CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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avldigital.de ist das digitale Fachinformationsportal des FID der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft. Das Portal wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und seit 2016 an der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main realisiert. Derzeit besteht das Fachportal aus drei zentralen Modulen: Recherchieren, Publizieren und Vernetzen, die Informationsdienstleistungen für Komparatist:innen beinhalten. Für die Weiterentwicklung des Portals wird eng mit der Fachcommunity zusammengearbeitet, um ein optimales Fachinformationsportal in Bezug auf die Bedürfnisse der Nutzenden anbieten zu können. Für die hier vorgestellte Studie wurden deshalb Nutzende mit Fachbezug eingeladen an einer leitfadengestützten Think Aloud Studie teilzunehmen. Diese soll der Evaluierung der Nutzbarkeit und Verständlichkeit der aktuellen Websitestruktur von avldigital.de dienen. In Kooperation zwischen dem Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main wurde eine gemeinsame Studie zur Evaluation des Fachinformationsportals avldigital.de durchgeführt. Für diese Untersuchung wurden folgende zwei Leitfragen betrachtet: 1. Wie wird das Fachportal avldigital.de genutzt und akzeptiert? 2. Wie werden die Nutzbarkeit und Verständlichkeit der drei zentralen Module Recherchieren, Publizieren und Vernetzen bewertet?
Warum versucht sich ein zu diesem Zeitpunkt berühmter Gelehrter wie Georg Simmel, der ja 1900 "Philosophie des Geldes" publiziert, in der Dichtung? Ganz unabhängig von seinem Scheitern in diesem Fach möchte ich im Folgenden diese Frage ausweiten und in den Kontext einer umfassenderen Beobachtung stellen. Nämlich der, dass sich im Laufe der langen Jahrhundertwende Texte herausbilden, die in ihrer Form einmalig oder zumindest besonders sind und zu denen auch viele Arbeiten von Georg Simmel gehören – nicht nur die, die er als Momentbilder publiziert. In einem ersten Schritt werde ich diese neuen Texte der langen Jahrhundertwende beschreiben, um im Anschluss Überlegungen dazu anzustellen, welche Bedingungen diese Formen begünstigt haben. Abschließend wende ich mich kurz einem Vergleich von Simmel und Benjamin zu, um auf diese Weise aufzuzeigen, dass für diese Texte die Formation mehr ist als nur Grundlage für die Vermittlung von Konzepten und selbst eine konzeptuelle Funktion übernehmen soll. Daher ist es hilfreich, die jeweils formalen Strukturen und Modi genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich werde mich Simmel also nicht aus der Perspektive der Soziologie oder Kunstphilosophie nähern, sondern aus der einer kulturwissenschaftlichen Literaturwissenschaft.
Die Tagung 'Erfüllte Körper' brachte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zahlreichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen zusammen. Sie wurde mit dem Einstiegsvortrag von Simone Sauer-Kretschmer (Komparatistik, Bochum) eröffnet, in dem diese kurz die Vielfalt an Motiven, Stoffen und Themen umriss, mit denen die Schwangerschaft – oder auch ihr Ausbleiben – in der Literatur repräsentiert ist.
Organisation: Achim Hölter (Münster), Volker Pantenburg Berlin) und Susanne Stemmler (Berlin)
Brecht-Haus, Berlin, 16. bis 18. März 2007
Nach dem 'linguistic turn' oder dem 'pictorial turn', in denen die Textualität und Bildlichkeit kultureller Artefakte ins Zentrum gerückt wurden, liegt das Augenmerk in den Literatur- und Kulturwissenschaften verstärkt auf deren Räumlichkeit: In den letzten Jahren ist demnach vermehrt vom 'spatial turn' die Rede gewesen. Der visuellen Umcodierung von Gegenwartskultur Rechnung tragend, wendeten die Beiträge der Tagung 'Metropolen im Maßstab' ihre Aufmerksamkeit auf die moderne literarische und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema (Groß-)Stadt.
Bibliotheken nach Babel
(2008)
7. Symposium des Promotionsstudiengangs Literaturwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München Kloster Seeon, 8. bis 9. Juli 2006
Nicht nur in Borges' Erzählung 'La Biblioteca de Babel' (1941) und Ecos Roman 'Il nome de la rosa' (1980) bildet die Bibliothek einen besonderen ästhetischen Reflexionsraum in der Literatur. Als Ort der Ordnung und der Unordnung, der Wahrheit und der Fiktion, des Wissens und der Inspiration wird sie in Beiträgen des Symposiums beleuchtet. Dessen Titel "Bibliotheken nach Babel" verweist sowohl auf fiktive Bibliotheken in der Nachfolge derjenigen aus der Feder von Borges als auch auf reale, die eingerichtet wurden, um Ordnung ins Chaos ungeordneten Wissens zu bringen und somit für historisch geprägte Wissensordnungen stehen.
Tagungsbericht: Internationale und interdisziplinäre Fachtagung der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien und des Lehrstuhls für Komparatistik an der Ruhr-Universität Bochum, Universität Wien, 12. bis 14. Dezember 2012
Welches literaturgeschichtliche Wissen auf welche Weise in Visualisierungen hineinkodiert ist, war die zentrale Fragestellung der internationalen und interdisziplinären Fachtagung 'Literaturgeschichte und Bildmedien', die vom 12. bis zum 14. Dezember 2012 in der Alten Kapelle auf dem Universitätscampus in Wien stattfand.
