CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Netz / Netzwerk / Vernetzung
(2019)
Netz, Netzwerk und Vernetzung sind zu Schlüsselbegriffen für die Wissensorganisation der Gegenwart geworden. Wir begegnen uns im Netz, sind vom Netz gefangen, abhängig, begeistert und vor allem mit und durch Netzwerke verbunden; wir flirten, streiten, kaufen dort. Unsere Kühlschränke befinden sich in regem Austausch mit unseren Autos, Nachttischlampen, Kaffeemaschinen sowie den Firmen und Regierungen, die sich für diese Datenflut begeistern können. Dass wir vernetzt sind, würde gemeinhin niemand mehr bestreiten. Doch der Hang zur Vernetzung geht über den Cyberspace hinaus. Denn nebenbei betreiben wir fleißig Networking, halten Ausschau nach wertvollen Kontakten, begreifen das Netzwerk als effiziente wie raumrelativierende Kooperationsform und kartographieren komplexe Abläufe mithilfe feingliedriger Netzwerkmodelle. Dieser Umstand hat in den letzten Jahren viele geisteswissenschaftliche Arbeiten zur Reflexion angestoßen. Peter Fritz geht im Folgenden hauptsächlich auf zwei neuere Studien (Alexander Friedrich: Metaphorologie der Vernetzung. Zur Theorie kultureller Leitmetaphern, Paderborn 2015; Sebastian Gießmann: Die Verbundenheit der Dinge. Eine Kulturgeschichte der Netze und Netzwerke, Berlin 2016) ein, die die Dominanz von Netzen und Netzwerken in der Gegenwart als Ausgangsbeobachtung wählen, aber unterschiedlich mit dieser Gegenwartsdiagnose umgehen.
Die stetig wachsende Menge an digital verfügbarem, zeitgenössischem wie historischem Textmaterial bietet für die begriffsgeschichtliche Forschung Chancen und Herausforderungen: Während die fortschreitende Digitalisierung die Verfügbarkeit erforschbaren Materials deutlich erhöht, resultiert aus der verbesserten Auffindbarkeit potentieller Quellen eine schwindende Übersicht dessen, was für begriffsgeschichtliche Studien überhaupt in Betracht zu ziehen ist. Am Beispiel der Begriffe Netz, Netzwerk und Vernetzung erproben wir quantitative, semi-automatische Ansätze für eine digitale Begriffsgeschichte. Dafür identifizieren wir zunächst die Beschränkungen des Tools Google Ngrams, das weder für die Analyse von Wortbedeutungen noch für die Bestimmung der Kontexte von Wortverwendungen geeignet ist. Demgegenüber erörtern wir die Vorzüge einer hier erstmals im Kontext begriffsgeschichtlicher Forschung vorgestellten Methode der vorwissensfreien Bedeutungsinduktion, die semantische Aspekte gesuchter Begriffsworte automatisch ermittelt, deren typische und untypische Verwendungskontexte aggregiert, Wortfelder kartiert und durch einen geeigneten Index die Möglichkeit bietet, Belegstellen zu betrachten sowie die Veränderung von Wortbedeutungen im Laufe eines gegebenen Zeitraums zu analysieren. Mittels dieser interaktiven, semi-automatischen Methode lässt sich für den deutschen Sprachraum nachweisen, dass sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein Problemdiskurs über Netzwerke entwickelt, mit dem sich ein Wandel der Semantik des Begriffswortes erklären lässt. Mit dem vorgestellten Verfahren lässt sich auch die Bedeutung komplexer metaphorischer Prozesse für den zu erklärenden Begriffswandel erschließen.