CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Refine
Document Type
- Article (3)
Language
- German (3)
Has Fulltext
- yes (3)
Is part of the Bibliography
- no (3)
Keywords
- Trauer <Motiv> (3) (remove)
"Andromaque", die zweite Tragödie, mit der Racine an eine Euripideische Vorlage und damit an die Tradition der griechisch-antiken Tragödie anknüpft, ist ein Drama des Leidens und Mitleidens. Der vorliegende Beitrag untersucht die Sprache und Bildlichkeit der Affekte, die Racines Tragédie im intertextuellen Rekurs auf entsprechende Passagen in Homers "Ilias", Euripides "Andromache" und Vergils "Aeneis" entwickelt. Als Schlüsselaffekt der Tragödie erweist sich die 'pitié', die im Verlauf des Dramas verschiedene Formen annimmt: mal verbindet sie sich mit erotischem Begehren (Pyrrhus), mal mit Trauer und Klage (Andromache). Dabei treten uns die Emotionen und Affekte der Figuren oft im Medium prägnanter Szenen entgegen, denen besondere Bedeutungsdichte und visuelle Ausdruckskraft eigen ist. Von diesen 'Pathosszenen' gilt vor allem der in der Figurenrede wiederholt evozierten Triade von Andromache, Astyanax und Hektor Beachtung, die als sprachlich-bildhafte Figur die dramenpoetische Affektmodellierung bestimmt.
Darstellungen von Abwesenheit : Trauerarbeit mit Vanitassymbolen bei Anna Seghers und David Bailly
(2008)
In Anna Seghers Erzählung 'Der Ausflug der toten Mädchen' (1963) wird mit den Mitteln der Phantastik eine Begegnung über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg inszeniert: Ein Schulausflug, der vor dem ersten Weltkrieg stattfand, wird in die Gegenwart der im mexikanischen Exil lebenden Erzählerin geholt. Das Besondere bei dieser Darstellung des Vergangenen ist die nachträgliche Perspektive: der Ausflug wird nicht neutral geschildert, sondern im Wissen um die Zukunft, die sich in diesem Falle als die Gewissheit über Vernichtung und Tod ausnimmt. Das Wissen der Erzählerin kontaminiert somit die Schilderung von der heiteren Versammlung der Jugendlichen, wobei bei jeder Gelegenheit die Allgegenwart des Todes hervorgehoben wird. Die Art der Darstellung gestaltet sich nach dem Prinzip 'heute Leben - morgen Tod' und lässt sich, wie ich zeigen möchte, als moderne Umsetzung des Eitelkeitstopos lesen, der auf der Spannung zwischen Anwesenheit und Abwesenheit basiert. Daher wird im Folgenden dieser Text vor dem Hintergrund der Vanitas-Tradition betrachtet und dem 'Stilleben mit Vanitassymbolen' von David Bailly aus dem 17. Jahrhundert gegenübergestellt werden. Die plastische Darstellung des Abwesenden in Verbindung mit der Thematik der Vergänglichkeit, beides Elemente, die besonders ausgeprägt in der Gattung Stillleben anzutreffen sind, stellen zentrale Merkmale sowohl des Textes von Seghers als auch des Gemäldes von Bailly dar.
"Im Land des Siegers hat man aufgebaut / Den Grabstein ihm, uns aber geht er um", so lauten die ersten beiden Verse eines Gedichts, das der Lyriker und Dramatiker Hans Schwarz 1924 unter dem Titel "Der unbekannte Soldat" veröffentlichte. Schwarz zufolge haben die Siegermächte ihre im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten anhand des - 1921 zeitgleich in London und Paris eingeweihten - Grabmals des 'Unbekannten Soldaten' demnach augenscheinlich zur Ruhe bringen können, während die toten deutschen Soldaten mangels eines vergleichbaren Symbols zu einer Art Gespenst mutieren mussten: "Und alle Nächte bricht die Wunde auf". Nimmt man Schwarz beim Wort, so ließe sich die Obsession, die der Erste Weltkrieg im gesellschaftspolitischen Diskurs der Weimarer Republik darstellte, in erster Linie darauf zurückführen, dass die gefallenen Deutschen real wie imaginär unbeerdigt geblieben waren. Die anhaltende Präsenz des Krieges wäre unter diesem Gesichtspunkt eher ein rituelles als ein im engeren Sinne politisches Problem.
In der Tat konnte sich der 'Unbekannte Soldat' in Frankreich wie in England nach anfänglich durchaus erhitzten Diskussionen bald als zentrales Monument des Totengedenkens durchsetzen, während man sich in Deutschland die 1920er und frühen 1930er Jahre hindurch sowohl über den Zuschnitt als auch über den potenziellen Standort eines vergleichbaren Grab- oder Denkmals notorisch uneinig blieb. Es waren zunächst unbestreitbar sowohl genuin föderalistische Interessenskonflikte als auch ideologische Grabenkämpfe, die der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz eines zentralen Gedenk- und Erinnerungsortes in Deutschland abträglich sein mussten, so dass man für die gesamte Zeit der Weimarer Republik von einem veritablen "Stellungskrieg der Denkmäler" sprechen kann.