CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Viktor Pelevins dekonstruktivistische Lektüre des Minotaurus-Mythos : im Labyrinth der Chat-Hölle
(2008)
Viktor Pelevin hat sich an dem Verlagsprojekt 'Die Mythen' mit seinem Text 'Der Schreckenshelm. Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus' (2005) beteiligt. Im Gegensatz zu anderen an dem internationalen Mythenprojekt mitschreibenden Autoren und Autorinnen hält sich Pelevin nicht an eine interpretierende Nacherzählung des von ihm gewählten Mythos, des mythologischen Narrativs von dem im minoischen Labyrinth eingeschlossenen Stier-Mensch-Ungeheuer und seinem Bezwinger Theseus. Der russische Autor dekonstruiert vielmehr den antiken Mythos, indem er ihm andere Diskurse aufpfropft und damit vom Ursprungstext abweichende Lesarten aufzwingt.
Gender ist rhetorisch verfaßt, und es sind die Figuren und die Tropen der Autobiographie, die diese" Verfaßtheit lesbar machen. Die Autorin analysiert die scheinbar gesicherte Differenz der Geschlechter wie auch die der Genres, indem sie die Figuren des Genres Autobiographie den Figuren, die die Illusion einer vordiskursiven Geschlechtsidentität konstruieren, gegenüberstellt und ihre Funktionsweisen korreliert. Über die Umbesetzung der traditionellen rhetorischen Terminologie wird eine Lektürepraxis erprobt, die die rhetorische Verfaßtheit der Kategorien Gender/Genre reflektiert und diese als Paradigmen subjektstabilisierender Diskursformen in Frage stellt. Ausgehend von Paul de Mans Reformulierung des klassischen Rhetorikbegriffs, Jacques Derridas Reflexionen zum Gesetz der Gattung und zum Verhältnis von Geschlecht und Sprache sowie Judith Butlers Konzeption einer performativen Geschlechtsidentität unternimmt die Autorin eine Umschrift des Gender/Genre-Begriffs, der nicht nur neue Sichtweisen auf Identitätskonstruktionen ermöglicht, sondern darüber hinaus die Grenzen des Faches Literaturwissenschaft selbst in Frage stellt und überschreitet.
Seit Jahrzehnten steht eine Gestalt an oberster Stelle des Kanons historisch bedeutsamer Figuren in der Ukraine: der Dichter und Maler Taras Ševčenko (1814−1861). Im Land besteht Einigkeit über seine identitätsstiftende Funktion für die imaginierte Gemeinschaft Ukraine. Er wird über die Regionen hinweg als verbindende Gestalt wahrgenommen - besonders in Zeiten, in denen ein mögliches "Auseinanderbrechen" des Landes intensiv diskutiert beziehungsweise befürchtet wird. Ein Grund dafür ist, dass Ševčenko für die historisch unterschiedlich geprägten Regionen einen gleichermaßen festen Bezugspunkt darstellt: Er lebte im Russischen Reich und stammte aus einem Gebiet, das heute zur Zentralukraine gehört; gleichzeitig konnte und kann man sich in der Westukraine mit der Idee von Ševčenko als einem der wichtigsten Träger ukrainischer Identität identifizieren. In Ševčenko laufen zentrale gesellschaftliche und erinnerungskulturelle Diskussionen und Projektionen über Vergangenheit, den gegenwärtigen Zustand und mögliche zukünftige Entwicklungen des Landes zusammen, und die spannungsreichen Veränderungen und erinnerungskulturellen Widersprüche in der Geschichte der Ukraine drücken sich ganz besonders in der Auseinandersetzung mit Ševčenko aus. Ševčenko ist also auch nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 der Kulturheros schlechthin. Diese Umwertung der Ševčenko-Gestalt wird heute vor allem bei renommierten Wissenschaftlern und Ševčenko-Forschern, aber auch in Reden von Politikern deutlich. Demgegenüber bestehen in der Gegenwartskultur jedoch zahlreiche andere Entwürfe, die die Gleichsetzung Ševčenkos mit der Nation in Frage stellen. Dabei führen die Um- und Neudeutungen zu einer Pluralisierung des Ševčenko-Bildes; und auch wenn Gegenentwürfe als Bedrohung empfunden werden - gerade durch sie wird Ševčenkos Bedeutung aktualisiert und seine Gestalt auch für jüngere Generationen zugänglich und interessant gemacht. Der Kulturheros Ševčenko, der in der Sowjetzeit etabliert und in Folge hoch verehrt wurde, ist weiterhin äußerst populär und ein beliebtes Objekt kultureller, wissenschaftlicher und medialer Auseinandersetzungen in der Ukraine.
