CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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The essay will focus on three of the "many faces of irreversibility", sketching a history of irreversibility in 20th-century Russian thought: The abstract irreversibility of time in physics, the 'embodied' irreversibility of biological evolution and, finally, the irreversibility of cultural processes. The first part will trace the history of irreversibility in 19th-century physics and biology. The second part will discuss Vladimir Vernadsky's theory of biological time as an attempt to synthesize physical and biological irreversible processes ('neobratimye protsessy') as phenomena of asymmetry in space-time. The third part will look at the migration of scientific ideas of irreversibility into the theory of culture, i.e., Juri Lotman's semiotic theory of irreversibility as unpredictable and unrepeatable processes of culture. In this three-step sketch, the history of irreversibility will be outlined as one of spatialization (from an abstract law to the image of 'time's arrow') and of specialization (from the law of entropy to the case of the generation of meaning).
"There is grandeur in this view of life", so beginnt der letzte Satz von Charles Darwins "On the Origin of Species". In der ersten Auflage verzichtete Darwin noch auf einen Bezug zu Gott. Ab der zweiten Auflage von 1860 fügte er ihn dann allerdings doch ein. Großartig und erhaben ist die Ansicht aber doch vielleicht gerade ohne Gott. Darauf jedenfalls scheint Raoul Schrotts "Erste Erde Epos" hinauszulaufen. Es ist eine von den Naturwissenschaften beeindruckte Erzählung, die diese nicht als nüchtern und seelenlos inszeniert, sondern die Bedeutsamkeit naturwissenschaftlichen Wissens für uns feiert, indem sie neue Formen und sprachliche Bilder für dieses Wissens sucht. Das Ergebnis ist eine eigene dichterische Verzauberung der Welt durch naturwissenschaftliches Wissen und zugleich eine Verzauberung der Naturwissenschaften. "Reenchanting Science, Wiederverzauberung der Naturwissenschaft" - auf diese Formel ließe sich das Programm Schrotts bringen.
Als das kontradiktorisch Andere des Lebens wird gewöhnlich der Tod oder auch das Unbelebte gesetzt. Eine Biologiegeschichte der Vergeschlechtlichungen von Lebenskonzepten kann aber noch ein weiteres, etwas schräg zu dieser Gegensatzachse angeordnetes Konzeptpaar herausstellen: die aus sich selbst zeugende Materie, die einer nicht selbst zeugungsfähigen, zu belebenden Materie gegenübersteht. Die erstgenannte Materieart kann mit dem gewohnten Terminus 'lebend' oder 'lebendig' bezeichnet werden, aber in Bezug auf den zweiten Modus von Materie passen Begriffe wie 'tot', 'unbelebt' oder 'lebendig' nicht. Dieser zweite Zustand wird vielmehr als ein zwischen Leben und Tod vermittelnder und changierender wissenschaftlich ausgestaltet, oder genauer: als ein Zustand zwischen Handlungsfreiheit und Naturverfallenheit. Dieses Konzeptpaar - nennen wir es hilfsweise zunächst das Lebendige und seine lebensfähige Ressource - steht außerdem weniger in einem polaren als eher in einem hierarchischen Verhältnis zueinander und durchläuft, so wird in einem kurzen Abriss zu zeigen sein, eine mit dem gesellschaftlichen Geschlechterverhältnis korrespondierende Kulturgeschichte.
