CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Was soll es bedeuten, dass etwas geschichtlich ist und nicht nur vergangen? Diese nur scheinbar harmlose Frage führt in ein Labyrinth verschiedener Antworten. Hier tut sich eine oft behauptete und ebenso oft bestrittene Beziehung von Geschichtlichkeit und Unsterblichkeit als Leitlinie auf. Im 18. und 19. Jahrhundert entsteht auf eher zufällige Weise eine Ideenkonstellation, in der die Unsterblichkeit der menschlichen Gattung und der einzelnen menschlichen Seele gegeneinander ausgespielt, kombiniert oder auch gemeinsam abgewiesen werden. Erschließbar durch Lektüren geschichtsphilosophischer Beiträge von Leibniz, Nietzsche, Benjamin und anderen, scheint sich für das 20. Jahrhundert zunächst abzuzeichnen, dass die Verschränkung von (Un-)Sterblichkeitsbehauptungen verschwunden ist. Doch tatsächlich hat sie sich vor allem verwandelt und verlagert. Insbesondere zeigt sich im modernen Verständnis von Normen als in die Unsterblichkeit überführten Werten ein unterschwelliger Fortbestand der älteren Konstellation. Die Studie erarbeitet eine neuartige Konzeption von Historizität, Historisierung und deren Zusammenhängen in kulturellen Erscheinungen wie der Totenfürsorge, des Humanitarismus und der Lebensrettung. Damit lassen sich zeitgenössische Welt- und Krisendeutungen bis hin zu derjenigen des Anthropozäns neu erklären.
Throughout the years of Belarusian independence, remnants from the Soviet Union have permeated the everyday lives of its citizens as well as the country's colloquial and political rhetoric, often thoroughly detached from their original cultural contexts, discourses, and imaginaries. But what can we learn from watching Soviet movies today? The movies in question bear complex meaning pertaining to different Soviet eras and transition periods. Through an informed viewing, we not only perceive the official agenda - be it political, ideological, or cultural - but also traces of social and political tensions, metaphors, and "clues" on historical reality. Historicizing these movies and understanding their initial cultural and social context as part of a sociocultural analysis of film allows to uncover implicit, often unintentional meanings inherent to this cinematic heritage. My analysis here will focus on the social drama "The Woman" ("Женщина"), a late masterpiece of Soviet avant-garde cinema directed by Yefim Dzigan and Boris Shreyber. Artistically and stylistically, this widely forgotten silent movie provides one of the most vivid and interesting pre-War filmic representations of collectivization and village life on Belarusian territory. Produced by Belgoskino, the first Belarusian state-run film studio, and released throughout the Soviet Union in the summer of 1932 through an all-Union distribution, "The Woman" portrays the difficulties of establishing life on a collective farm.
Das 1814 bei der Wiener Polizeihofstelle eingereichte "lokale Lustspiel" Modeschwindel verdient Interesse sicherlich nicht wegen seiner Ästhetik oder Dramaturgie - man hat es mit einem reichlich lang, geradezu geschwätzig geratenen Verwechslungsstück mit allerlei verwandtschaftlichem und amourösem Verwirrspiel und doppeltem Heiratsschluss zu tun. Und auch die Komik ist mehr als ausgedünnt: So enthält das Stück weder eine Lustige Person noch deren mehrere, und die situationskomischen Szenen beschränken sich auf jene wenigen, in denen sich der Filou und Theaterdichter Seicht verstecken muss. Die Komik ist vielmehr auf die männlichen und weiblichen Parvenüs abgestellt, die mittels satirischer Verzerrung der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Interesse verdient es freilich wegen zweier Besonderheiten: der ausufernden Streichungen durch den Zensor sowie der detailfreudigen Inszenierung von Lebensstilen bzw. Habitusformen im Wien des beginnenden 19. Jahrhunderts. Ins satirische Visier geraten nämlich die Moden und Marotten von Parvenüs, die ihren sozialen Aufstieg betrügerischen Finanzspekulationen verdanken; von ihren ebenso raffgierigen wie niederträchtigen Ehegattinnen, die das erborgte oder erschlichene Geld mit vollen Händen ausgeben und sich damit auch noch einen Galan halten; von ehrgeizzerfressenen Kleinbürgern und Handwerkern, die ihren Söhnen Ehren und Titel erkaufen wollen. Das Stück bietet nichts weniger als ein Bild historischer Soziologie. Es sind nicht nur Zerrbilder allgemeinmenschlicher Torheiten oder deren Personifikationen, welche die Schärfe der satirischen Klinge zu spüren bekommen, sondern ansatzweise psychologisch und soziologisch konturierte Repräsentanten ihres Geschlechts, ihres Alters, vor allem jedoch ihres Standes und ihres Berufs. Gemessen an den Schemata der alten Typenkomödie bietet Modeschwindel eine Satire, die die Figuren ständisch-sozial verortet und derart die Geschichte motiviert.