„Was bedeutet es, einen Anruf zu beantworten?“ Diese, von Avital Ronell zu Beginn ihres ‚Telephone Book’ aufgeworfene Frage nach dem Telefon muß im folgenden als Frage nach dem Anrufbeantworter radikalisiert werden. Während das „Annehmen eines Anrufs“ eine Situation heraufbeschwört, „deren gestische Syntax ‚ja’ bedeutet, selbst wenn der Affirmation ein Fragezeichen folgen sollte: Ja?“ (Ronell 1989, S. 5), führt das Anschalten des Anrufbeantworters geradewegs in ein Paradox, denn der Anrufbeantworter sagt weder „Ja?“ noch „Nein!“. Das Paradox des Anrufbeantworters gründet in seiner widersprüchlichen Aufgabenstellung: Er soll einerseits der Aufrechterhaltung der Telekommunikation dienen und wird zugleich als ein „Kommunikationshemmnis“ empfunden. Deshalb kann er, so Knirsch, seine „eigentliche Funktion nicht uneingeschränkt erfüllen“ (Knirsch I998, S. 1). Doch was ist die „eigentliche Funktion“ eines Anrufbeantworters? „In dem Maße, in dem du das wurdest, was du bist“, schreibt Ronell mit Blick auf das „transzendentale Dilemma“ des Angerufenwerdens, „nämlich, zum Teil, ein automatischer Anrufbeantworter, wird es notwendig, Fragen zu stellen“. (Ronell 1989, S. 5). Fragen wir. Was bedeutet es, im metaphorischen oder gar im wörtlichen Sinn, „answering machine“ einer transzendentalen Telekommunikationsgemeinschaft zu sein, die nur auf eines zu warten scheint: den wunderbaren Moment der Verbindung?
Viel, sehr viel ist schon über die Behandlung der Geschlechterdifferenzen bei Ingeborg Bachmann gesagt und geschrieben worden. Spätestens bei der Veröffentlichung der vierbändigen Ausgabe von Christine Koschel und Inge von Weidenbaum (1978) entdeckten die InterpretInnen erstmals Bachmanns Auseinandersetzung mit der untergeordneten Stellung der Frau in der patriarchalischen Gesellschaft. Ihr Werk hat aber den feministischen Bachmann-InterpretInnen immer große Schwierigkeiten bereitet, indem es sich jeder Theorie, jeder Festlegung entzog. Man konnte ihr zum Beispiel in den siebziger, achtziger Jahren vorwerfen, hilflos leidende oder leidenschaftlich liebende Frauenfiguren dargestellt zu haben, die sich mit ihrem Opferstatus abfinden, das heißt dadurch die Geschlechterpolarität und die Rollenverteilung des 19. Jahrhunderts zu reproduzieren. Später neigte man dazu, ihr Werk theoretisch auf den französischen Poststrukturalismus undifferenziert zu beziehen. Ich möchte hier zeigen, wie sehr Bachmann immer wieder zwischen Konstruktion und Dekonstruktion der Geschlechterdifferenzen, das heißt auch zwischen einem kritischrealistischen und einem utopischen Bild der Gesellschaft und gesellschaftlichen Realität hin und her pendelt. Meines Erachtens sollte man die österreichische Schriftstellerin und ihr Werk an keiner festen, eindeutigen Stelle geisteswissenschaftlicher Entwicklung verorten, mit keiner "Schule" verbinden; vielmehr wird hier festgestellt, daß sie etliche Entwicklungen vorausgenommen, vieles antizipiert hat, ohne jemals mit einer Bewegung identifiziert werden zu können. Was natürlich nicht ausschließt, daß sie von einigen vereinnahmt werden mochte.
