konstitutiven Funktion für Erzähltexte wurde im Projekt "Evaluating Events in Narrative Theory" (EvENT) ein Ansatz entwickelt, mit welchem Ereignisse auf der Textoberfläche und daher maschinenlesbar modelliert werden können. Dieser Beitrag skizziert bisherige Arbeitsschritte und ausgewählte Ergebnisse des Projekts, zu denen die Generierung von Narrativitätsgraphen zählt.
Interpretationen verfahren bei längeren literarischen Texten gekonnt selektiv: Sie nehmen bestimmte Stellen wichtig und vernachlässigen andere. Wie verfährt dieser Selektionsprozess und wie müsste eine Interpretationstheorie konzipiert sein, die die Praxis der gekonnten Aufmerksamkeitsfokussierung angemessen berücksichtigt?
Welche literaturtheoretischen Projekte werden derzeit im deutschsprachigen Raum verfolgt? Die vorliegende Ausgabe der Open-Access-Zeitschrift "Textpraxis. Digitales Journal für Philologie" stellt laufende oder vor Kurzem abgeschlossene Forschungsprojekte in Kurzbeiträgen vor, um literaturtheoretische Forschungen stärker sichtbar zu machen und Vernetzung, Kooperationen und Debatten anzuregen.
Am 6. August 1975 lädt der Verlag Roter Stern in Frankfurt am Main zu einer Pressekonferenz ins Hotel Frankfurter Hof. Hier präsentieren der Verleger KD Wolff, ehedem Bundesvorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, und der ehemalige Werbegrafiker D.E. Sattler den Einleitungsband ihrer neuen Hölderlin-Ausgabe. Die zwanzigbändige Edition soll in fünf Jahren abgeschlossen sein; tatsächlich erscheint der letzte Band 2008. Aufsehenerregend war die neue Ausgabe vor allem wegen ihrer Editionsprinzipien: Alle Handschriften werden im Faksimile wiedergegeben, eine "typographische Umschrift" bildet die Schriftbildlichkeit der Handschriftenblätter ab, eine "Phasenanalyse" macht den zeitlichen Charakter des Entwurfsprozesses nachvollziehbar. Aufsehenerregend war aber auch, dass die Frankfurter Hölderlin-Ausgabe (FHA) von Anfang an unter einem politisch-aktivistischen Stern stand: "Roter Stern über Hölderlin" oder "Liest Marx jetzt Hölderlin?" lauteten einschlägige Überschriften in der Presse.
Mit Beginn des russischen Großangriffs auf die Ukraine ist die Osteuropaforschung, die in der Öffentlichkeit jahrzehntelang eine eher marginale Rolle spielte, ins Rampenlicht gerückt. Osteuropawissenschaftler:innen analysieren das laufende Kriegsgeschehen, erläutern vorangegangene Entwicklungen, informieren über die russische Imperialgeschichte und das lange Ringen der Ukraine und anderer ehemaliger Sowjetrepubliken um Unabhängigkeit. Kurz: Sie vermitteln komplexes Wissen über Politik und Geschichte, Sprache und Kultur eines Raums, der von jahrhundertelangen Grenzverschiebungen, vielsprachigen und multireligiösen Bevölkerungen und generationsübergreifenden Gewalterfahrungen gekennzeichnet ist. Aufgrund der medialen Berichterstattung infolge des Kriegs ist die Ukraine zwar keine Terra incognita mehr. Doch es bedarf weiterhin der Wissensvermittlung in die breitere Öffentlichkeit, damit sie und andere ehemalige sow jetische Länder als eigenständige Akteure und Subjekte der eigenen und europäischen Geschichte und nicht immer nur in Bezug auf Russland wahrgenommen werden.