Das 1814 bei der Wiener Polizeihofstelle eingereichte "lokale Lustspiel" Modeschwindel verdient Interesse sicherlich nicht wegen seiner Ästhetik oder Dramaturgie - man hat es mit einem reichlich lang, geradezu geschwätzig geratenen Verwechslungsstück mit allerlei verwandtschaftlichem und amourösem Verwirrspiel und doppeltem Heiratsschluss zu tun. Und auch die Komik ist mehr als ausgedünnt: So enthält das Stück weder eine Lustige Person noch deren mehrere, und die situationskomischen Szenen beschränken sich auf jene wenigen, in denen sich der Filou und Theaterdichter Seicht verstecken muss. Die Komik ist vielmehr auf die männlichen und weiblichen Parvenüs abgestellt, die mittels satirischer Verzerrung der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Interesse verdient es freilich wegen zweier Besonderheiten: der ausufernden Streichungen durch den Zensor sowie der detailfreudigen Inszenierung von Lebensstilen bzw. Habitusformen im Wien des beginnenden 19. Jahrhunderts. Ins satirische Visier geraten nämlich die Moden und Marotten von Parvenüs, die ihren sozialen Aufstieg betrügerischen Finanzspekulationen verdanken; von ihren ebenso raffgierigen wie niederträchtigen Ehegattinnen, die das erborgte oder erschlichene Geld mit vollen Händen ausgeben und sich damit auch noch einen Galan halten; von ehrgeizzerfressenen Kleinbürgern und Handwerkern, die ihren Söhnen Ehren und Titel erkaufen wollen. Das Stück bietet nichts weniger als ein Bild historischer Soziologie. Es sind nicht nur Zerrbilder allgemeinmenschlicher Torheiten oder deren Personifikationen, welche die Schärfe der satirischen Klinge zu spüren bekommen, sondern ansatzweise psychologisch und soziologisch konturierte Repräsentanten ihres Geschlechts, ihres Alters, vor allem jedoch ihres Standes und ihres Berufs. Gemessen an den Schemata der alten Typenkomödie bietet Modeschwindel eine Satire, die die Figuren ständisch-sozial verortet und derart die Geschichte motiviert.
Das 1814 bei der Wiener Polizeihofstelle eingereichte "lokale Lustspiel" Modeschwindel verdient Interesse sicherlich nicht wegen seiner Ästhetik oder Dramaturgie - man hat es mit einem reichlich lang, geradezu geschwätzig geratenen Verwechslungsstück mit allerlei verwandtschaftlichem und amourösem Verwirrspiel und doppeltem Heiratsschluss zu tun. Und auch die Komik ist mehr als ausgedünnt: So enthält das Stück weder eine Lustige Person noch deren mehrere, und die situationskomischen Szenen beschränken sich auf jene wenigen, in denen sich der Filou und Theaterdichter Seicht verstecken muss. Die Komik ist vielmehr auf die männlichen und weiblichen Parvenüs abgestellt, die mittels satirischer Verzerrung der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Interesse verdient es freilich wegen zweier Besonderheiten: der ausufernden Streichungen durch den Zensor sowie der detailfreudigen Inszenierung von Lebensstilen bzw. Habitusformen im Wien des beginnenden 19. Jahrhunderts. Ins satirische Visier geraten nämlich die Moden und Marotten von Parvenüs, die ihren sozialen Aufstieg betrügerischen Finanzspekulationen verdanken; von ihren ebenso raffgierigen wie niederträchtigen Ehegattinnen, die das erborgte oder erschlichene Geld mit vollen Händen ausgeben und sich damit auch noch einen Galan halten; von ehrgeizzerfressenen Kleinbürgern und Handwerkern, die ihren Söhnen Ehren und Titel erkaufen wollen. Das Stück bietet nichts weniger als ein Bild historischer Soziologie. Es sind nicht nur Zerrbilder allgemeinmenschlicher Torheiten oder deren Personifikationen, welche die Schärfe der satirischen Klinge zu spüren bekommen, sondern ansatzweise psychologisch und soziologisch konturierte Repräsentanten ihres Geschlechts, ihres Alters, vor allem jedoch ihres Standes und ihres Berufs. Gemessen an den Schemata der alten Typenkomödie bietet Modeschwindel eine Satire, die die Figuren ständisch-sozial verortet und derart die Geschichte motiviert.
Im September 1945 erschien im Züricher Verlag J. H. Jeheber die auf Französisch verfasste Autobiographie von Françoise Frenkel (1889–1975), einer polnischen Jüdin, der es gelungen war, dem Nazi-Terror zu entkommen: "Rien où poser sa tête" (auf Deutsch: "Nichts, um sein Haupt zu betten"). Bis 1937 hatte Frenkel die einzige französische Buchhandlung in Berlin geführt. 1943 war sie mit etwas Glück illegal von Frankreich aus in die Schweiz gelangt, wo ein Neffe für ihren Unterhalt sorgte. All das lässt sich in ihrer schnörkellosen Lebensgeschichte nachlesen. Doch die Nachkriegsjahre waren nicht die Zeit, in der die Erinnerungen einer Überlebenden, in denen es nicht nur um Flucht und Vertreibung, sondern auch um die französische Kollaboration geht, große Resonanz erwarten durften. Scham und Schrecken wurden verdrängt und "Rien où poser sa tête" geriet schnell in Vergessenheit. In deutschen Bibliotheken findet sich heute nicht ein einziges Exemplar der Erstausgabe. Doch das Buch und seine Autorin wurden in den letzten Jahren wiederentdeckt und der jüngste Beleg dafür ist eine in Frankreich erschienene Biographie jener eigenwilligen Frau, die mit vollem Namen Frymeta Françoise Rolande Idesa Raichinstein-Frenkel hieß (Corine Defrance: "Françoise Frenkel, portrait d'une inconnue", Paris: L'arbalète/Gallimard 2022).
