CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Ich werde zu zeigen versuchen, dass der Begriff 'Überleben' bei Foucault zwar nicht besonders auffallend ist, aber doch immerhin in einer signifikanten Weise verwendet wird, und ich werde argumentieren, dass die von Charles Darwin populär gemachte Spencersche Wendung 'survival of the fittest', die das Leben und Überleben-Wollen im Register der Biologie und damit im kalten Licht eines genealogisch-evolutionären Denkens bezeichnet - ich werde sie kurz diskutieren -, auch Foucaults Begriffsverwendung formatierte: Als ein kleiner, ambivalenter Index am Rand seiner Texte, der zum einen auf Theorien verweist, die Foucault als "Bio-Politik" kritisierte, der zum anderen aber die "kalte" Systematik der Diskursanalyse und ihre stille Verwandtschaft mit Theorien der Lebenswissenschaften anzeigt. In jedem Fall aber bezog Foucaults Begriffsverwendung sich auf einen Denkhorizont, der von Darwins schillerndem 'catchword' eröffnet wurde.
Rezension zu Robert Matthias Erdbeer: Die Signatur des Kosmos. Epistemische Poetik und die Genealogie der Esoterischen Moderne. Berlin, New York (de Gruyter) 2010 (= Studien zur deutschen Literatur, Bd. 190). 766 S.
Friedrich Schlegels Würdigung der schriftstellerischen Leistungen Georg Forsters bietet Anlaß zur einleitenden Exposition des Themas dieser groß angelegten Studie, einer Tübinger Dissertation, die qualitativ wie quantitativ den Vergleich mit Habilitationsschriften bestens aushält: In den Blick rücken Schreibweisen, die inhaltlich zwar auf die Vermittlung von Wissen über die Welt, insbesondere über die Natur, abzielen, damit aber ästhetische Merkmale und Arrangements verbinden, die sie der literarischen Sphäre naherücken lassen.
Was ist ein Herausgeber? Wie verhalten sich Autorschaft und Herausgeberschaft zueinander? Welche Funktion hat der Herausgeber als diskursive Instanz im Rahmen und am Rahmen literarischer Texte? Diesen Fragen geht Wirths Untersuchung sowohl mit Blick auf die literaturwissenschaftlichen Ansätze zum Thema Autorschaft nach, als auch mit Blick auf die Literatur des Zeitraums 'um 1800', in dem sich der moderne Autorschafts-begriff entfaltet. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation bleibt zu klären, welche Rolle der fiktive Heraus-geber bei der Genese moderner Autorschaft spielt, ja ob der emphatische Autorbegriff der Genieästhetik womöglich nur eine spezifische Transformation der Funktion Herausgeber ist. Im systematischen ersten Teil geht es darum, die Grundzüge eines allgemein wirksamen editorialen Dispositivs herauszuarbeiten, das sich im Rahmen als Arrangement des Textes und am Rahmen als Paratext, etwa als editorialer Kommentar, manifestiert. Die exemplarischen Analysen des zweiten Teils werden als verschiedene Formen der Interferenz von Autorfunktion und Herausgeberfunktion im Kontext der poetologischen Debatten der Zeit um 1800 analysiert. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Problemen der Schrift und des Schreibens, wie sie im Rahmen der "Schreib-Szenen" und der Editions-Szenen dargestellt werden.
Es ist bekannt, daß sich der theoretische Dissens zwischen Michel Foucault und Jacques Derrida, wie er seit den sechziger Jahren, seit Foucaults Buch "Wahnsinn und Gesellschaft", in den Texten beider Autoren seinen Niederschlag gefunden hat, anhand von Fragen entzündet hat, die die Problematik der Lektüre einiger Passagen der "Meditationes de Prima Philosophia" von René Descartes betreffen. Diese durchaus von polemischer Schärfe getragene Auseinandersetzung, deren z.T. unversöhnbar scheinende Rhetorik angesichts einer strategischen Nähe, die man prima facie zwischen den theoretischen Projekten beider vermuten könnte, verwundern mag, findet ihren Ausgangspunkt in Foucaults frühem Projekt einer Rekonstruktion des für die klassische und moderne Epoche angeblich konstitutiven Ausschlusses des Wahnsinns aus der Vernunft. [...]
Im folgenden werde ich zunächst die Position Foucaults in Bezug auf den Zusammenhang des Ausschlusses der wahnsinnigen Sprache aus der Vernunft und der Entstehung einer spezifischen Literatur erläutern. Die Erläuterung der Beziehung von Wahnsinn, Sprache, Vernunft und Literatur macht es notwendig, weitere Texte Foucaults heranzuziehen, trotz eines gewissen Vorbehalts bezüglich der Zulässigkeit einer Art der Rekonstruktion der Thesen Foucaults, die über verschiedene Texte hinweg zeitlich divergierende Stadien seiner Theorie als eine einheitliche und kohärente Theorie behandelt. Der dritte Teil widmet sich einer Rekonstruktion der theoretischen Verschiebung, die Derrida an Foucaults Projekt vornimmt. Schließlich folgt im letzten Teil eine Rekonstruktion der gegenseitig erhobenen Einwände im Rahmen eines Vergleichs beider Positionen und ein Aufriß der Strategie und Methodik.