Der Pelz des Hermelins ist im Sommer braun und im Winter weiß. Das ist ein schönes Phänomen für sich, zumal das Weiß von einer Reinheit ist, die sich im Tierreich selten findet. Die Reinheit ihres weißen Fells wurde vielen Hermelinen zum Verhängnis: Sie endeten als Stück in einem adligen Mantel, ihr Weiß noch unterstrichen durch die schwarze Schwanzspitze, die mitverarbeitet wurde. Das reine Weiß des Winterpelzes machte das Hermelin auch zu einer brauchbaren Projektionsfläche des Volksglaubens. Als Symbol der Keuschheit und Reinheit erscheint es schon im antiken Aberglauben: Um sein Fell nicht zu beflecken, empfange das Hermelin durchs Ohr und gebäre durch den Mund - oder umgekehrt, wie der 'Physiologus' behauptete. Auch galt es als ein besonders kultiviertes Tier, weil es sich eher von einem Jäger fangen lasse, als durch den Kot zu gehen, sein reines Weiß also höher schätze als Freiheit und Leben. Sein Fellwechsel machte das Tier darüber hinaus zu einem beliebten Objekt für Zauber und Gegenzauber, Wetterorakel und Verwandlungssagen.
Rezension zu Armen Avanessian, Winfried Menninghaus u. Jan Völker (Hg.): Vita aesthetica. Szenarien ästhetischer Lebendigkeit. Zürich, Berlin (diaphanes) 2009. 256 S.
Biologie als Wissenschaft des Lebens entsteht - geschichtlich bedeutsam oder zufällig - gleichzeitig mit der philosophischen Ästhetik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Um diese wissenschaftshistorische Gleichzeitigkeit drehen sich die Konstruktionen und Interpretationen der in "vita aesthetica" versammelten interdisziplinären Beiträge aus Kunst- und Wissenschaftsgeschichte, Philosophie und Literaturwissenschaft.
Die Rede vom Parasiten mit vorrangig pejorativer Bedeutung ist semantisch relativ stabil und kann auf den botanischen Fachterminus 'Parasit' bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Allerdings muss eine vollständige Geschichte des Parasiten, die allerdings hier nicht geleistet werden kann, sondern sich auf kursorische Hinweise beschränken muss, bis in die Antike zurückgehen und ist dabei deutlich ambivalenter, als es zunächst scheint. Vor allem bleibt eine Begriffsgeschichte des 'Parasiten' unvollständig, wenn sie neben dem biologischen Konzept nicht auch die mit ihm verknüpften Diskurse reflektiert, die die Figur in andere Zusammenhänge und Bewertungskontexte stellen - vor allem die der menschlichen Gesellschaft. Der Parasit als Begriff besitzt prinzipiell unscharfe Grenzen, da der Parasit immer schon ein Agent der Zwischenräume gewesen ist.
Paul Kammerer, der 1919 sein Buch 'Das Gesetz der Serie' publizierte - das wohl ehrgeizigste und umfangreichste Buch dieser Art, das je veröffentlicht wurde - gehört in die Reihe der leidenschaftlichen Sammler von Zufällen. Und er bestätigt die schon bei Wilhelm von Scholz bemerkte Neigung, die Welt der Zufälle zur Konkurrentin der Normalität kausalen Denkens zu machen und aus dem scheinbar Zufälligen eine Welt zu konstruieren, die von der Normalerfahrung verdeckt ist - eine Welt der ungestörten Bedeutsamkeit. Die Zufälle, die der Biologe Kammerer viele Jahre hindurch in seine Merkbücher eintrug, werden schließlich durch seine Theorie verwandelt in Erscheinungen der Serialität, von Wiederholung und Periodizität, wodurch das Tor aufgestoßen werde zu einer neuen Gesetzlichkeit. Wo Kausalität war, sollte Serialität werden. Das scheint der Sinn des Buchtitels 'Das Gesetz der Serie' zu sein, das in gewisser Weise ein Gegenprogramm zu Freuds: "Wo Es war, soll Ich werden" formuliert. Denn es soll eben nicht der 'subjektive' Zufall sein, die in die kausalgesetzliche Naturordnung eingewobene Zufälligkeit. Daneben soll vielmehr eine zweite Ordnung aufscheinen, die nicht weniger regelmäßig ist. Man muss sich vor Augen halten, dass Paul Kammerer nicht eigentlich ein Buch über, sondern eines gegen den Zufall geschrieben hat, über den er nur mit Herablassung oder Verachtung spricht. Von Zufall dürfe, erklärt er, keinesfalls geredet werden: "Ganz abgesehen davon, dass die Erklärung einer Begebenheit durch 'Zufall' ein grober Missbrauch ist und in keiner wissenschaftlichen Begründung geduldet werden sollte." Der Zufall dient ihm nur dazu, das Tor zum Gebiet seiner Serialitätsforschung abzustecken, das er mit keinem geringerem wissenschaftlichen Ernst ins Auge fasst als Sigmund Freud die Träume und pathologischen Phänomene des Alltags.