Tagungsbericht: Interdisziplinäre Tagung an der Université Paris-Sorbonne unter der Schirmherrschaft I. E. der Deutschen Botschafterin in Frankreich, Frau Dr. Susanne Wasum-Rainer, 10. bis 14. Oktober 2012
Nach einer ersten grundlagenorientierten Konferenz (Faszinosum 'Klang'. Anthropologie - Medialität - kulturelle Praxis, Wien 2010; ein entsprechender Sammelband erscheint 2013 im de Gruyter Verlag) hat die AG Klang(welten) der "Jungen Akademie" das Phänomen 'Klang' nun auf einem zweiten Symposion stärker kulturtheoretisch und sozialhistorisch fokussiert. Die Tatsache, dass Klang, Ton, Musik nicht zuletzt seit Beginn der Moderne (national)kulturell identitätsstiftend gewirkt haben (und dies in verschiedenen Kontexten bis heute tun), ist aus geistes- wie gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive wiederholt thematisiert worden. Dennoch fehlte bis dato ein systematisch orientierter Versuch interdisziplinärer Synopse, der die kritische Reflexion des in den Einzeldisziplinen Geleisteten bzw. noch zu Leistenden einschloss. Diesem Desiderat trug die Pariser Tagung durch ein fächerübergreifendes Vortragsspektrum Rechnung - mit dem Ziel, diskursive Anschlussstellen zu benennen sowohl zwischen den einzelnen Forschungsbereichen als auch zwischen Wissenschaft(stheorie) und Kunst(praxis).
Tagungsbericht: Unter dem Titel 'National - postnational - transnational? Neuere Perspektiven auf die deutschsprachige Gegenwartsliteratur aus Mittel- und Osteuropa' fand vom 10. bis 13. Mai 2012 in Ústí nad Labem eine internationale Tagung statt, die von Renata Cornejo vom Lehrstuhl für Germanistik an der dortigen Jan Evangelista Purkynĕ-Universität in Zusammenarbeit mit Sławomir Piontek von der Adam Mickiewicz-Universität in Poznań (Polen) und Sandra Vlasta von der Universität Wien (Österreich) veranstaltet wurde. In zahlreichen Vorträgen wurde das Werk von AutorInnen, die aus unterschiedlichen Gründen zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrem Leben in den deutschsprachigen Raum eingewandert sind und die Deutsch, obwohl nicht ihre Erstsprache, als ihre Literatursprache gewählt haben, untersucht. Der Schwerpunkt lag dabei auf AutorInnen aus Mittel- und Osteuropa, die zur Entwicklung der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur der letzten Jahrzehnte mit wichtigen Impulsen beigetragen haben.
Tagungsbericht: Internationale und interdisziplinäre Tagung an der Universität des Saarlandes vom 9. bis 11. Februar 2012
Wenn Komparatisten - aber auch Vertreter anderer Disziplinen - an konkreten Gegenständen arbeiten, rückt eine Diskussion über die Methoden des Vergleichs, also eine selbstkritische Reflexion des eigenen Vorgehens, allzu oft in den Hintergrund. Eine solche meta-theoretische Auseinandersetzung mit Theorien und Begriffen kultureller Beziehungen stand im Mittelpunkt einer dreitägigen Konferenz, die im Februar 2012 an der Universität des Saarlandes stattfand. Konzipiert und durchgeführt wurde das durch die VW-Stiftung finanzierte Projekt vom Frankreichzentrum der Universität unter der Federführung von Manfred Schmeling, Christiane Solte-Gresser (Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft) und Hans-Jürgen Lüsebrink (Interkulturelle Kommunikation).
Komparatistische Tagung an der Universität des Saarlandes 30.09. bis 01.10.2013.
Die narrativen Entwicklungen im seriellen Erzählen internationaler Fernsehproduktionen standen im Mittelpunkt der zweitägigen Konferenz an der Universität des Saarlandes (Campus Saarbrücken), die von Solange Landau, Jonas Nesselhauf und Markus Schleich organisiert wurde. Die 24 Vorträge ließen sich allgemein drei Fragekomplexen zuordnen: In verschiedenen Ansätzen wurde der Begriff des "Quality-TV" hinterfragt, reflektiert und neu bestimmt; daneben wurden unterschiedliche Formen der Rezeption sowie der Zuschauerbindung und -interaktion vorgestellt und analysiert. Der Schwerpunkt lag jedoch, ja bereits titelgebend, auf der 'Narration' der Fernsehserie: Sowohl im komparatistischen Vergleich verschiedener Serien, als auch anhand der Poetik einer einzelnen Produktion untersuchten die Referenten die Erscheinungsformen und die Möglichkeiten des Erzählens in Serie(n).
Tagungsbericht: Internationale Tagung, Magdeburg, 20. bis 22. Juni 2013
Dem spezifischen Verhältnis der Romantiker zu Begriffen der Arbeit und der Nicht-Arbeit in seiner historischen wie aktuellen Dimension widmete sich die DFG-geförderte Tagung "Arbeit und Müßiggang in der Romantik", die von Thorsten Unger (Magdeburg) in Kooperation mit Franz-Josef Deiters (Melbourne), Claudia Lillge (Paderborn) und Johanna-Elisabeth Palm (Fritz-Hüser-Institut Dortmund) an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg veranstaltet wurde und internationale wie interdisziplinäre BeiträgerInnen versammelte.