Gegenüber der Repräsentation von Passionen, deren Beherrschung im Körperbild, insbesondere der Physiognomie, ebenso suggeriert wie trainiert wurde, lassen sich Darstellungen zerschlagener Glasscheiben als Kristallisationen vergangener Passionen verstehen. Zerstörte Scheiben schützender Vitrinen und gerahmter Bilder konnten ein Kunstwerk kommentieren und so die offensichtlich leidenschaftliche Auseinandersetzung des Betrachters mit dem Werk vermitteln.
Im Folgenden wird es darum gehen, die - im doppelten Sinne des Wortes - kritische Position der Dekonstruktion zwischen Hermeneutik und Diskursanalyse herauszuarbeiten. Das mit den Ansprüchen strenger Wissenschaftlichkeit scheinbar schwer zu vereinbarende Paradigma der Enttäuschung, das sich aus den Schriften Jacques Derridas wie Paul de Mans ableiten läßt, dient als Leitfaden für den Nachweis des kritischen Potentials, das die Dekonstruktion als eine anti-hermeneutische Textwissenschaft bereithält, die trotz aller Widerstände auf ihrer literaturtheoretischen Eigenständigkeit beharrt.
This chapter argues against the view that Derrida's emphasis on change makes him complicit in the neoliberal requirement of flexibility that results both in precarity and in the dominance of English. To the contrary, the essay argues that Derrida's idea of 'différance' includes the view that openness both involves loss and is always partial (since incision involves excision), that the singular is precious, and that deconstruction is justice since it is alert to what is excluded even by efforts at inclusiveness. Examples of the preciousness and loss of the singular are circumcision (where incision is excision), hospitality (in which unconditional hospitality has material limitations and conditions), subjectivity (which is never based on full presence), language (which both is my own and comes from an other), and neighbourhoods (since they continue only by incorporating new people). Deconstruction, the essay concludes, need not be complicit in neoliberal dominance but, properly understood, makes us aware of the power dynamics by which the openness of plurilingualism can lead to the dominance of English.
Thomas Meinecke proklamiert seit seinem ersten Roman 'The Church of John F. Kennedy' (1996) das Bild einer nicht-essentialistischen Gesellschaft, in der Kategorien wie nationale Identität oder ethnische Homogenität aufgelöst werden.
In seinem zweiten Roman 'Tomboy' (1998) wird die Dekonstruktion von Identitäts-Postulaten auf Gender-Ebene fortgeführt. Literarisch äußert sich das in einer Dekonstruktion formaler Prinzipien des philosophischen Romans. Philosophische Fragen werden nicht wirklich diskutiert in dem Sinne, daß diskursiv verschiedene philosophische Standpunkte ausgeführt würden. Statt dessen werden Philosophie und Welt als Diskursereignisse dargestellt - was selbst wieder eine quasi-philosophische These ausmacht.
Diese wird vor allem formal umgesetzt, was Prinzipien des 'philosophischen Romans' aus dem Grenzbereich der klassischen Moderne und der historischen Avantgarde entspricht, in dem sich in der Fortführung Nietzsches das Ende des essentialistischen Philosophierens bereits niedergeschlagen hat. Zu nennen wären hier etwa die Gaunergeschichten Walter Serners aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts oder Carl Einsteins Bebuquin (1906/09), dessen Figuren "in erster Linie Repräsentanten erkenntnistheoretischer und philosophischer Positionen" sind. Auch hier werden Philosopheme nicht diskursiv erörtert, sondern performativ ausgeführt.