Wir alle wissen ungefähr, was Epigenetik heute ist. Wir haben das Gefühl, dass wir über die gleiche Sache reden und dies auch aus ähnlichen Gründen tun. Die Frage, was epigenetische Vererbung ist, zielt also nicht so sehr darauf, was diese Klasse von Phänomenen, über die wir reden (epigenetische Vererbung, transgenerationelle epigenetische Effekte etc.) ist, sondern darauf, warum wir über sie reden. Die Antwort lautet wahrscheinlich: Weil es in den letzten zehn, zwanzig Jahren zu einem Umbruch gekommen ist, der mit Stichworten wie "New Genetics", "postgenomische Ära" usw. beschrieben wird. Irgendetwas Dramatisches ist passiert, und im Zentrum des zu beobachtenden Umbruchs steht die epigenetische Vererbung - was auch immer das eigentlich ist. Diese mehr oder weniger intuitive Antwort möchte ich infrage stellen: Gibt es überhaupt so etwas wie "epigenetische" Vererbung?
Für die stabile Weitergabe von phänotypischen Merkmalen an nachfolgende Generationen über die Keimbahn ist in der Biologie der Begriff der Vererbung reserviert. In diesem ist die Transgenerationalität immer schon mitgemeint, sie muss nicht gesondert angezeigt werden. Dies ist anders im Forschungsfeld der "Epigenetik". Hier werden seit einigen Jahren molekularbiologische Übertragungsprozesse mit dem Wort "transgenerationell" bezeichnet. Das Wort wird sowohl im Zusammenhang mit Übertragung ("transmission") als auch mit Vererbung ("inheritance") verwendet. "Transgenerational epigenetic inheritance" bezeichnet dabei die Weitergabe von epigenetischen Modifikationen von einer Organismen-Generation auf nachfolgende Generationen. Die Bezeichnung wird in Abgrenzung zur Weitergabe epigenetischer Modifikationen von einer Zelle an eine andere Zelle innerhalb somatischer Zellteilung (cell-cell inheritance) verwendet. Transgenerationelle epigenetische Vererbung meint also letztlich die über mehrere Generationen stabile Weitergabe epigenetischer Modifikationen in mehrzelligen Organismen. Dass der biologische Vererbungsbegriff im Zusammenklang mit "epigenetisch" den Zusatz "transgenerationell" benötigt, ist klärungsbedürftig. Hierin zeigt sich, so die These dieses Beitrags, dass der angenommene Übertragungsprozess instabil oder dessen Nachweis prekär ist. Im Folgenden werde ich zunächst drei historische Einschnitte skizzieren, die für diese Konnotation transgenerationeller Vererbung als "prekäre" Übertragung prägend waren: 1. die Verengung des biologischen Vererbungsbegriffs auf die Weitergabe über die Keimbahn und die Theorie der Konstanz des Keimplasmas von August Weismann; 2. die Unterscheidung zwischen Vererbung und kultureller oder psychosozialer Übertragung von Phänotypen in der frühen Entwicklungspsychologie; und 3. die familiale Übertragung psychischer Traumata von Holocaust-Überlebenden. Abschließend werde ich darstellen, wie in epigenetischer Forschung Transgenerationalität modelliert wird, und hieran die Prekarität der Übertragungsannahme diskutieren.