Am 18. und 19. September 2014 wurde zum VI. Mal die Internationale Germanistentagung an der Christlichen Universität Partium in Oradea (Rumänien) veranstaltet. Unter dem Titel "Umwandlungen und Interferenzen" lud das Forum Literatur- und Sprachwissenschaftler zu einem gemeinsamen Gedankenaustausch ein, um Meinungen und Reflexionen zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu äußern. Die Tagung wurde von der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens und von dem Zentrum für Deutschsprachig-Jüdische Kultur Mitteleuropas an der Eötvös-Lóránd-Universität Budapest unterstützt.
Das wissenschaftliche Interesse auf dem Feld der Komparatistik ist in den letzten Jahren in der Türkei – auch dank wachsender Institutionalisierung des Fachgebietes – stark gestiegen. Ein Kennzeichen dafür ist der V. Internationale Kongress der Komparatistik. So treffen sich alle zwei Jahre Literaturwissenschaftler aus der ganzen Welt auf dem Internationalen Kongress der Komparatistik in der Türkei.
Im Erhabenen befinden sich nicht die Erkenntniskräfte (also Einbildungskraft und Verstand) in einer freien Harmonie wie bei der Erfahrung des Schönen (wie immer sich eine solche freie Harmonie herstellen und bestimmen lassen kann), sondern Einbildungskraft und Vernunft befinden sich in einem Widerstreit […]. Die Vernunft fordert von der Einbildungskraft, Dinge darzustellen, die sie nicht direkt, sondern nur indirekt oder negativ darstellen kann, und zwingt die Einbildungskraft dadurch zu einer indirekten Darstellung ihrer (d.h. der Vernunft bzw. ihrer Ideen) selbst. Das Erhabene gründet in der Unmöglichkeit einer positiven Darstellung von Vernunftideen […]. Dem komplizierten Zusammen- und/ oder Wechselspiel von erhabenen Naturphänomenen, sittlichen Ideen, Vernunft und Einbildungskraft gehe ich im folgenden genauer nach. Während also der Schönheit die Funktion einer fundierenden Selbstbestätigung des Subjekts zugesprochen wird, da sich in ihr die Angemessenheit unserer Erkenntnisvermögen zur Beschaffenheit der Naturdinge ästhetisch und lustvoll zeigt, bringt das Erhabene eine Dissoziation von Subjekt und Welt und damit zunächst eine Unlust mit sich. In der Erfahrung des Erhabenen zeigt sich zunächst die Unangemessenheit jeder bestimmten Anschauung der Einbildungskraft zur Darstellung des erhabenen Gegenstands. In einem zweiten Schritt dient diese uneinholbare Unangemessenheit zur Darstellung einer Idee der Vernunft – vor allem der Idee der menschlichen Freiheit. Bloß uneigentlich erhaben ist dagegen die erhabene Natur, die entweder schlechthin groß oder aber gewaltig ist. Das Erhabene markiert den Riß zwischen dem freien menschlichen Subjekt und der kausalnotwendig verfaßten Natur, den es zugleich zu überbrücken behauptet.
Rhetorik bei Paul de Man
(2011)
Es ist unübersehbar, daß die Texte Paul de Mans in entscheidendem Maße von rhetorischer Terminologie geprägt sind. Unübersehbar ist es aber auch, daß diese Terminologie in erster Linie dem Teil der Rhetorik entstammt, der traditionell als elocutio bezeichnet worden ist: es sind die Tropen und rhetorischen Figuren, von denen aus de Man sein Verständnis der Rhetorik entwickelt. Eine solche reduzierende Rekonstruktion der Rhetorik scheint auf den ersten Blick weit von dem entfernt zu liegen, was man in seiner antiken Ausprägung traditionellerweise Rhetorik genannt hat. Die Übernahme dieser rhetorischen Termini vollzieht sich bei de Man im wesentlichen in seinen Lektüren Nietzsches, in dessen frühen Texten "Darstellung der antiken Rhetorik" (1874) und "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne" (1872) er bereits jene dekonstruktive Bewegung auszumachen vermeint, von der auch seine eigenen Schriften geprägt sind.
Schillers Schriften beziehen ihr Interesse aus ihrer historischen Entstehungszeit – der sogenannten 'Sattelzeit' –, in der sie gewissermaßen eine Scharnier-funktion innehaben zwischen der rationalistischen Aufklärung bis zu Kant und den großen idealistischen Systementwürfen Anfang des 19. Jahrhunderts. Auf den Idealismus hin verweisen bereits die beiden Tendenzen Schillers, einerseits das Kunstschöne in das Zentrum der ästhetischen Theorie zu stellen und andererseits in der ästhetischen Erfahrung des Subjekts für dieses ein auch für seine außerästhetische Gestalt konstitutives Moment auszumachen. In der und durch die ästhetische(n) Erfahrung soll sich das eine ganzheitliche Subjekt gründen, das den eigentlichen Menschen kennzeichnet. In ihm sind Geist und Sinnlichkeit gleichberechtigte Momente. Diese normativ erhobene Forderung, nach der das Subjekt nur dann ein ganzheitliches ist, wenn es Sinnlichkeit und Geist in sich aufhebt, verweist auf die bereits von Baumgarten und Kant vollzogene Kritik am Rationalismus, der das Subjekt wesentlich über seine geistigen Vermögen definierte und infolgedessen die Sinnlichkeit und den Körper als bloß verworren und undeutlich aus der philosophischen Vernunft und Wahrheit ausschloß. Gegen diese rationalistische Verkürzung des Menschen auf seine oberen Vermögen richtet sich die entstehende Ästhetik ja bekanntlich von Anfang – also von Baumgarten – an.
