CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Die Biopolitik ist in den letzten Jahrzehnten zu einem grundlegenden Studienbereich für das Verständnis unserer politischen Modernität und zu einem wertvollen Instrument für die Analyse von literarischen Texten geworden. In der aktuellen Literatur zu Günter Grass' Roman "Die Blechtrommel" (1959) findet man jedoch keine ausführliche Studie, die eine biopolitische Perspektive als hermeneutische Annäherungsmethode einnimmt. Eine Analyse von "Die Blechtrommel" vor dem theoretischen Rahmen der Biopolitik ist aber für eine umfassende Lektüre des Textes notwendig, wie im Folgenden belegt wird. [...] Um sich der nationalsozialistischen Biopolitik zu widersetzen und bürgerliche Rationalitätsparadigmen zu untergraben, lässt Grass verschiedene Facetten der Populärkultur (insbesondere Volks- und Kunstmärchen), die der Nationalsozialismus entweder unterdrückte oder für seine Ideologie manipulierte, wieder aufleben. Strukturell und inhaltlich verbindet Grass' Roman die Verfolgung 'entarteter' Kunst mit der Verfolgung und Ausrottung 'entarteter' Menschen, für die der verfolgte Zwerg Oskar zur zentralen Metapher und Stimme wird. Der groteske Körper Oskars bildet in seinem Überleben und subversiven Praktiken gegen die diktatorische Autorität einen alternativen Diskurs gegen NS-Körperideale, die vor allem von Rezeptionen der klassischen Kunst beeinflusst waren. Durch eine Reihe intertextueller Bezüge zur Märchen-Tradition und seine Ästhetik des Grotesken erschafft der Roman eine irrationale Gegenkultur, die sich dem zerstörenden Rationalismus der Nazi-Biopolitik und der Kontinuität dieses Eugenik Gedankens im Nachkriegsdeutschland entgegenstellt, wobei gleichzeitig die Absurdität der Stunde Null entlarvt wird.
In der zweiten Hälfte des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten sich in ganz Europa die sogenannten Völkerschauen, in denen populäre Unterhaltungsformen, Inszenierungspraktiken und wissenschaftliche Ansätze eng ineinandergriffen. In Deutschland spielte dabei der Hamburger Tierhändler Carl Hagenbeck eine wesentliche Rolle: Als sein Tierhandel am Anfang der 1870er Jahre in Schwierigkeiten geriet, begann er, Zurschaustellungen fremder, als "exotisch" betrachteter Menschen zu veranstalten, was ihm großen Erfolg einbrachte. Wie bereits mehrfach in der Forschung hervorgehoben, gingen die so entstandenen Völkerschauen mit bestimmten Inszenierungstechniken einher: Es ging darum, das "Exotische" – das heißt hier vor allem die am Ende des 19. Jahrhunderts ein breites Publikum faszinierende körperliche Fremdheit – anschaulich zu machen und sie zugleich in vertraute Darstellungs- und Wahrnehmungskonventionen einzubetten, um den Zuschauern das Fremde zu vermitteln. Hagenbecks Schaustellungen zeichneten sich insbesondere durch ihre genau durchdachten, auf dramatischen Strukturen und auf melodramatischen Motiven beruhenden Attraktionen aus – wie Überfall und Frauenentführung –, die es ermöglichen, Verbindungslinien zwischen Völkerschauen und Theaterkunst zu ziehen. Es lässt sich zeigen, dass die Art und Weise, wie diese "exotischen" Menschen inszeniert wurden, vom wissenschaftlichen Blick der Anthropologen sowie von der Kooperation zwischen Anthropologen und Schaustellern beeinflusst wurde. Es soll gefragt werden, inwiefern Spuren der Völkerschauen im europäischen Theater der Jahrhundertwende um 1900 aufzufinden sind: Inwieweit übten anthropologisierte Inszenierungen fremder Völker einen Einfluss auf den Retheatralisierungsprozess des Theaters aus? Inwiefern entstand das moderne Theaterverständnis aus einer Anthropologisierung des Theaters?
Dietmar Dath steht als Autor deutschsprachiger Science Fiction Literatur spätestens seit der Aufnahme von Die Abschaffung der Arten auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2008 im Fokus der germanistischen Forschung. Dieser Beitrag widmet sich einer wiederkehrenden Korrelation in Daths Erzählwerk: Der zwischen einer unzuverlässigen Erzählweise und der Thematisierung von Körpern und Identitäten, die einen Transformationsprozess durchlaufen oder durchlaufen haben. In Daths Romanen schaffen diese Identitäten sowohl fiktionsintern als auch für den Rezipienten immer wieder Irritationsmomente. Das vorliegende Sonderheft versammelt eine Reihe von Überlegungen, die Unschärfe bzw. Irritation als typische Kennzeichen von Metamorphosen und Übergangsphänomenen beschreiben. Diesen Ansatz soll der Beitrag weiterverfolgen und im Zuge einer Analyse von Daths Erzählungen "Pulsarnacht" (2012) und "Feldeváye. Roman der letzten Künste" (2014) auf die aktuelle Debatte über technologische Eingriffe bzw. Manipulationen des humanen Körpers beziehen.
Rezension zu Karin Tebben (Hg.): Frauen - Körper - Kunst. Literarische Inszenierungen weiblicher Sexualität. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2000. 272 Seiten.
"Einblicke", "Frauenblicke" und "Männerblicke" sind die drei thematischen Blöcke und perspektivischen Leitlinien, denen Karin Tebben die zwölf Beiträge ihres interdisziplinären Sammelbandes zu literarischen Inszenierungen weiblicher Sexualität um 1900 zuordnet.