'Aktivismus' wird heute kontextabhängig in vielen Bedeutungen verwendet: als deskriptive Bestimmung, positiver Identifikationsbegriff, Begriff der polemischen Abwertung oder Zielscheibe jargonkritischen Spotts. Im Kern des Begriffs behauptet sich aber stets die individuelle Partizipation am kollektiven gesellschaftlichen Handeln, insbesondere an der Politik. Meist wird als Aktivismus die emphatische Teilnahme an sozialen Bewegungen emanzipatorischer Art bezeichnet. Es geht dabei häufig um marginalisierte Gruppen und Anliegen. Forderungen nach Ermächtigung und Gleichberechtigung sowie die Herausstellung besonderer Schutzbedürftigkeit stehen im Zentrum. [...] Bedeutungskonstituierende Kriterien für 'Aktivismus' wären demnach erstens politische Partizipation jenseits einer bloß passiven, handlungsfernen Zustimmung oder Ablehnung sowie zweitens das Vorhandensein eines kollektiven Handlungsmusters, das im Hinblick auf Rechte und deren Beschränkungen lesbar ist. Der Begriff setzt drittens ein Grundverständnis von Asymmetrien innerhalb der politischen Partizipation voraus. [...] Allerdings erlegen diese drei Kriterien den historischen Konstellationen eine allzu große Einfachheit auf.
In den aktuellen Debatten um politischen Aktivismus und institutionalisierte Wissenschaft lässt sich unschwer das alte Muster 'Elfenbeinturm' vs. Engagement erkennen, das zahlreiche Auseinandersetzungen im 20. Jahrhundert geprägt hat. Angesichts dieser langen, wechselvollen und produktiven Geschichte könnte man mit dem Thema eigentlich gelassener umgehen als der aufgeregte Ton heute nahelegt. In ihrem Beitrag zu den Osteuropawissenschaften in Zeiten des Krieges wundert sich auch Nina Weller, dass längst überwunden geglaubte Fronten sich neu formieren. Henning Trüper erinnert daran, dass moderne Wissenschaft immer von politischen Instanzen wie dem Staat abhängt. Patrick Eiden-Offe stellt anhand der Frankfurter Hölderlin-Edition, deren politische Motive einen Paradigmenwechsel in der Editionswissenschaft herbeiführten, die Verträglichkeit von Politik und Wissenschaft exemplarisch unter Beweis. Er zeigt aber auch, dass dem akademischen Erfolg des Projektes dessen politische Motive zum Opfer fielen; bei der Durchsetzung neuer Editionsprinzipien blieb der politisch-aktivistische Impuls auf der Strecke. Könnte es heute umgekehrt die Wissenschaft sein, die auf der Strecke bleibt? Und wenn es so wäre, könnte das damit zusam menhängen, dass einerseits die Politik (national und auf EU-Ebene) sowie viele Förderorganisationen eine 'transformative Wissenschaft' einfordern? Und dass andererseits immer mehr junge Menschen ihre akademische Entwicklung in den Dienst dieses oder jenes Aktivismus stellen? Haben wir es mit einer bisher unbekannten Konvergenz eines Aktivismus 'von oben' und 'von unten' zu tun?
Horst Engert, 1886–1949
(2016)
Der Literaturwissenschaftler Horst Engert, der 1927 an die Universität in Kaunas berufen wurde, hat sich neben seiner germanistischen Lehre und Forschung mit dem Übersetzen zeitgenössischer litauischer Literatur beschäftigt. Dies ist als Pionierleistung zu bewerten, da auf Deutsch bis dahin nur Übersetzungen der traditionellen litauischen Volkspoesie sowie der im 18. Jahrhundert entstandenen "Jahreszeiten" von Donelaitis/Donalitius vorlagen.
Juri Elperin, 1917–2015
(2022)
Das Leben des russisch-deutschen Übersetzers Juri Elperin umfasst den Großteil des 20. Jahrhunderts und ist durch zahlreiche Grenzgänge zwischen den Kulturwelten geprägt. Mehr als fünfzig Jahre hat er der Literaturübersetzung gewidmet und ca. einhundert Werke russischer und sowjetischer Literatur ins Deutsche übersetzt. Diese Leistung ist besonders beachtenswert, da Elperin fast sein ganzes Berufsleben lang außerhalb des deutschen Sprachraums wohnte. In Davos geboren, in Berlin und Paris aufgewachsen, gehörte er zu den in der UdSSR lebenden Emigranten, die die russisch-sowjetische Literatur in ihre Muttersprache übertrugen.