Es ist bekannt, daß sich der theoretische Dissens zwischen Michel Foucault und Jacques Derrida, wie er seit den sechziger Jahren, seit Foucaults Buch "Wahnsinn und Gesellschaft", in den Texten beider Autoren seinen Niederschlag gefunden hat, anhand von Fragen entzündet hat, die die Problematik der Lektüre einiger Passagen der "Meditationes de Prima Philosophia" von René Descartes betreffen. Diese durchaus von polemischer Schärfe getragene Auseinandersetzung, deren z.T. unversöhnbar scheinende Rhetorik angesichts einer strategischen Nähe, die man prima facie zwischen den theoretischen Projekten beider vermuten könnte, verwundern mag, findet ihren Ausgangspunkt in Foucaults frühem Projekt einer Rekonstruktion des für die klassische und moderne Epoche angeblich konstitutiven Ausschlusses des Wahnsinns aus der Vernunft. [...]
Im folgenden werde ich zunächst die Position Foucaults in Bezug auf den Zusammenhang des Ausschlusses der wahnsinnigen Sprache aus der Vernunft und der Entstehung einer spezifischen Literatur erläutern. Die Erläuterung der Beziehung von Wahnsinn, Sprache, Vernunft und Literatur macht es notwendig, weitere Texte Foucaults heranzuziehen, trotz eines gewissen Vorbehalts bezüglich der Zulässigkeit einer Art der Rekonstruktion der Thesen Foucaults, die über verschiedene Texte hinweg zeitlich divergierende Stadien seiner Theorie als eine einheitliche und kohärente Theorie behandelt. Der dritte Teil widmet sich einer Rekonstruktion der theoretischen Verschiebung, die Derrida an Foucaults Projekt vornimmt. Schließlich folgt im letzten Teil eine Rekonstruktion der gegenseitig erhobenen Einwände im Rahmen eines Vergleichs beider Positionen und ein Aufriß der Strategie und Methodik.
[...] Hoffmanns Roman "Die Elixiere des Teufels" [läßt sich] als gelungenes Beispiel einer 'totalen' Dissemination lesen, die keine der beteiligten Instanzen – den Autor, den oder die Erzähler, das Romanensemble, die Requisiten, den Leser – unbeschädigt läßt. Schon eine erste Lektüre des Romans weckt ein Gefühl irreduzibler Vieldeutigkeiten und Verdoppelungen, die keine nachträgliche Reduktion zu gestatten scheinen und selbst den Versuch eines bloßen Nacherzählens vor immense Probleme stellen. Die folgende Lektüre wird methodisch den Weg gehen, den Roman von seinen Rändern her lesbar werden zu lassen. Sie beschränkt sich in erster Linie auf den Schluß und den Beginn des Romans. Eine Analyse der 'eigentlichen' Erzählung wird dabei nur am Rande und sehr summarisch erfolgen, auch wenn dies die Gefahr in sich birgt, die vorgeschlagene Textbasis als zur Stützung der Argumentation nicht ausreichend erscheinen zu lassen. Die Konsistenz und die Gründe dieser auf den ersten Blick scheinbar nicht naheliegenden Lektüre werden sich hoffentlich trotzdem im Verlauf der Arbeit erweisen. Der Fokus der Analyse wird zunächst auf der Praxis des Erzählakts liegen, der den Roman konstituiert und perspektiviert. In diesem Ansatz, der der Literarizität des Romans gerecht zu werden versucht, werden sowohl die Figurationen des Doppelgängertums als auch die rahmenden Pererga als Effekte einer fundamentalen und für den Roman konstitutiven reflexiven Operation lesbar, die nicht mehr derjenigen der Romantik entspricht.
Der Aufsatz spricht sich für eine intensivere Auseinandersetzung der germanistischen Mediävistik mit den Postkolonialen Studien aus. Diese haben seit den 1970er Jahren im englischsprachigen Raum eine wirkmächtige Diskussionskultur ausgebildet, die seit der Jahrtausendwende auch auf die Mediävistik übergreift, im deutschsprachigen Raum aber bisher kaum rezipiert wird. Um zu zeigen, dass eine Postkoloniale Mediävistik möglich und sinnvoll ist, wird die Frage diskutiert, ob es einen mittelalterlichen Kolonialismus gibt und es wird erörtert, worauf sich das ›Post‹ in ›postkolonial‹ bezieht. Ein kurzer Blick auf die angloamerikanische Forschung zeigt, welche Wege bereits beschritten wurden. Schließlich werden anhand von fünf hochmittelalterlichen Texten (Gesta Francorum, Willehalm, Rolandslied, Parzival, Herzog Ernst) exemplarische postkoloniale Lektüren vorgestellt. Solche Postkolonialen Lektüren sind, so die grundlegende Annahme, keine kulturwissenschaftliche Spielerei, sondern ein Verfahren zur Auseinandersetzung mit elementaren kulturellen und narrativen Konstellationen.
