CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Der Beitrag liest Hebbels Judith (1840) vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse im postrevolutionären und postrestaurativen Europa, wobei das Interesse der imaginären Dimension der Politik gilt. Ausgehend von einer gespenstischen Hand im Theatertext und der jungfräulichen Titelfigur als Guillotine wiederholt das Drama die brutale Enthauptung, die Europa im ausgehenden 18. Jahrhundert erschütterte und eine kopflose Gemeinschaft hinterließ. Eine unheimliche Hand, die sich "aus der schwarzen Erde" ausstreckt, lässt den Theatertext zunächst nicht nur zwischen einer restaurativen und revolutionären Politik, sondern auch zwischen einer idealistisch-romantischen und realistischen Kunst oszillieren. Die dramatische Aufführungspraxis rechnet dabei zum einen mit der Romantik ab. Zum anderen lässt sich anhand von Modi des realistischen Darstellens auf der Theaterbühne beobachten, wie die restaurative Politik mit den Anfängen des realistischen Erzählens zusammenfällt.
Die teilweise bis in die Antike zurückreichende Pathologisierung weiblichen sexuellen Begehrens, die sich im 19. Jahrhundert zum einen in Psychiatrisierung und schließlich massenhafter Hysterektomie niederschlug, zum anderen die Entstehung der Psychoanalyse maßgeblich beeinflusste, erlangte erst durch die Medizinkasuistik der Aufklärung den Status einer naturwissenschaftlichen Tatsache. Der Nachweis und die Systematisierung der "Hysterie" als globales Krankheitsbild für vielfältige sozial irritierende Verhaltensweisen von Frauen gelang primär über die Empirie der Fallstudien akademischer Ärzte der Aufklärung, die sich mit "Mutterwuth" bzw. "furor uterinus" beschäftigten. Ihre modern gewandeten Beobachtungen und Deutungen lösten das traditionelle Traktatwissen ab und dienten seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in immer stärkerem Maße auch der Justiz als Grundlage in Zivil- wie Kriminalprozessen gegen Frauen.