Günter Eich, 1907–1972
(2015)
Günter Eich (1907–1972) zählt zu den bekanntesten und vor allem in den 50er und 60er Jahren nachhaltig rezipierten Dichtern, Hörspielautoren und Übersetzern der Nachkriegszeit. Der posthum 1976 erschienene gelbe Suhrkamp-Band mit dem Titel "Aus dem Chinesischen", in dem Eichs Anfang der 50er Jahre erschienene Übersetzungen versammelt sind, dürfte seine relativ weite Verbreitung und Bekanntheit dem Ruhm des Dichters verdanken.
Gisela Drohla, 1924–1983
(2016)
Gisela Drohla gilt für die 1960er und 70er Jahre als eine der bedeutendsten westdeutschen Übersetzer und Vermittler russischer Literatur. Nach eigenen Angaben beherrschte sie Russisch, Georgisch, Griechisch, Englisch, Bulgarisch und Französisch. Trotz zahlreicher Publikationen in renommierten Verlagen wie Suhrkamp, Insel, Fischer, Kiepenheuer & Witsch oder Luchterhand blieben die biographischen Umstände der Übersetzerin in der Öffentlichkeit verschattet. Ihr übersetzerisches Handeln lässt sich jedoch ansatzweise aus in Verlagsarchiven aufbewahrten Dokumenten rekonstruieren.
Günter Dietz : Bibliographie
(2019)
Günter Dietz, 1930–2017
(2019)
Der 1930 in Karlsruhe geborene Günter Dietz hat sich als Altphilologe, Übersetzer und Lyriker einen Namen gemacht. Er studierte Klassische Philologie und Germanistik in Freiburg i. Br. Im Anschluss an die Promotion bei Karl Büchner mit einer Arbeit über "Sallusts Briefe an Cäsar" arbeitete er als Lehrer in Athen. In dieser Zeit (1958 bis 1964) kam Dietz in Berührung mit der modernen griechischen Literatur und fing an, Lyrik zu übersetzen.
1928 erschien im Leipziger Haessel-Verlag die Anthologie "Neugriechische Lyriker", herausgegeben und übersetzt vom Byzantinisten und Neogräzisten Karl Dieterich. Mit Nachdruck wurde hier griechische Gegenwartsdichtung nicht an den Werken der klassischen Antike gemessen, sondern in ihrem Eigenwert vorgestellt. Diese Lyrik-Sammlung kann als Dieterichs Hauptverdienst in der Geschichte des neueren deutsch-griechischen Kulturtransfers betrachtet werden.
Dieser Aufsatz untersucht die Frage, welche Rolle die verdeckte Kopräsenz visueller Medien in Rhys' Roman bei der zunehmenden Desorientierung und De-plazierung der Hauptfigur spielt. Mithin nimmt sich dieser Aufsatz vor zu zeigen, wie mediale Spannungsfelder zwischen Text und Bild in "Wide Sargasso Sea" die Grenzen aufrührerischer und dazwischen liegender Existenzen reflektieren. Konkret erzeugt der Roman eine Innen- und Außensicht von Antoinettes Metamorphose. Rhys' medienreflexive Verfahren in "Wide Sargasso Sea", so lautet die These, versinnbildlichen Antoinettes leiblichen Zerfall. Obwohl verbale Texte eigentlich die Wesenseigenschaft des Leibs nicht fassen können, vermag "Wide Sargasso Sea" mit Hilfe von verdeckter Intermedialität (von Bild und Wort) in der wechselnd homodiegetischen Erzählung das leibliche Erleben Antoinettes in der Form ihres zunehmenden Wahrnehmungs- und Sichtbarkeitsverlusts zu evozieren. Das Spannungsverhältnis von Bild und Wort im Roman legt den Leserinnen und Lesern im Zuge dieser ästhetischen Psychologisierung eine stete Weiterdifferenzierung nahe, welche Ambiguität vor Eindeutigkeit und Dissens vor Konsens setzt.