Migration ist in den letzten Jahren ein aktuelles Thema der Forschung geworden, das auch von der lyrischen Gattung bzw. in Liedern behandelt wird und viele populäre Sänger auf der Welt beschäftigt. Die vorliegende Studie untersucht Lieder, die die Migration thematisieren. Migration wird hier als globales Phänomen aufgefasst. Zwar wird der Begriff oft hauptsächlich auf afrikanische Migranten bezogen, aber in der Tat betrifft die Migration viele andere Nationen: Überall auf der Welt, wo Armut oder Krieg herrscht, erlebt man dieses Phänomen. Natürlich ist es in Afrika stärker ausgeprägt: Der Traum vieler junger Afrikaner ist es, ihr Land zu verlassen, um ihre Träume in Europa oder in Amerika zu verwirklichen. Dafür sind sie bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Je strenger die Grenzen Europas bewacht werden, desto mutiger werden die „Migrationskandidaten“: Sie suchen alle Umwege, um das „Eldorado“ zu erreichen. Untersucht werden entsprechende Erfahrungen, die in zwei Liedern nacherzählt werden. Es handelt sich um die Lieder "Ouvrez les frontières" und "Un Africain à Paris" des aus der Côte d’Ivoire stammenden populären Sängers Tiken Jah Fakoli, den man als "Botschafter" der afrikanischen Jugend betrachtet. Dabei wird den Fragen der stilistischen Darstellungen und Komponenten dieser Lieder nachgegangen, wobei sowohl die Texte der Lieder als auch deren Videoclips in Betracht gezogen werden.
Die vorliegende Studie setzt sich zum Ziel, die bestehende Analogie von zwei Märchen zu untersuchen. Es handelt sich um das Märchen "Mawu et ses trois enfants" aus Togo und Grimms Märchen "Der Arme und der Reiche". Bei der Untersuchung kommt ein wichtiger Punkt zum Vorschein: Beide Male geht es um Gott, der Menschen auf eine Probe stellt. In "Mawu et ses trois enfants" zum Beispiel hat Gott drei Söhne, deren Gehorsamkeit ihm gegenüber er überprüft. In "Der Arme und der Reiche" hingegen kommt er in Gestalt eines einfachen Reisenden zu Besuch zu einem reichen Mann und dann zu einem armen. Die Weise, wie sich die Besuchten in den jeweiligen Märchen verhielten und wie sie vom Gott belohnt worden sind, wird analysiert. Interessant ist es auch bei den zwei Märchen die Tatsache, dass obwohl sie aus so weit entfernten Ländern wie Togo und Deutschland stammen, jedoch Einflüsse nachweisen, die dazu beitragen, Brücken zwischen den vielfältigen Kulturen zu bilden und somit einen Dialog zwischen den Kulturen unterstützen.
Mehrere Werke Christian Boltanskis zitieren das Arrangement der Photowand mit den Bildern von Familienangehörigen. Ein Beispiel dafür ist die Installation "Album de photos de la famille D. entre 1939 et 1964" (1971): Rund 180 Schwarzweiß-Familienaufnahmen aus dem Besitz von Boltanskis Freund Marcel Durand wurden abphotographiert, geordnet und ohne Kommentar aufgehängt. Doch wer diese Installation betrachtet, kennt – anders als die korsischen Trauernden in der Gesellschaft ihrer photographierten Ahnen-Gespenster – die dargestellten Personen nicht. Sie haben für uns keine Namen, keinen Status, keine Geschichten. Die Installation steht metaphorisch für ein beliebiges Familien-Gedächtnis, hat eben darum aber keine memoriale Kraft. In einem Selbstkommentar bekräftigt der Künstler, dass es ihm nicht darum ging, einer bestimmten Familie ein Denkmal zu errichten, die Gesichter bestimmter Personen aus der Vergangenheit in die Gegenwart ›blicken‹ zu lassen. Im Gegenteil stehe hier eine Familienphotosammlung für alle möglichen anderen, und Voraussetzung dafür sei die Unbestimmtheit der Abgebildeten: »Warum es gerade dieses Album sein musste? Durand ist ein echter Franzose, trägt den geläufigsten Namen Frankreichs und hat eine total normale Kindheit erlebt – anscheinend. Natürlich hätte ich auch mein eigenes Fotoalbum nehmen können. Aber das wäre viel zu speziell gewesen. Deshalb habe ich ein völlig austauschbares Album ausgewählt.«
Ziel der Tagung war es, umwelthistorische Perspektiven […] mit der ökokritischen Diskussion zu verbinden. Es wurde gefragt, wie der Wandel im menschlichen Verhältnis zur Natur zu unterschiedlichen Zeiten in literarischen Texten verhandelt wird und welche neuen literarischen Ausdrucksformen diese Verhandlungen womöglich provozieren. Komplementär wird gefragt, wie sich literarische und kulturelle Muster auf die Gestaltung der naturalen Umwelt auswirken können. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Etablierung des Ecocriticism als relativ jungem theoretischen Zugang zu Literatur einerseits und der Umweltgeschichte als ebenfalls junger Disziplin in der Geschichtswissenschaft andererseits konnte eine Fülle von Themen in Literatur und Geschichte ausgebreitet werden: Ausgehend von einer theoretischen Einführung in den Ecocriticism umspannten die Beiträge zeitlich 2000 Jahre von der römischen Antike über die Hausväterliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts und die Literatur des frühen 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Räumlich reichten sie von den Weiten des Alls über die alpine Maienwiese bis zur Tiefsee. Sowohl Literatur als auch bildende Kunst und Gartenkunst wurden einbezogen.
Im Internet findet sich unter dem Titel Goethe als Muslim ein Aufsatz von Schaikh 'Abdalqadir Al-Murabit, der ursprünglich 1995 in der Islamischen Zeitung erschienen ist. Der Verfasser führt dort den Nachweis, »dass sich Goethe als aufgeschlossener und toleranter Mensch - nicht ›nur‹ fair und gerecht gegenüber dem Islam verhielt, sondern vielmehr zweifellos ein Muslim war, der sich [mit] aller Offenheit und Zivilcourage zum Islam bekannte und seine Eigenschaft als Muslim nie verleugnete«. Keine Sorge, bitte: diese These ist ganz sicher stark übertrieben und wir brauchen nichts davon zu glauben. Die einschlägigen Standardwerke - allen voran Katharina Mommsens große Untersuchung Goethe und die arabische Welt von 1988 - sind sich in dieser Hinsicht völlig einig und zeichnen ein wesentlich differenzierteres Bild.
