CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Die starke Expansion des deutschen Buchhandels ab etwa 1820 stellte an das Übersetzungswesen neue Anforderungen: Übersetzungen fiel nun die Aufgabe zu, den Buchmarkt mit Belletristik, vor allem mit Romanen sowie Beiträgen für Taschenbücher und Zeitschriften zu versorgen. Einige wichtige Faktoren dieser Entwicklung können hier nur stichwortartig aufgezählt werden: neue Leserschichten vergrößerten das Publikum, das nun eine anonyme lesende Öffentlichkeit bildete; die evasorische und kompensatorische Funktion der Lektüre trat in zunehmendem Maße neben das ältere Lesemotiv der Bildung; die Leihbibliotheken boten sich als größtenteils billige Bezugsquelle für Romanliteratur an und erlebten in der Restauration ihre Blütezeit; der Buchhandel trug seinen Teil zu dieser Entwicklung bei, indem er - unter Ausnützung der technischen Innovationen, die es ermöglichten, in kurzer Zeit große Auflagen herzustellen - billige Romanreihen produzierte, von denen einige ausschließlich der Übersetzungsliteratur vorbehalten waren. Ein zweiter literarischer Sektor, der für starke Nachfrage nach Übersetzungen sorgte, war das Theater.
Rezension zu Francine-Dominique Liechtenhan (Hg.): L'ours et le coq. Trois siècles de relations franco-russes. Festschrift für Michel Cadot. Paris (Presses de la Sorbonne Nouvelle) 2000. 286 Seiten.
Michel Cadot ist unter anderem als Germanist bekannt geworden, wie die ihm zu Ehren verfaßte Festschrift durch eine im Anhang abgedruckte Bibliographie dokumentiert, die dem umfangreichen Oeuvre Cadots gewidmet ist. Der thematische Schwerpunkt des Bandes bilden drei Jahrhunderte französisch-russischer Beziehungen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Rezension zu Alexandre Gefen (éd.), Territoires de la non-fiction. Cartographie d'un genre émergent, Leiden/Boston, Brill/Rodopi, coll. Chiasma, 2020, 377 pages.
"Kapabel, miserabel, aimabel" : Funktionen der französischen Sprachelemente in Heinrich Heines Lyrik
(2014)
Durch das gesamte Werk Heinrich Heines ziehen sich fremdsprachige Einstreuungen, wobei diejenigen in französischer Sprache das größte Gewicht einnehmen. Nach einem Rekurs auf Heines biographische Situation und sein Verhältnis zur deutschen und französischen Sprache werden Form und Funktion der französischen Einsprengsel – vor allem Adjektive, substantivierte Verben und Interjektionen – in Heines lyrischen Texten untersucht. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt der Beitrag, dass die französischen Elemente offensichtlich bewusst eingesetzt wurden, um bestimmte semantische Strategien zu verfolgen. Dabei können vor allem sprach-spielerische und gesellschaftskritische Funktionen nachgewiesen werden.
Rezension zu Susanne Stemmler: Topografien des Blicks. Eine Phänomenologie literarischer Orientalismen des 19. Jahrhunderts in Frankreich, Bielefeld (transcript Verlag) 2004. 266 Seiten.
Die Rückwendung des Blicks vom Überwachten und seine Wirkung auf den Betrachter ist seit Homi Bhabhas Weiterführung von Edward Saids Untersuchung zum Orientalismus zu einem der wichtigsten Topoi der 'postcolonial studies' geworden. Doch erstaunlich selten sind nach wie vor Forschungen, die das auch an der visuellen Wahrnehmung untersuchen, obwohl dieser ja in fast allen Beschreibungen die Metaphern entnommen sind. Hier genau setzt Susanne Stemmlers spannende Untersuchung an. Sie zeigt in einer Neulektüre von in der Romanistik eher kanonisierten Texten des Orientalismus des 19. Jahrhunderts, wie sich das Spiel von Faszination und Abwehr, von beherrschendem Sehen und irritierendem Begehren des Blicks tatsächlich als ein Ereignis der Sichtbarkeit vollzieht.