Vermutlich in den ersten Monaten des Jahres 1817 besucht der englische Dichter John Keats zusammen mit dem Freund und ebenso selbstbewussten wie streitbaren Historienmaler Benjamin Robert Haydon das British Museum und verfasst im Anschluss daran tief beeindruckt zwei Sonette, die seiner Reaktion auf das Erlebte Ausdruck geben. [...] Der erste der beiden Texte gilt als exemplarisch für das, was man die 'zweite Generation' der englischen Romantiker nennt. Während die Texte der ersten Generation mit Wordsworth und Coleridge weithin einlösen, was deren 'Preface' programmatisch als expressiv ausgerichtete sprachliche Umsetzung eines "spontaneous overflow of powerful feelings" samt damit zu erzielender "emotion recollected in tranquillity" bezeichnet und sich mit am paradigmatischsten in Wordsworths bekanntem "Daffodils"-Gedicht als Koppelung der Deskription einer unerwarteten einmaligen Naturerfahrung mit dem Kommentar einer auf Dauer gestellten imaginationsgeleiteten Wiederholungsmöglichkeit ebendieser Erfahrung ausgeführt findet, sieht man die Texte der zweiten Generation von Keats und Shelley vorzugsweise eher als, wenn auch heterogene, so doch kontinuierliche Fortführung des romantisch-expressiven Projekts mit einerseits verstärkt ästhetisierendem und andererseits deutlicher politisierendem Einschlag. Ich will im Folgenden zunächst in einem ersten Schritt einer solchen noch weitgehend mimetisch an der abbildenden Darstellung von Objekten orientierten Lektüre nachgehen, bevor ich sodann in einem sich daran anschließenden zweiten Schritt den Versuch unternehme, Keats' Sonett in einer intermedial und medienkomparatistisch an der Textperformanz ausgerichteten Lektüre als ein Beispiel dafür zu lesen, dass sich erstaunlich früh schon im 19. Jahrhundert eine Tendenz abzuzeichnen beginnt, die man gewissermaßen als zukunftsweisenden Ausbruch aus der Mimesis bezeichnen kann.
Als Big Edie 1977 unmittelbar vor ihrem Tod von ihrer Tochter gefragt wurde, ob sie noch irgendetwas sagen oder richtigstellen wolle, antwortete die Sterbende: "There's nothing more to say. It's all in the film." Diesen in der Diskussion um Grey Gardens viel zitierten Worten möchte ich im vorliegenden Beitrag nachgehen und den Film dabei als ein kinematografisches Doppelporträt begreifen, das, wie es Jean-Luc Nancy zufolge für die Bildform Porträt generell typisch, wenn nicht gar konstitutiv ist, "vor allem die Spannung einer Beziehung [präsentiert]." In diesem Zusammenhang wird mich allerdings weder die Spannung zwischen den Porträtierten, also der Mutter-Tochter-Dualismus, noch die zwischen den Porträtierten und den Porträtierenden, also den Maysles, sonderlich interessieren, sondern vielmehr die zwischen dem Porträt, das heißt dem Film, und anderen Porträts - und zwar jenen, die der Film in seinem, wenn man so will, bis zum Bersten gefüllten intermedialen Laderaum mit sich führt. Was sich rasch zeigen wird, ließe sich unter Rekurs auf Pierre Bourdieus Ausführungen zur männlichen Herrschaft wie folgt formulieren: Grey Gardens ist auch und vor allem ein in vielerlei Hinsicht heterodoxes Antiporträt, das gegenüber Bildwerken in Stellung gebracht wird, die der androzentrischen Doxa voll und ganz entsprechen.
Wer die sogenannte Höhenkammliteratur auf die Schlüsselwörter 'Geld' (inkl. verwandter Begriffe wie Taler, Kreuzer, Schulden, Zins, Schatz etc.) und 'Medium / Medien' abtastet, muss mit Überraschungen rechnen. [...] Eigenartig ist es, dass weder früher noch heute, also in Zeiten der Hochkonjunktur von 'Medien', die Begriffe 'Geld' und 'Medium' eng aneinander gekoppelt sind. Wendungen wie 'das Medium Geld' wird man in der deutschsprachigen Literatur der letzten Jahrhunderte nicht finden. Geld wird auch in gängigen Einführungen in Medienwissenschaft und Medientheorien nur selten ausdrücklich als Medium wahrgenommen und thematisiert - und dies, obwohl einflussreiche Theoretiker wie Georg Simmel, Marshal McLuhan und Niklas Luhmann Geld ausdrücklich und mit guten Gründen als mächtiges Medium verstanden haben. Dabei ist schon auf der phänomenologischen Ebene unverkennbar, dass Geld und Medien engstens aufeinander angewiesen sind. Geld muss medial erscheinen, um seine Geltung zu entfalten. Es funktioniert nur, wenn es beglaubigt wird, und muss sich dennoch oder deshalb systematische Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit gefallen lassen - wie andere Medien auch.