1999/2000 ist es dem Roman Les particules élémentaires gelungen, nicht nur die berufsmäßigen Literatur-Interessenten weltweit in Aufregung zu versetzen – das scheinbar so anspruchslose Buch hat überall auch unter den literarischen Laien für Furore gesorgt. - Michel Houellebecq beherrschte urplötzlich alle Feuilletons und schien sogar im Fernsehen allgegenwärtig zu sein.
Varianten oder Zeichen : zur Diskussion um die Textlichkeit der Bibel von Spinoza bis Derrida
(2007)
»Die Bibel: iss für mich’n unordentliches Buch mit 50 000 Textvarianten. Alt und buntscheckig genug, Liebeslyrik, Anekdoten [...]«. Zugegeben: Arno Schmidt, in dessen 1955 erschienener Erzählung Seelandschaft mit Pocahontas sich der dem Verfasser keineswegs unähnliche Protagonist derart spöttisch äußert, mag nicht gerade der berufenste Kommentator für die Heilige Schrift sein! Allzu oft und unmissverständlich hat dieser sogenannte ›Solipsist in der Heide‹ klar gemacht, dass er sich als Atheist verstand und auch als solcher verstanden wissen wollte. Aber trotzdem: Wer der Bibel nicht glaubt, der kann sie womöglich umso unbefangener als Text wahrnehmen, kann sich eventuell umso ernsthafter mit ihrer Sprachlichkeit auseinandersetzen und Qualitäten erkennen, die über den theologischen Wahrheitsgehalt hinausreichen und doch mit der Frage nach der Wahrhaftigkeit des Schriftsinns verbunden bleiben.
Genaueste Lektüre der Zeichen, "mit denen die Welt zu uns spricht wie ein großes Buch", und vernünftige Schlussfolgerungen daraus − das ist die Methode, mit der William von Baskerville im frühen 14. Jahrhundert arbeitet. Der Franziskanerbruder stützt sich insofern - auch bei den Todesfällen, die später im Kloster geschehen und um deren Aufklärung er sich bemüht - auf die Methode der so genannten 'Abduktion'. Dieses Verfahren ist durch den amerikanischen Wissenschaftstheoretiker Charles S. Peirce (1839-1914), auf den der Begriff 'Abduktion' zurückgeht, als Vorgang definiert worden, "in dem eine erklärende Hypothese gebildet wird". Die Besonderheit der Abduktion liegt dabei darin, dass sie das einzige Verfahren einer Schlussfolgerung darstellt, das eine tatsächliche Erweiterung des Wissens zur Folge hat - um den Preis allerdings, dass man sich auch irren kann. Alle anderen logischen Schlüsse decken demgegenüber immer nur auf, was in ihren Prämissen bereits enthalten ist.
Am Ende des in den Mitteilungen Nr. 2, Herbst 1999, enthaltenen Beitrags über die Aushebung eines Lagers verbotener Bücher bei dem Wiener Buchhändler Gerold wurde ein Polizeibericht zitiert, in dem davon die Rede ist, dass zwei Angestellte Gerolds instruiert seien, verbotene Ware aus dem Revisionsamt zu schmuggeln. Wie man sich diesen Vorgang im einzelnen vorzustellen hat, ist einem Artikel in der Österreichisch-ungarischen Buchhändler-Correspondenz Nr. 46 vom 14. November 1900, S. 618-619, mit dem Titel „Die Censur vor siebzig Jahren. Aus den Briefen Eduard Liegel’s an seinen ehemaligen Lehrherrn Josef Sigmund in Klagenfurt“ zu entnehmen. In den in diesem Artikel auszugsweise abgedruckten Briefen beschreibt Liegel, der später selbst eine Buchhandlung in Klagenfurt führte, die 1831, während eines Ausbildungsjahres in der Wiener Buchhandlung von Mösles Witwe, gemachten Erfahrungen im Umgang mit dem Revisionsamt. Für Sigmund waren diese Informationen von besonderer Bedeutung, weil Mösles Witwe seine Wiener Kommissionärin war, also eine große Zahl von für ihn bestimmten Bücherpaketen aus dem Ausland über die Wiener Buchhandlung bzw. das Wiener Revisionsamt liefen. Die für Buchhändler in den Provinzen bestimmten Bücher wurden allerdings nicht in Wien revidiert, d. h. auf verbotene oder noch zu verbietende Ware durchsucht, sondern erst in der Provinzhauptstadt. Die Bücher wurden „vom Censuramtslokale aus uneröffnet unter Beipackung der inländischen Artikel nach der Provinz spedirt.“ Dieses umständliche Verfahren ermöglichte den Zugriff der daran beteiligten Buchhandlungsangestellten.
Music
(2010)
The musical ending [of Goethe's Novelle] recalls the fascination with "music as metaphor", "the power of music", among recent and contemporary poets from Pope and Dryden and Collins to E.T.A. Hoffmann and Kleist and, of course to Goethe himself. Music saves Faust's life on Easter morning at the end of a dreadful night, and we'll encounter a similar role of music in his Trilogie der Leidenschaft which we'll read in this context.