Die von dem karibischen Schriftsteller Patrick Chamoiseau geprägte Wendung "l'actif relationnel des langues, des cultures et des hommes" bezeichnet die kreative Dynamik, die entsteht, wenn verschiedene Sprachen und Kulturen miteinander in Beziehung treten. Die folgende Studie zeigt, wie Chamoiseau in seinem literarischen und theoretischen Werk dieses 'Relationspotential' der in den französischen Antillen koexistierenden Sprachen auf mehreren Ebenen "mobilisiert". In seiner Trilogie "Une enfance créole" erfindet er eine höchst suggestive poetische Sprache, die den kolonialen Antagonismus der kreolischen und der französischen Sprache auflöst, indem er die klangliche, lexikalische und semantische Verwandtschaft beider Sprachen aktiviert. Indem er eine Gattung französischer Tradition, die Kindheitsbeschreibung ('récit d’enfance') mit einer fundamentalen kreolischen Gattungspraxis, dem 'conte créole', kombiniert, gelingt es ihm auch, das 'actif relationnel' beider Kulturen zu mobilisieren. Sein Werk begründet mit seinem 'récit d'enfance créole' eine Gattungspraxis, die beide Sprachen und Kulturen auf kreative Weise in ihrer "Diversalität" ('diversalité') vereint. Damit realisiert Chamoiseau auf künstlerischer und auf metapoetischer Ebene sein mit anderen kreolischen Schriftstellern (Glissant, Bernabé, Confiant) formuliertes Postulat, der "oft verflachenden Universalität" die "Dynamik einer Einheit im Diversen" entgegenzusetzen.
Es handelt sich beim kulturellen Transfer um ein höchst komplexes Feld von Interaktionen, die keineswegs in linear-einsinniger Weise beschreibbar sind, sondern eingebunden bleiben in gesellschaftliche Dynamiken und deshalb historisch variabel sind. Eine solche historische Variable, die Einfluss auch auf die Transferprozesse zwischen Deutschland und Frankreich nimmt, ist die zu verschiedenen historischen Zeitpunkten jeweils unterschiedliche Wahrnehmung der französischen Gegenwartsliteratur. Einige Aspekte dieser Wahrnehmung im deutschen Vormärz untersucht Bernd Kortländer im Folgenden.
Vorwort
(2008)
Die historische Übersetzungsforschung ist eine Disziplin, die sich noch ziemlich in den Anfängen befindet. Es fehlen wichtige Dinge sowohl hinsichtlich der bibliographischen Aufarbeitung (wenngleich die Bibliographie von Hans Fromm aus den 1950er Jahren hier immer noch gute Dienste leistet), besonders aber hinsichtlich der Personen der Übersetzer, über die häufig gar nichts bekannt ist. Zu vielen sehr unbedeutenden und gar nicht gelesenen Schriftstellern der Zeit liegen mehr Informationen vor als zu Übersetzern, die eine ganze Fülle von Werken vor ein deutsches Massenpublikum gebracht haben. Dabei kann man aus der Untersuchung von historischen Übersetzungen eine Menge lernen. Nicht nur, was die praktische Übersetzungsarbeit angeht, sondern vor allem in Blick auf unsere eigene Kultur- und Literaturgeschichte.
Rezension zu Elisabeth Arend, Elke Richter u. Christiane Solte-Gresser (Hg.), Mittelmeerdiskurse in Literatur und Film / La Méditerranée: représentations littéraires et cinématographiques. Frankfurt am Main (Peter Lang) 2010 (= Mittelmeer: Literaturen - Kulturen, hg. von E. Arend u. E. Richter, Bd. 2). 317 S.
This essay examines Agota Kristof's use of the French language in a French-Hungarian edition of her poetry entitled "Clous / Szögek" ("Nails"). Furthermore, the close reading of her collected poems and her autobiography "L'Analphabète" ("The Illiterate") reveals the complexity of Kristof's writing and her creative way to move between the two languages. The analysis of her syntax, her dynamic choice of verbs and the modalities of negation brings to light discursive caracteristics of the Hungarian language, her mother tongue. Lexical nuances reveal the emotional dimension concealed in Agota Kristof's texts while the phonetic dimension of her poetry creates a particular poetic voice. Consulting the archives of the writer preserved in Bern has confirmed the importance of Agota Kristof's linguistic exploration. Close reading of her texts in both languages reveals how childhood memories activate her first language and how her mother tongue helps her to remember past events.