Die Bewegung aus dem Stillstand ist für die Kunst seit Sandro Botticelli (1445-1510) signifikant. Ein berühmtes Beispiel ist das Gemälde 'Nascita di Venere'/'Geburt der Venus' (1486). Aus der Haardarstellung der Venus - den Wendungen, Knoten, Flammen und Schlangen der Haare, die sich dynamisch mal in die eine, mal in die andere Richtung bewegen - spricht offensichtlich eine Animalisierung, aber auch eine Erotisierung der Haarbewegung, die zu einer Belebung des visuellen Ausdrucks führt. Aus der Polarität von Spannung und Ruhe schöpfen die Gemäldefiguren die Intensität ihrer Gebärdensprache. Auch der deutsche Kunsthistoriker Aby Warburg (1866-1929) fühlt sich in seiner Dissertation über Sandro Botticellis 'Geburt der Venus' und 'Frühling' (1893) durch das Gemälde Botticellis mehr vom Fließen und Wehen als vom Statischen und Nackten animiert und kristallisiert so die Theorie der von 'kinesis' und 'stasis' zeugenden Pathosformel heraus, wie im Folgenden erläutert wird. Einen Vorschlag dazu, wie diese Theorie auf die künstlerischen Produkte, namentlich Photographien des 20. Jahrhunderts angewandt werden kann, ist das Hauptanliegen dieses Aufsatzes.
In der ökokritischen Literatur- und Kulturwissenschaft wird zunehmend der Ruf nach einer intensiveren Methodenreflexion laut. Neben den künstlerischen und literarischen Darstellungsweisen rückt dabei in jüngster Zeit auch der Gesichtspunkt der Medialität verstärkt in den Blick. [...] In dem Maße, in dem der Modus der Darstellung bzw. das Wie der Gestaltung in der ökologischen Kulturwissenschaft gegenüber den jeweiligen politischen, naturwissenschaftlichen oder soziokulturellen Inhalten in den Vordergrund rücken, tritt auch die zentrale Bedeutung der Medien innerhalb einer komparatistischen Ökokritik deutlich zu Tage ebenso wie die Notwendigkeit der betreffenden Forschungsrichtung, die Medialität ihrer Gegenstände vermehrt zu berücksichtigen. Eine solche Medienreflexion kann auf verschiedenen Ebenen ansetzen und eröffnet ein weites Feld von lohnenden Fragerichtungen. Zu dem Spektrum einer derartigen Medienreflexion gehört unter anderem die im Folgenden näher zu diskutierende Frage, inwieweit sich im Blick auf die Mensch-Tier-Beziehung seit dem 19. Jahrhundert ein Medienwandel abzeichnet, insbesondere in Hinblick auf die wissenschaftliche Beobachtung und die Zurschaustellung von Tieren in den eigens dafür geschaffenen Kulturräumen des naturhistorischen Museums und des Zoologischen Gartens. [...] Es ist dabei wichtig, auch die Räume selbst und ihre jeweilige Architektur nicht allein als bloße Umgebungen oder Rahmungen zu betrachten, sondern als Medien sui generis zu begreifen und zu erkennen, dass sie bestimmte soziale und kommunikative Funktionen erfüllen. [...] Es wird daher unter anderem zu zeigen sein, inwiefern die naturhistorischen Museen und die Zoologischen Gärten solche räumlichen und medialen Beziehungsfelder aufweisen und inwieweit sie diese mit spezifischen symbolischen Bedeutungen überlagern.