Trotz einer kaum noch zu überschauenden Menge ikonographischer Studien zu einzelnen Heiligen und Ansätzen zu einer medienspezifischen Anschauung wie Cynthia Hahns Analyse der illustrierten Heiligenlegenden, fehlt eine nach verschiedenen Bildträgern, ihren Orten, Funktionen und Rezipienten differenzierende Bildgeschichte des Heiligen Leibes, die nach dem Verhältnis von Repräsentationsstrategien, Präsenzinszenierungen und narrativen und argumentativen Bildstrukturen und Rahmungen zu fragen hätte. Stattdessen gerät die Frage nach der Inszenierung von Gewalt bevorzugt und verengend in den Blick. Es sind vor allem Martyrien jungfräulicher Heiliger, die 'pars pro toto' für die Alterität mittelalterlicher visueller Kulturen zu stehen scheinen, in denen die Künste auf die Allgegenwart von Gewalt, Angst, Schmerz und Tod und auf eine schaulustige Betrachtermentalität reagiert hätten, "that did not shrink from blood and gore." Doch ein solches Spiegelverhältnis zwischen tatsächlichen Gewalterfahrungen und Bildproduktionen erscheint zu einfach gedacht, denn dargestellte Gewalt ist immer konstruierte, ästhetisch vermittelte Gewalt. Während die hagiographische Forschung zu einem differenzierteren Verständnis der Ästhetik und rhetorischen Funktion von Gewaltdarstellungen in Märtyrerinnenlegenden gelangt ist, sind die diesbezüglichen Leistungen der mittelalterlichen Bildmedien in der Kunstgeschichte noch nicht in vollem Umfang gewürdigt worden. Um diese formenden und sinnstiftenden Grenzziehungen gegenüber der an sich rohen Gewalt des Martyriums geht es mir auch im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich suche sie an einer medialen Schnittstelle auf, dem Übergang eines Kopf- und Büstenreliquiars zu einer dem Körper ganz unähnlichen Sockelzone, in und an der Bilder u. a. darüber berichten können, wie die im Reliquiar geborgene Reliquie 'produziert' wurde.
Bu makalede Şebnem İşigüzel ve Elfriede Jelinek'in kitaplarından yola çıkılarak annelerin anne – kız arasındaki ilişkinin niteliklerini nasıl ve ne yönde etkiledikleri karşılaştırmalı olarak ortaya konmaya çalışılmıştır. Her iki tarafın da dişil bir kimliğe sahip olmasına rağmen, annelerin baskın otoriteleri ile bu ilişkiye şiddeti dahil etmeleri sonucu bunun kendi kızları, dolayısı ile kadın bedeni ve iç dünyası üzerindeki yansımaları ve algılanışları kitaplardan alınan alıntılarla örneklendirilmiştir. Bu örneklendirme her iki kitabın romanların ana teması, figürlerin özellikleri, belirli imgeler ile yazarın üslup özellikleri gibi başlıklar rehberliğinde gerçekleştirilmiştir.
Bruchstückhaft und enigmatisch gibt sich Kleists unermüdlich erforschtes Textstück "Über das Marionettentheater". Kleists Text ist gekennzeichnet durch wenig kohärente Passagen, durch verwirrende An- und Zusammenschlüsse, durch Risse innerhalb der Narration, durch dezentrierte, verwundete, fragmentierte, ersatzstückhafte, maschinenhafte Körper (der "Dornauszieher", die Marionetten, die Figuren aus Prothesen) oder durch Figuren, die die Grenzen des 'Menschlichen' aufbrechen, wie zum Beispiel der fechtende Bär. Die Komplexität des Textes wird unter anderem darüber beschrieben, dass er, wie z.B. William Ray herausstellt, zu viel bedeutet. Dieser Befund ergibt sich nicht zuletzt daraus. dass der Text eine große Zahl an wissenschaftlichen Feldern und Themen berührt, wie zum Beispiel "aesthetics, theology, the mechanics of marionettes, history, consciousness, affectation, the self, and the Fall". Was diese Felder dabei leitmotivisch durchzieht, ist der Bezug auf den Körper.
In works of Maghrebi authors like Tahar Ben Jelloun (Morocco), the body is the central medium that generates and constitutes the narration. The authors stand in the tradition of oral folk literature, which increasingly has been displaced by French written literature. Hence there is a tendency in postcolonial Maghrebi texts to reintegrate the performative act of narrating via the body into the literary structures of the novels. This becomes manifest in poly-phonic and poly-perspectival narrative experiments in which, with recourse to the halqa (the typical oral narrative situation), a re-territorialization (Deleuze/Guattari) of the body is performed.
In this context the body in literature plays a central role on the level of the metadiegesis: it is presented as the medium of narration. Using as an example Tahar Ben Jellouns novel L’enfant de sable (1985), the aim of this essay is to show how halqa elements and narrative influences from The Arabian Nights structure the text, which becomes a hybrid between medium and embodiment (Fischer-Lichte) by simulating eventfulness.
On the level of the diegesis, the body plays likewise a decisive role as subject of the storyline, becoming the most important medium for the expression of emotions, thoughts or attitudes. Body language is deliberately utilized by the authors to discuss ways of dealing with traditions, the negotiation of social relations and the (de-)construction of identity. Social order, power structures, hierarchies, existing values and norms are communicated and constituted via body language.