CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Wunsch
(2016)
Wünsche sind gedanklich-sprachliche Repräsentationen von abwesenden Dingen oder Zuständen, deren Anwesenheit für den Wünschenden erstrebenswert – 'wünschenswert, wünschbar' – ist. Dabei ergibt sich eine enge Verbindung von Wünschbarkeit und Zukünftigkeit: Es gehört zum Charakteristikum vieler Wünsche, dass in ihnen das Erwünschte als 'noch nicht' anwesend, aber als in Zukunft erreichbar vorgestellt wird. Ein solches Herbeiwünschen eines zukünftigen Zustands kann auf möglichst vollständige Befriedigung abzielen, etwa wenn das Aussprechen eines Geschenkwunsches – oder auch seine Niederschrift auf einem Wunschzettel – dafür sorgen soll, dass man später genau die gewünschte Gabe erhält. Am theoretisch namhaftesten findet sich diese Reduktion des Wünschens auf den Augenblick seiner Erfüllung in Sigmund Freuds Deutung des Traums als einer „Wunscherfüllung“, die „bequem“ und „vollkommen egoistisch“ gewährt werden könne.
Die deutschsprachige ästhetische und kulturtheoretisch-anthropologische Debatte des ausgehenden 18. Jahrhunderts thematisiert in unterschiedlichsten Kontexten immer wieder den Umgang mit Fremdheitserfahrung. Sie umfasst in diesem Zusammenhang unterschiedlichste theoretische Modelle der prekären Vermittlung zwischen gegensätzlichen Polen wie besonderer Einzelerfahrung und allgemeinem Erfahrungsganzem, zwischen Einzelphänomen und Kontext, zwischen Fragment und Totalität oder zwischen Singularität und Universalität. Entsprechende Fragestellungen rücken in der Zeit der Spätaufklärung vor allem mit Blick auf die Vermittlung (inter)kultureller Fremdheit in den Fokus des theoretischen und literarischen Interesses: Dies gilt vor allem für die Kulturpraxis inner- und außereuropäischer Reisen, die im Rahmen der zeitgenössischen 'Reisemode' zu Debatten über die Möglichkeit kosmopolitischen Weltbürgertums, über Modi interkultureller Begegnung oder die Legitimität kolonialer Expansion ebenso wie zur Entwicklung einer konkreten ethnopoetischen Reise- und Reisedarstellungspoetik Anlass gibt. Dieser philosophisch-theoretischen und literarischen Konjunktur von Reisediskursen korrespondieren gleichzeitig unterschiedliche Entwürfe einer transnationalen vergleichenden Kulturgeschichte, die immer wieder in kulturelle Hierarchisierungsmodelle münden, in denen europäischen Kulturen erwartungsgemäß eine wenn nicht qualitative oder normative, so doch immerhin strategische Überlegenheit zuerkannt wird. Hiermit verbinden sich drittens frühe Ansätze zur Theorie und Praxis 'weltliterarischer' Bildung sowie Appelle für eine grenzüberschreitende Beschäftigung mit literarischen und kulturellen Artefakten als Vorläufermodelle komparatistischer Literatur- und Kulturwissenschaft.