Martin Luther : 1483-1546
(1996)
450 years ago, in the early hours of February 18, the charismatic reformer and fearless combatant who had changed the face of Europe and of Christianity died in his home town of Eisleben while on a peace mission. The feuding Counts of Mansfeldt had asked him to mediate. Accompanied by his three sons, Luther, old at 62 and ailing, made the trip in mid-winter against the advice of friends and family. His body was returned to Wittenberg and buried there on February 22. It is impossible to overestimate his impact. The common priesthood of man, "everybody his own priest", this truly revolutionary notion at the core of his teaching, was immediately recognized for its (unintended) political, democratic implications. To him, all the faithful were one community, there was no room for separate casts. His zeal as a preacher of the "true faith", and his denunciation of those who would not accept it, earned him the reputation of intolerance, even anti-Semitism. The latter would surprise him, for he considered himself a prophet, though anointed against his will, like those of the Old Testament who also admonished, cajoled and condemned the "wayward children of Israel"'
Germans against Hitler
(2010)
"The sun shines, and Hitler is master of this city. The sun shines, and dozens of my friends are in prison, possibly dead. Thousands of people like Frl. Schroeder are acclimatizing themselves, like an animal which changes its coat for the winter. After all, whatever government is in power, they are doomed to live in this town." These are among the final entries in Christopher Isherwood's Berlin Diaries. Hitler has legally assumed power and Isherwood, who "can't altogether believe that any of this has really happened," will leave the city he has come to love and return to England. The Nazi Movement that began a decade ago in seedy Bavarian beer halls has now conquered its very antithesis, Prussia. It seems unstoppable. The people, as always, will adapt or perish.
Beethoven's Ninth in Bailey Hall the other evening, April 20, ending in an instant standing ovation by a clearly enchanted audience, was an unforgettable experience. And, like all such truly extraordinary events that are marked not only by artistic merit, but draw their power from the circumstances surrounding their creation or performance, it recalled others and enhanced their significance. I was reminded of a stellar performance on Christmas Day of 1989, only weeks after the unexpected fall of the Berlin Wall on November 9, that haunting date in German history. Few people believed it would ever happen. But now, suddenly, reunification in justice and freedom, as the truncated old national anthem phrases it, was within reach.
Paul Mersmann, Europäer
(2008)
Der Surrealismus, die europäische Sprachschule der Zwischenkriegszeit, ist nicht tot. Er hat die leichtgewichtigen Werke Bretons und Aragons überlebt, das Ende der Ismen und den neuen Verismus, weil er in der Werbung und der Politik mächtige und prinzipiell unabschaffbare Verbündete besaß. Er musste sie nicht erst lang überzeugen. In ihm fanden sie willkommene Werkzeuge ihrer Überzeugungsarbeit. Der elitäre Kommunarismus, der massendemokratische Elan, der jede einzelne Handlung mit einer Zukunft verbindet, die weiß und offen in einem kochenden Weltall schwebt – Blochs Feuertopf (»Die Materie ist ein Feuertopf«) mitsamt dem rituellen Kopfschütteln, das er hervorruft, ist sein Erzeugnis. Der Surrealismus der Tat scheut die Macht, die er sucht. Er sucht nicht ihre Nähe, sondern sie selbst, er will sie, aber im Modus des Nichtbesitzens. Er will nicht als ihr Inhaber gelten, sondern als ihr Zerstäuber. Dazu bedarf es einer Gesellschaft von Gleichgesinnten, die es nicht gibt, die sich von Fall zu Fall erfinden muss, um den, der die Gunst der Stunde nützt, um sich in den Besitz des Zaubermittels zu setzen, wieder zu entzaubern und, wenn möglich, von der Bühne zu vertreiben.
Die moderne Lyrik gilt als die Erfindung eines französischen Lyrikers: Charles Baudelaire (1821–1867). Das muss ungewohnt klingen, wenn man die Geschichte der Literatur seit dem 17. Jahrhundert als eine Geschichte der Modernisierungen begreift. ›Modern‹ muss hier etwas anderes bedeuten als etwa bei Charles Perrault (1628 – 1703), der sich in der ›Querelle des Anciens et des Modernes‹, der Auseinandersetzung um den Vorrang der ›alten‹ (antiken) oder der ›neuen‹ Kultur, nachdrücklich auf die Seite der ›Modernen‹ geschlagen hatte. Die moderne Lyrik gehört in den Zusammenhang jener literarischkünstlerischen Moderne, deren Anfänge in der Literaturwissenschaft auf die Mitte des 19. Jahrhunderts datiert werden. Sie setzt die spezifische Modernität der romantischen und bürgerlich-realistischen Poesie bereits voraus und negiert sie. Damit muss sie genauer jener Krise der ›neuzeitlichen‹ Moderne zugerechnet werden, die im ›Fin de siècle‹ und schließlich in und nach dem Ersten Weltkrieg für eine Reihe extremer Umbrüche im kulturellen ›Design‹ Europas steht. Heute fällt es schwer, sich vorzustellen, dass während mehrerer Jahrzehnte Gedichte zu den erregendsten Hervorbringungen der europäischen Intellektuellenkultur zählten. Eine Frage ist, wie groß die Zahl der ›Gebildeten‹ war, die an diesem Abenteuer des Geistes Anteil nahmen, eine andere die nach der Intensität dieser Erfahrungen und ihrer Ausstrahlung in andere Bereiche.
