CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Am zweiten Wochenende des Oktobers 1913 versammelten sich weit über zweitausend junge Frauen und Männer auf dem Hohen Meißner in Hessen. Eingeladen zu diesem Treffen hatte eine lose Vereinigung von Jugendbünden, die den patriotischen Auswüchsen des Kaiserreichs etwas entgegensetzen wollten. Denn im gleichen Monat fanden die offiziellen Festakte zum hundertjährigen Jubiläum der sogenannten Völkerschlacht bei Leipzig statt, in der die napoleonischen Truppen ihre entscheidende Niederlage erlitten hatten. Anlässlich des Rückblicks auf dieses historische Ereignis sollte ein monumentales Denkmal eingeweiht werden. Zu den jugendlichen Gegnern der Reichspolitik gehörten Gruppierungen der Wandervögel und Lebensreformer, die sich für einen fundamentalen Wandel einsetzten. Ihr politisches Ziel war es, die Geschlossenheit einer Jugendbewegung zu demonstrieren, die nichts mehr mit den alten Feindschaften zu tun hatte. Die Alternativveranstaltung war als ein "Fest der Jugend" gedacht, das die Sehnsucht nach einem anderen Leben zum Ausdruck bringen sollte. Die Bewegung forderte unter anderem ein neues Naturverhältnis, das den Ausgangspunkt einer sozialen und ökologischen Gegenwelt zur modernen Gesellschaft mit ihren zerstörerischen Tendenzen bilden sollte. [...] Im Kontext der zweiten Umweltbewegung, die zeitgleich mit den neuen sozialen Bewegungen der Nachkriegszeit entstand, hat die Biologin Lynn Margulis in ihrem Buch "Symbiotic Planet" (1998) eine Sicht auf die Evolution entfaltet, bei der ebenfalls nicht die Konkurrenz der Lebewesen maßgeblich ist, sondern deren Verbundenheit.
Lisa Handels Beitrag geht in der Lösung des Spiels von seiner Bezogenheit auf ein Subjekt oder ein Leben, das über Bewusstsein verfügt, wohl am weitesten. Das führt Handel allerdings nicht zur mythischen oder religiösen Idee des kosmischen Spiels, sondern zu einem 'earthly play', wie sie es mit der Biologin Lynn Margulis formuliert. Im Zentrum der Evolutionstheorie von Margulis steht die These, dass komplexe Formen des Lebens aus einer Symbiose von einzelligen Lebewesen entstehen und dass dies auch die Anwesenheit von bakterieller Fremd-DNA im Cytoplasma der Zellen mit Zellkern erkläre. Ontogenese ist damit aber nicht mehr als eine Autogenese und wurzelförmige Entwicklung darstellbar, sondern als ein Werden-Mit, ein Spiel heterogener Lebewesen. In "Zoo City", einem Cyberpunk-Roman von Lauren Beukes, in dem es um die Ausbreitung prekärer symbiontischer Existenzweisen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren geht, sieht Handel eben diese Heterogenese in einem literarischen Spiel ausbuchstabiert.