In den Jahren um 1900 explodiert in Deutschland die sprachwissenschaftliche und sprachtheoretische 'Szene'. Alles, was in den nationalphilologischen Synthesen des 19. Jahrhunderts keinen Platz finden konnte, drängt spätestens jetzt zurück in das Licht der akademischen Öffentlichkeit. Nicht oder kaum akademisierte Unterströmungen wie die Sprachpsychologie, die Schulgrammatik, die Semantik, die Semiotik machen von sich reden. Bei weitem nicht alles wirkt dann tatsächlich auf die akademische Sprachwissenschaft. Diese sprachwissenschaftliche 'Überfülle' ist erst gebändigt worden in der Rezeption des kanonischen 'Cours de linguistique générale' Saussures, die einigermaßen erfolgreich den "eigentlichen" Gegenstand der Sprachwissenschaft als 'langue', als synchronisch zu fassendes einzelsprachliches Zeichensystem, zu fixieren suchte. All das ist historiographisch gut erforscht. Su gut wie überhaupt nicht im Blick der Historiographen ist hingegen die ebenfalls um 1900 erstmals erscheinende sprachwissenschaftliche Problemlinie, die später zu einer ebenfalls wirkmächtigen soziologisch-kommunikativen Sprachauffassung hinführt. Gute und gründliche Arbeiten gibt es zwar zur Vor- und Frühgeschichte der "Pragmatik", aber kaum untersucht ist die Vorgeschichte dessen, was heute entweder politische Begriffsgeschichte, Diskursanalyse oder Politolinguistik heißt. Das hängt gewiss damit zusammen, dass in Diskursanalyse und Begriffsgeschichte keineswegs nur (noch nicht einmal hauptsächlich) sprachwissenschaftliche Traditionen zusammenlaufen, sondern eben auch soziologische, politologische, philosophische. Ein bloßer Vortrag, versteht sich, kann diese Lücke nicht füllen. Ich will gleichwohl versuchen, wenigstens einen Strang aus dem einschlägigen problemgeschichtlichen Bündel zu ziehen - und der beginnt mit Karl Otto Erdmann.
Bill Violas mediale Neubearbeitungen der Passion Christi mögen hier als ein produktiver Umweg fungieren, der die Abkehr von einer Ikonographie der Passion ermöglicht und eine neue Sicht auf die Passion als Denkstil eröffnet. Denn durch einen solchen leidenschaftlichen Denkstil, gemäß der Bedeutung von 'Passion' als intensiver Hingabe an eine Person oder ein Objekt, zeichnet sich Sigrid Weigels wissenschaftliche Praxis aus, so etwa durch die Leidenschaft für dialektische Analyseverfahren von Bild und Schrift, verstanden als kritische Praxis. Solch ein Erkenntnisinteresse versucht unermüdlich, eine Neubestimmung kritischer Wissenschaft vorzunehmen, die sich sowohl im historischen Prozess bewährt als auch in gegenwärtigen Belangen verankert bleibt. Es folgt eine kritische Lektüre von Bildern, die jeweils in dichten Beschreibungen eingeführt werden. Drei Beispiele aus der Gegenwartskunst veranschaulichen die Konstituierung von Identitäten mit Blick auf die Diskurse von Geschlecht, Rasse und sexueller Orientierung und damit die Konstruktion einer Identität im Spannungsfeld von Subjektivität und Fremdbestimmung. Die Bilder verdeutlichen dabei die resultierenden Konflikte zwischen eigenem Erleben und vorherrschenden Strukturen.
"The golden age of cultural theory is long past" - with this statement, Terry Eagleton begins his puzzling reflections on the era "After Theory" - that's the title of his book, first published in 2001. If the invasion of literary and cultural theory has come to an end, as Eagleton suggests, theory will probably become a simple object of the history of ideas. But what theoretical implications accompany the discourse of a possible and even probable end of theory? In this so-called era after theory, literary criticism quickly decided to take new steps: the Anglo-American tradition of "Cultural Studies" attempted to replace the theoretical impact of French theory with a more empirical approach to literary texts. At the same time, good old philology raised its hand to oppose the topographical turn of cultural studies as well as the deconstructive turn against all forms of presence. [...] For Foucault, philology is nothing more than a part of the historical discourse of the nineteenth century, an old-fashioned term that lacks any impact on contemporary problems. For this and other reasons, Foucault showed little interest in more recent models of philology. But maybe instead of subscribing too easily to the notion that we live in an era after theory, where problems of literary theory are replaced by concepts of discourse and culture that no longer pay any attention to literature, what is called for is an investigation of the impact of philological understanding in the humanities.
Mit dem Ausbruch eines Krieges in der Ostukraine hatte vor 2014 niemand gerechnet. Die rasante Geschwindigkeit, mit der die innenpolitische Krise in einer der einst stabilsten ehemaligen Sowjetrepubliken zu einem hybriden Krieg eskalierte, deutet dabei nicht nur auf rationale militär- bzw. wirtschaftsstrategische Interessen hin. Obwohl die Ukraine und Russland eine jahrhundertealte gemeinsame Geschichte und kulturelle Nähe verbindet, offenbart der Konflikt auch tiefe gegenseitige Ressentiments und geschichtspolitische Obsessionen, die bereits lange vorher in künstlerischen Werken und kulturellen Diskursen präsent waren. In der Ukraine-Krise kam es zu einer Reinszenierung kollektiver Phantasmen, historischer Helden- und Opfermythen. Paradoxerweise aber eröffneten die Gewaltbereitschaft und Kriegslust, mit der alle Parteien auf lokaler, nationaler und virtueller Ebene diese Dynamik vorantrieben, unter anderem Kulturschaffenden auch Möglichkeiten, die gefühlte Ohnmacht zu überwinden und gesellschaftlich handlungsfähig zu werden. Diese Entwicklung ist tief durch die (post-)sowjetischen Erfahrungen geprägt und zugleich eng mit globalen und medialen Veränderungen verbunden. Die Fallstudien des Bandes loten die affektiven und diskursiven Dimensionen des Konfliktes aus und leisten damit einen Beitrag zur Konzeptualisierung der postsozialistischen Gesellschaften und Kulturen im Osten Europas.