Bilder werden zumeist begriffen als erstens zweidimensional, flächig und in der Fläche durch ihren Rahmen begrenzt, und zweitens als ruhend, unveränderlich und unbewegt. [...] Bislang kaum entfaltet dagegen ist die - weder Bergson noch Deleuze besonders interessierende - Raumqualität der Bilder. Bilder werden weithin mit Zweidimensionalität verbunden. Auch räumliche Arrangements - Gegebenheiten oder Artefakte - jedoch können unter Bergsons Bildbegriff fallen, können die Wahrnehmung oder das Wahrgenommensein, unter das sie sich stellen, herbeiführen, ausstellen und operationalisieren. Ein flagrantes Beispiel dafür ist das Diorama, in Sonderheit das in Naturkunde-Museen zu findende Habitat-Diorama. Im folgenden werde ich ein Diorama exemplarisch analysieren, und zwar in Hinsicht auf ein von Deleuze anhand des Bewegungsbildes entwickeltes (doppeltes) Kriterium, nämlich dasjenige der Leere und der Fülle. Dies wird es möglich machen, Film und Diorama zu vergleichen, Eigenschaften des Bewegungs- und des Zeitbildes in verschobener Weise auch im Diorama wiederzufinden und zugleich markante Unterschiede zu beobachten. Zudem werden auch verschiedene Typen des Dioramas in ihrem Verhältnis zueinander und in ihren Übergängen konturierbar. Dabei werden auch in Sonderheit die Phänomene der Atmosphäre, der Indexikalität und der Evidenz relevant.
Mit dem vorliegenden Eröffnungsband der Medienkomparatistik soll ein neues Forum für medienvergleichende Forschung initiiert werden. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Medien und verschiedener medialer Praktiken spielt nicht nur in der gegenwärtigen Alltagswelt eine zunehmend bedeutende Rolle. Vielmehr hat sich in den letzten Jahren, ausgehend von den literatur-, kunst-, und medienwissenschaftlichen Einzeldisziplinen ein fächerübergreifendes Diskussionsfeld herausgebildet, das sich gezielt Fragen des Medienvergleichs und der Interferenz von Medien widmet. Dieser interdisziplinäre Forschungsbereich erlebt derzeit in den Kulturwissenschaften eine erstaunliche Konjunktur. Neben der vergleichenden Methodologie als wichtige heuristische Grundlage besteht eine weitere Zielsetzung der Medienkomparatistik darin, allgemeine Kriterien zur systematischen Erfassung der einzelnen Medien zu entwickeln und ihre jeweiligen Operationsleistungen in sich wandelnden kulturellen Kontexten zu erkunden. Im Folgenden soll einleitend der Versuch unternommen werden, einige wichtige Voraussetzungen, Vorgehensweisen, Aufgaben und Besonderheiten medienkomparatistischer Ansätze zu skizzieren.
Mit dem vorliegenden Eröffnungsband der Medienkomparatistik soll ein neues Forum für medienvergleichende Forschung initiiert werden. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Medien und verschiedener medialer Praktiken spielt nicht nur in der gegenwärtigen Alltagswelt eine zunehmend bedeutende Rolle. Vielmehr hat sich in den letzten Jahren, ausgehend von den literatur-, kunst-, und medienwissenschaftlichen Einzeldisziplinen ein fächerübergreifendes Diskussionsfeld herausgebildet, das sich gezielt Fragen des Medienvergleichs und der Interferenz von Medien widmet. Dieser interdisziplinäre Forschungsbereich erlebt derzeit in den Kulturwissenschaften eine erstaunliche Konjunktur. Neben der vergleichenden Methodologie als wichtige heuristische Grundlage besteht eine weitere Zielsetzung der Medienkomparatistik darin, allgemeine Kriterien zur systematischen Erfassung der einzelnen Medien zu entwickeln und ihre jeweiligen Operationsleistungen in sich wandelnden kulturellen Kontexten zu erkunden.
Die Sowjetunion unter Stalin war ein Ort, an dem Terror und Gewalt herrschten, in der öffentlichen Propaganda aber wurde sie zeitgleich als Hort der "Brüderlichkeit" und "Völkerfreundschaft" inszeniert. Die Kulturpolitik jener Jahre zielte auf eine sowjetweite Repräsentation der nationalen Kulturen und die Etablierung einer "multinationalen" Sowjetliteratur bzw. Sowjetkultur. Ungeachtet der ideologischen Gleichschaltung war das Arsenal von Figuren des Nationalen keineswegs für alle gleich, sondern hing von den jeweiligen geschichtlichen und (religions-)kulturellen Traditionen der einzelnen Völker ab. Am Beispiel Georgiens lassen sich kulturelle Phänomene - wie etwa die Kolchis, das georgische Pantheon nationaler Heroen oder die Figur des mittelalterlichen Dichters Šota Rust'aveli - als "Figuren des Nationalen im Sowjetimperium" untersuchen. Georgien ist nicht nur deshalb ein interessantes Beispiel, weil Stalins Heimat in den offiziellen Diskursen viel Aufmerksamkeit erhielt. Die georgische Kultur - und damit gleichsam die Sowjetkultur generell - ließ sich auch durch ihre weit in die Vergangenheit zurückreichende kulturelle Tradition als eine besonders alte Kultur inszenieren.
