CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Traumdiskurse der Romantik
(2005)
Bericht zur Internationalen Tagung an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg, vom 25. bis 27. März 2004
Die Traumtheorien des romantischen Diskursfeldes um 1800 entfalteten erstmals die Vorstellung, dass der Traum selbst narrativen Techniken folgt. Die poetischen Traumerzählungen im Zeitalter der Romantik entwickelten nun neue Darstellungsverfahren, um den Traum ästhetisch abbilden zu können. Dabei wurde ein literarisches Wissen vom Menschen freigelegt, das über die Erkenntnisse der aufklärerischen Anthropologie und der Erfahrungsseelenkunde hinauswies. Das von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Symposion 'Traumdiskurse der Romantik' fand im Rahmen des von Peter-André Alt geleiteten DFG-Forschungsprojekts 'Literatur und Traum in der Kulturgeschichte Alteuropas bis zum Beginn der Moderne (1600-1820)' statt. Im Mittelpunkt der von Peter-André Alt und Christiane Leiteritz organisierten Tagung standen die Fragen nach dem Zusammenhang von Traum und Sprache, der Entdeckung des Unbewussten sowie der Beziehung zwischen Individualität und Universalität in den romantischen Traumtexten.
Jeder gesunde Mensch als ein biologischer Organismus träumt in der Nacht. Träume sind also ein unentbehrlicher Teil unseres Lebens, infolgedessen sind ihnen sehr viele Forschungen im Bereich der Psychologie und Philosophie gewidmet. Ich als Literaturwissenschaftlerin möchte in diesem Beitrag den Traum als ein Element des literarischen Werks behandeln, unter Beachtung von dessen physiologischen und psychologischen Charakteristika. Besonders ausführlich sollen die Funktionen des Traums in dem Roman "Ypsilon Minus" von Herbert W. Franke analysiert werden, da in diesem Werk ganz neue Rollen des Traums und neue Mechanismen von dessen Aufkommen zu sehen sind. In das skizzierte Forschungsfeld sind aber auch andere deutschsprachige dystopische Romane einzubeziehen, die uns für dieses Thema interessant scheinen.
Dabei meinen wir, dass der literarische Traum als ein besonderer Chronotop betrachtet werden kann. Es hat einen spezifischen Raum (Oneiroraum) und spezifische Zeit (Oneirozeit). Es ist sehr interessant, dass H. W. Franke, der kein Literaturtheoretiker ist, bei der Beschreibung des Zustandes seines Helden unbewusst diesen Begriff definiert: "Als befände er sich in einer imaginären Zeit, in einem imaginären Raum, der das Reich der Träume von der Realität trennt".
Die Darstellung des Traums in der Literatur ist eine verbreitete Erscheinung, dessen Rolle und Funktionen ändern sich indessen, und zwar je nach der schöngeistigen Richtung, historischen Epoche, herrschenden Weltanschauung und konkreten Aufgabe des Autors. Im Altertum waren Träume eine Art von Orakel und wurden als Botschaften von den Göttern wahrgenommen. Wissenschaftler, die sich mit der Forschung der Träume in der Antike befassen (z. B. T. Teperik) teilen alle Träume in drei Gruppen: Wahrsagungen, Tröstungen und Erinnerungen.
Bei der Forschung des literarischen Traums werden auch Gattungsmerkmale des Textes beachtet. Z. B. haben die Träume nach Meinung von Michail Bachtin die Bedeutungen des Wahrsagens, der Ermunterung und der Ermahnung, und zwar nur in der Literatur, die auf der Karnevalbasis beruht; er schreibt, dass "solche Träume epische und tragische Ganzheit des Menschen und seines Schicksals zerstören", und sie erfüllen auf solche Weise psychologische Funktionen.
Der Traum im 18. Jahrhundert
(2000)
Tagungsbericht zum Tenth International Congress on the Enlightenment
University College, Dublin, July 25-31, 1999
In mancherlei Hinsicht bildet das 18. Jahrhundert einen Wendepunkt in der Geschichte der Traumtheorien: Physiologen, Psychologen und Philosophen verlieren den Glauben an den übernatürlichen Traum, der seit Jahrhunderten die abendländische Auffassung des Oneirischen bestimmt hatte. Es wird nach neuen Erklärungen gesucht, man umkreist die Vorstellung des Unbewußten, vor allem bemüht man sich um eine systematische Erfassung der Träume, indem man sie in Tagebüchern, moralischen Wochenschriften und auch Gelehrtenorganen sammelt und deutet. Verglichen mit dieser sich manifestierenden Neugierde erscheinen die Literaten oft als konservativ, da sie oft auf den übernatürlich-prophetischen Charakter des Träumens zurückgreifen, oder aber die Traumform in traditionell satirischer oder parabolischer Hinsicht verwenden. Gelegentlich wird das Träumen auch zur Charakterisierung des Träumers verwendet. Auf dem - ganz souverän von Andrew Carpenter organisierten - Tenth International Congress of Enlightenment, der Ende Juli am University College in Dublin stattfand, wurden diese Themen und Thesen bei einem Roundtable diskutiert.
Rezension zu Peter-Andre Alt: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit, München (c. H. Beck) 2002. 464 Seiten.
Mit Peter-Andre Alts Monographie über die Beziehungen zwischen Literatur und Traum in der Neuzeit geht es um die Entwirrung jenes "dichten Geflecht[s] kultureller Deutungsentwürfe", welches sich gerade in der Neuzeit in dauernder Veränderung begriffen ist (9).