"Kultur" ist im letzten Jahrzehnt zu einem Schlüsselbegriff humanwissenschaftlicher (und auch politischer) Debatten avanciert. Dabei läßt sich allerdings feststellen, daß die Theoriebildung oftmals einen eher diffusen Begriff von Kultur veranschlagt und daß die Kulturtheorie daher noch weit davon entfernt ist, über ein adäquates methodisches Instrumentarium zu verfügen. Es dominieren empirisch-deskriptive Theorien, die den Kulturbegriff so abstrakt-inhaltsleer fassen, daß er nur noch für die symbolischsemiotische Konstruiertheit von Lebenswelt überhaupt steht oder zuletzt semantisch mit "Zivilisation" im allgemeinen zusammenfällt. Für Zwecke konkreter Kultur- und Zivilisationskritik ist ein derart undifferenzierter Kulturbegriff nicht mehr zu gebrauchen. Ja, nicht einmal systematische Deskription leistet er noch, da schon Klassifikationsversuche von Kulturtypen unter den Verdacht politischer Unkorrektheit gestellt werden. Der Verzicht auf systematisierende Kritik erzeugt denn auch den Eindruck von Beliebigkeit, den die meisten aktuellen sogenannten kulturwissenschaftlichen Arbeiten vermitteln.
Das Strohfeuer des Kulturbetriebs anläßlich des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno ist fast schon wieder verbrannt, die Geschäfte sind gemacht. Was bleibt, ist die "Wunde Adorno", wie er einmal von der "Wunde Heine" sprach. Ein Ärgernis - das wäre sein bestes Vermächtnis. Von Heine sagte er: "Sein Name ist ein Ärgernis und nur wer dem ohne Schönfärberei sich stellt, kann hoffen, weiterzuhelfen." (Die Wunde Heine, 146)
A remarkable indictment and conviction following the sale of an ‘obscene’ comic book invites us to examine arguments brought forth to describe a specifically childlike reception of new media, as usually suggested by those who would motivate legal restrictions for such media. Trying to explain some perceived contradictions on the surface of these arguments, we discuss whether it is the failure or rather the extreme success of texts that is marked as ‘dangerous’ in such contexts.
Welche eigene Schwerkraft besitzt die Allgemeine Literaturwissenschaft oder könnte sie besitzen? Aufgrund welcher Schwerkräfte der Literatur, und in welchen Gravitationsfeldern bewegt sie sich derzeit - in welchen sie sich bisher bewegt hat, ist in dieser Reihe von Carsten Zelle, Ursula Link und Jörg Schönert ja bereits ausführlich entwickelt worden. In diesem Feld versuche ich im Folgenden, weitere Eintragungen vorzunehmen. Ich möchte dabei einen Dreischritt vorschlagen: I. Was passiert oder ist mit dem Gegenstand der AL passiert, der Literatur? II. Welche Konsequenzen hat/hatte das für ihre Methoden? III. Was wären mögliche Perspektiven?
Im folgenden werden die verschiedenen Beurteilungen des Verhältnisses Potebnja vs. russische Formalisten erörtert. Die allgemeine Einschätzung, daß es sich bei Potebnja in gewissem Sinne um einen Vorläufer der Formalisten handelt, soll dabei nicht bestritten werden. Ziel dieses Überblicks ist statt dessen, die Frage, in welchem Sinne er es denn war, einer Beantwortung näher zu bringen.
Die Fragestellung gehört ins Gebiet der literarischen Imagologie, die sich mit der Entstehung von Fremdbildern (Hetero-Images) und von Selbstbildern (Auto-Images) beschäftigt. Fremdbilder und Selbstbilder bedingen oft einander. Was für die Bilder ganzer Nationen und Völker gilt, das besitzt auch seine Geltung für das Bild einzelner, in besonderem Maße öffentlichkeitsrelevanter Personen. Dem Selbstbild (Autoimage) steht das Außenimage (Heteroimage) gegenüber; die Diskrepanz zwischen beiden kann zu unterschiedlichen Konsequenzen führen. Die Verbindung von Rezeptionsforschung und Imagologie kann Ergebnisse über Entstehung, Konstituierung und Entwicklung von Selbstinszenierungs-Strategien erbringen, die über bisher angestellte Untersuchungen hinausgehen. Dabei gehören Fragen nach dem Selbstverständnis des Dichters und nach der Übereinstimmung zwischen Selbstbild und Erscheinungsbild ebenso dazu, wie Fragen nach der Historizität dieser imagotypen Strukturen. Im Laufe der Jahrhunderte wechseln die Medien, in denen sich die Dichter und Schriftsteller einer speziellen oder allgemeinen Öffentlichkeit präsentieren. Im Hinblick auf die Intentionen lassen sich direkte und indirekte Zeugnisse unterscheiden. Direkte wären etwa Dokumente der Schrift (Briefe, Gesprächsaufzeichnungen à la Johann Peter Eckermann oder Carl Friedrich Wilhelm Behl, Interviews in Zeitschriften und Zeitungen, Statements, Vorreden, Essays und Aufsätze, Reden und Vorträge), des Bildes (Gemälde, Skizzen, Zeichnungen, Fotografien), des Tons (Tondokumente, Rundfunk-Interviews, Schallplatten, Kassetten, Compactdisks) und der Life-Show (Dichterlesungen, Interviews im Fernsehen, Preisverleihungen usw.); indirekte Zeugnisse wären etwa lancierte Rezensionen sowie lancierte Berichte, weil sie nur bedingt die Sicht des Schreibers bzw. Interviewers festhalten. Ich will, bevor ich zur Konkretion und zum Vorführen historischer Beispiele komme, ein paar Worte zu den Funktionen dichterischer Selbstinszenierung sagen.