Die vorliegende Bibliographie stützt sich auf jene Bibliographie, die Manfred von Buschs Tochter Erika Voigt von den Veröffentlichungen ihres Vaters gemacht hat; diese Bibliographie trägt das Datum 3. Februar 2009. Die Angaben sind anhand verschiedener Bibliothekskataloge sowie anhand von: Horst Tanneberger, Reinhard Hillich (Hg.): §Literatur in der SBZ/DDR, bibliographische Annalen 1945–1990", Berlin 2021, in dem auch Rezensionen o.ä. erfasst sind, abgeglichen und ergänzt worden. Der Übersetzer (und ggf. andere "Mitwirkende") ist in den Büchern fast durchweg auf der Rückseite des Titelblatts genannt; bei Nennung an anderer Stelle wird gesondert darauf hingewiesen.
Manfred von Busch, 1897–1955
(2023)
Manfred von Busch gehört zu einer Generation von Literaturübersetzern aus dem Russischen, die nicht aus primärer Neigung, sondern durch die in ihr Leben fahrende Geschichte zu diesem Metier kamen. Aus einer Familie Sankt Petersburger Deutscher stammend, strandete er nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin, wo er sich eine Existenz als Journalist aufbaute und einige wenige Übersetzungen anfertigte. Sein hauptberufliches Übersetzerdasein begann nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR.
August Brücher, 1888–1967
(2018)
August Brücher ist in den Jahren des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik als Übersetzer aus dem Französischen hervorgetreten. Da seine Texte überwiegend in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht wurden, erlangte er nicht die Bekanntheit anderer zeitgenössischer Übersetzer. Gerade diese Nebenrolle im Literaturbetrieb macht die Beschäftigung mit seinem Leben und Werk zu einer interessanten Aufgabe.
Die in der vorliegenden Bibliographie in der Rubrik "Übersetzungen in Buchform" enthaltenen Einträge beruhen auf Recherchen in Bibliothekskatalogen (in erster Linie im DNB-Katalog) und wurden durch Einsichtnahme in Originalausgaben verifiziert. Autoptisch ermittelt wurden des Weiteren alle unselbständigen Titel, insbesondere durch Recherchen in digital verfügbaren historischen Zeitungen, ergänzt durch die Einsichtnahme in Papierausgaben von Zeitungen aufgrund von Hinweisen durch die Israelische Nationalbibliothek.
Elsa Brod, 1883–1942
(2023)
Elsa Brod teilte als Ehefrau von Max Brod das Schicksal vieler literarisch tätiger Frauen ihrer Zeit. Obwohl sie eine Vielzahl von Übersetzungen aus dem Russischen und Französischen angefertigt hat, wird sie in literaturwissenschaftlichen oder literaturgeschichtlichen Werken genauso wie in der Tagespresse ihrer Zeit allenfalls am Rande, als Ehefrau des berühmten Schriftstellers, erwähnt.
Carl Brinitzer, 1907–1974
(2017)
Der aus deutsch-jüdischer Familie stammende Jurist Carl Brinitzer lebte ab 1933 im Exil, zunächst in Italien, ab 1936 in London. Dort erlernte er als Mitarbeiter der BBC u. a. das Handwerk des Übersetzens. Nach Kriegsende blieb er in England als freischaffender Journalist für deutsche Blätter, übersetzte auch mehrere Bücher, darunter zwei Biografien und vier Kriminalromane.
