CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Neben dem hervorgehobenen Profil einer Epoche, das nicht zuletzt anhand öffentlicher Gedenkfiguren und regelmäßig gefeierter Geistesheroen entsteht, gibt es so etwas wie einen Negativabdruck: All dasjenige, was ein Zeitalter nicht bereit ist, im Gedächtnis zu behalten, was es an sich selbst vergisst. Als mir vor einiger Zeit der Begriff Krausismus begegnete, in einer Zeitschrift mit kleiner Auflage, hatte ich sofort das Gefühl, eine solche verlorene Spur berührt zu haben. Nicht nur war mir der Begriff ungeläufig, noch mehr überraschte mich meine Ignoranz, nachdem mir durch Nachforschen zunehmend klar wurde, was mir bis zu diesem Tag entgangen war. Ich fragte mich, wie das jemandem passieren konnte, der sich, neben Literatur und Medien, seit Jahrzehnten intensiv mit Philosophen und ihren verschiedenartigen Denkweisen beschäftigte? Was war Krausismus? Eine philosophische Schule wie der Hegelianismus, eine ideologische Richtung ähnlich dem Marxismus, eine politische Bewegung wie der Leninismus? Karl Christian Friedrich Krause, auf ihn ging die Bezeichnung Krausismus zurück, und offenbar war er Teil einer Nicht-Erinnerung geworden, die vermutlich nicht bloß bis zu mir reichte.
Während alle vom Klima sprechen, scheint mit dem Anbruch des Anthropozäns die Zeit der Natur passé. Doch ohne den Begriff der Natur wäre ein Großteil der modernen Philosophie nicht zu denken. Hanna Hamel vermittelt in ihrer Studie zwischen historischen Positionen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts und ökologischen Theorien der Gegenwart. Ihre Lektüre ausgewählter Texte von Kant, Herder und Goethe entwickelt Grundzüge eines historisch-theoretischen Selbstverständnisses, das über die bloße Abgrenzung von "modernen" Naturkonzepten hinausführt. In der Konfrontation mit aktuellen Reflexionen von Bruno Latour, Timothy Morton und David Lynch wird ein Anliegen erkennbar, das alle Positionen verbindet. Mit Goethe lässt es sich als Darstellung und Theoretisierung "übergänglicher" Natur bezeichnen. Die historischen Texte werden zu einer kritischen Ressource für die Gegenwart.