CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Igor' Sid analysiert aus seiner eigenen Erfahrung als Organisator und Vermittler des russisch-ukrainischen Dialogs heraus, wie die im Literaturbetrieb seit der Jahrtausendwende sich vertiefenden gegenseitigen postkolonialen und postimperialen Ressentiments zu einer Verschärfung des Konflikts beigetragen haben, skizziert aber auch mögliche Auswege aus der verfahrenen Situation.
Der Beitrag von Susi K. Frank zeigt anhand ukrainischer russischsprachiger Lyrik aus der Zeit vor und nach der 'Revolution der Würde', dass es gerade die Ideologisierung und Instrumentalisierung des Russischen im Ukraine-Konflikt ist, die Dichterinnen und Dichter wie Aleksandr Kabanov, Boris Chersonskij oder Anastasia Afanas'eva dazu nutzen, eine lyrische Reflexion über die 'postimperialen' Bedingungen ihres Schreibens zu initiieren.
Im Folgenden werde ich dem Konnex zwischen Blogging und Blogger (als Machtausübung bzw. als Machtinstanz) und den von der Staatsmacht unterstützten Narrativen und Deutungsmodellen anhand jener Weblogs nachgehen, die sich mit dem im Frühjahr 2014 begonnenen Krieg im Donbass befassen. Die Verschiebung des Fokus auf die Nachmaidan-Ukraine ist durch zwei Überlegungen bedingt. [...] Aus dem (eigentlich recht übersichtlichen) Korpus einschlägiger "creative workers' blogs" habe ich zwei Weblogs zur Analyse gewählt, die 2014 entstanden. Wie viele andere dieser Art wurden auch sie in Buchform veröffentlicht, was insofern günstig ist, als die für die Printveröffentlichung unerlässlichen Transformationen des Onlineoriginals die Einmischung des Machtdiskurses, insbesondere in Form der (Selbst-)Zensur, sichtbar machen. Konkret geht es um Olena Stepovas Weblog und Buch "Alles wird die Ukraine sein oder Die Geschichten aus der ATO-Zone" ("Vse budet Ukraina! Ili Istorii iz zony ATO", 2014) sowie um das Weblog Boris Chersonskijs und dessen Buchversion "Das offene Tagebuch" ("Otkrytyj dnevnik", 2015). [...] Durch den Vergleich dieser zwei so unterschiedlichen Blogkonvolute werde ich in zwei nachfolgenden Kapiteln die Darstellungen des Donbass bzw. der Südukraine als eines innerukrainischen 'Orients' und die damit verbundenen identifikatorischen Selbstverortungen der jeweiligen Blogger:innen vergleichend analysieren. Fokussieren werde ich mich einerseits auf die Abweichungen von den Mainstreamnarrativen, die eine mögliche subversive Dimension des Kriegsbloggings abstecken, andererseits auf die normativen Interpretationsmuster, die sich beide Blogger:innen im Zuge des Krieges zu eigen machen und die die anfängliche'Abweichung' eliminieren oder relativieren. Diese Anpassung an die vorgegebenen Deutungsmodelle werde ich dann im letzten Abschnitt als eine ambivalente Haltung untersuchen, die eine Wahrnehmung des Krieges als einer inneren Kolonisierung impliziert und diese mit Verhaltensweisen der Selbstkolonisierung zu neutralisieren versucht. Anschließend werde ich auf die innere Verbindung dieser doppelten Subalternität mit dem veränderten Status des Bloggings in der Ukraine nach 2013/14 eingehen. Es wird hierbei die These aufgestellt, dass die Selbstwahrnehmung des Landes als einer Postkolonie in der Krisensituation tendenziell eine innere Polarisierung hervorruft und dadurch die Blogger entweder zu einer defensiven oder zu einer offensiven Haltung zwingt, die jeden grundsätzlichen Dissens ausschließt.
Bevor Wolodymyr Selenskyj vor einem Jahr Präsident der Ukraine wurde, war er dies schon einmal gewesen, und zwar in seiner Rolle in der erfolgreichen Fernsehserie "Sluha narodu" ("Diener des Volkes"). Hier zeichnet sich nicht nur ein neues Verhältnis von digitaler Wirklichkeit und politischer Öffentlichkeit ab, sondern auch eine neue Form des Populismus, die nicht auf nationalistische Diskurse und reaktionäre Denkmuster baut, sondern antistaatliche und neoliberale Affekte miteinander verbindet.