Bertolt Brecht, 1898–1956
(2023)
Der große Theater-Reformer des 20. Jahrhunderts Bertolt Brecht ist bekannt für seine schonungslose "Verwertung", Plünderung, kühne Umarbeitung fremder Texte. Dass er gelegentlich auch sensibel und respektvoll übersetzen konnte, ist kaum bekannt. Beispiele hierfür finden sich vor allem in seinen im Exil entstandenen Übersetzungen von Verstexten.
Die in der vorliegenden Bibliographie in der Rubrik "Übersetzungen in Buchform" enthaltenen Einträge beruhen hauptsächlich auf Recherchen in Bibliothekskatalogen (in erster Linie im DNB-Katalog), in manchen Fällen ergänzt durch Autopsie. Autoptisch ermittelt wurden des Weiteren alle unselbständigen Titel.
Clara Brauner, 1875–1940
(2019)
1875 in Minsk geboren, gehörte Clara Brauner zu den zahlreichen jüdischstämmigen Migranten, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit ihren Familien oder allein Osteuropa bzw. das Zarenreich aus wirtschaftlichen und politischen Gründen Richtung Westen verließen. Das von zu Hause "mitgenommene" Russisch war dabei Voraussetzung und Grundlage für die übersetzerischen und literaturvermittelnden Aktivitäten, die Clara Brauner, zum Teil gemeinsam mit ihrem Ehemann Alexander Brauner, um die Jahrhundertwende in Wien entfalten konnte.
Noah Borowski, 1885–1944
(2022)
Geboren im Gouvernement Grodno des Russischen Kaiserreichs war Noah Borowski seit der Gründung der KPD in der deutschen kommunistischen Bewegung aktiv. Aus Deutschland emigrierte er Ende 1931 in die Sowjetunion und zählt zu den eher seltenen Übersetzern im sowjetischen Exil, die bereits vor ihrem Weggang hauptberuflich als Übersetzer ins Deutsche tätig waren und diese Arbeit im Exil fortsetzen konnten.
Walter Boehlich, 1921–2006
(2022)
Walter Boehlich übersetzte Texte aus dem Englischen, Französischen, Spanischen, Dänischen, Schwedischen und Italienischen, die vom 17. bis zum 20. Jahrhundert verfasst wurden. Was ihn für die Geschichte des Übersetzens in der alten Bundesrepublik bedeutsam macht, sind nicht allein diese Werke, sondern die Vielzahl der Rollen, die er ausfüllte. Über die Übersetzungskritik kam er zum Übersetzen, als Mitarbeiter des Suhrkamp Verlags lektorierte er u.a. die für die "Bibliothek Suhrkamp" vorgesehenen Übersetzungen. Nach seiner politisch motivierten Kündigung setzte er sich für die Rechte von Übersetzern ein.
Mit dem Ausbruch eines Krieges in der Ostukraine hatte vor 2014 niemand gerechnet. Die rasante Geschwindigkeit, mit der die innenpolitische Krise in einer der einst stabilsten ehemaligen Sowjetrepubliken zu einem hybriden Krieg eskalierte, deutet dabei nicht nur auf rationale militär- bzw. wirtschaftsstrategische Interessen hin. Obwohl die Ukraine und Russland eine jahrhundertealte gemeinsame Geschichte und kulturelle Nähe verbindet, offenbart der Konflikt auch tiefe gegenseitige Ressentiments und geschichtspolitische Obsessionen, die bereits lange vorher in künstlerischen Werken und kulturellen Diskursen präsent waren. In der Ukraine-Krise kam es zu einer Reinszenierung kollektiver Phantasmen, historischer Helden- und Opfermythen. Paradoxerweise aber eröffneten die Gewaltbereitschaft und Kriegslust, mit der alle Parteien auf lokaler, nationaler und virtueller Ebene diese Dynamik vorantrieben, unter anderem Kulturschaffenden auch Möglichkeiten, die gefühlte Ohnmacht zu überwinden und gesellschaftlich handlungsfähig zu werden. Diese Entwicklung ist tief durch die (post-)sowjetischen Erfahrungen geprägt und zugleich eng mit globalen und medialen Veränderungen verbunden. Die Fallstudien des Bandes loten die affektiven und diskursiven Dimensionen des Konfliktes aus und leisten damit einen Beitrag zur Konzeptualisierung der postsozialistischen Gesellschaften und Kulturen im Osten Europas.