Lilli Jergitsch, 1904–1988
(2024)
Hans Jacob : Bibliographie
(2024)
Hans Jacob, 1896–1961
(2024)
Obwohl Therese Huber (geborene Heyne, verwitwete Forster) zeit ihres Lebens keine einzige Übersetzung unter ihrem Namen veröffentlicht hat - sieht man von einer Romanbearbeitung ab, die als ihr Originalwerk publiziert wurde - ist sie dennoch eine nicht zu vernachlässigende Figur in der Geschichte der Übersetzung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert.
Horbatsch übersetzte seit Ende 1940er Jahre Texte ukrainischer Schriftsteller ins Deutsche und engagierte sich für die Verbreitung ukrainischer Literatur in Westdeutschland. Sie machte sich einen Namen als Übersetzerin, nachdem von ihr zwei große Anthologien ukrainischer Literatur vorbereitet und herausgegeben wurden: "Blauer November. Ukrainische Erzähler unseres Jahrhunderts" (1959) und "Ein Brunnen für Durstige und andere ukrainische Erzählungen" (1970).
Wilhelm Hoegner, 1887–1980
(2022)
Marie Holzman : Manuskripte
(2020)
Vor dem Hintergrund der epochalen Verunsicherungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts stellen sich Goethe und Schiller in ihrer Dramatik den politischen Dimensionen und Abgründen der klassischen französischen Tragödie. Verkappte Staatsgründungen beherrschen ebenso das Geschehen wie der Staatsstreich, der Bürgerkrieg oder der failing state. Eine neue Aktualität gewann das Drama Corneilles und Racines jedoch erst wegen seiner Aufladung der klassischen Form mit staatspolitischen Fundamentalfragen. Das Ringen um eine Regelpoetik und ihre angemessene Umsetzung, vermeintliche Nebensächlichkeiten wie die Einheit der Zeit werden zum Schauplatz genuin politischer Reflexion. Goethe und Schiller verzichten auf eine Restauration der klassischen Form, sie entdecken aber ihre ursprüngliche Energie wieder und verhandeln diese neu. Besonders deutlich zeigt sich dies am dramaturgischen Konflikt zwischen König und Held, der einen bislang weithin übersehenen Grundpfeiler der klassischen Tragödie bildet.
Arbeit und Spiel fungieren im allgemeinen Sprachgebrauch als Gegensätze. Spielen wird im Kontext dieser Oppositionsbeziehung als autotelische Handlung, also als eine freiwillige Beschäftigung mit unproduktivem Charakter, definiert, die primär der Freude oder Entspannung dient. Arbeiten hingegen wird als zweckorientierte Tätigkeit gefasst, die mit Ernsthaftigkeit und Mühsal assoziiert wird. In einer sich verändernden Arbeitswelt lösen sich diese binären Zuordnungen, sofern sie in dieser Schärfe überhaupt jemals bestanden haben, jedoch zunehmend auf. Arbeit und Spiel verschränken sich, sie bilden Hybridformen aus, bei denen sich Verschiebungen von Spielenden zu Arbeitenden und umgekehrt beobachten lassen. Die Etablierung der Spieleindustrie als Wirtschaftsbranche oder die Professionalisierung des Wettkampfsports bringen beispielsweise Formen des Play-as-Work hervor: "Sämtliche Tätigkeiten mit einer unterstellten Wirkabsicht können demnach als Arbeit begriffen werden. Daher können auch aus traditionellen Gründen oder aus Unterhaltungs- und Zerstreuungsgründen ausgeführte Tätigkeiten nunmehr als Arbeit verstanden werden, wenn ihnen eine Wirkabsicht unterstellt werden kann." Zudem werden in Arbeitsbereichen der postfordistischen Wissensökonomie ludische Elemente wie Kreativität, Improvisation oder Risikobereitschaft in einer Abwendung von der normierten Rationalisierung von Arbeit des Taylorismus aufgewertet und spielhaftes Arbeiten ohne kodifizierte Regeln (wieder) als Mittel wirtschaftlicher Produktivität erkannt. Seit den 1990er Jahren lassen sich ferner Tendenzen einer zunehmenden Entgrenzung und Subjektivierung von Erwerbstätigkeit ausmachen; hierbei wird die mit der Industrialisierung entstandene Trennung von Arbeit und Leben abgeschwächt und das Konzept Arbeit neu definiert, denn diese wird nun nicht mehr vornehmlich negativ als Plage oder göttliche Strafe gerahmt, sondern positiv als Mittel der Selbstverwirklichung konnotiert. Arbeit soll infolgedessen spielend von der Hand gehen und Vergnügen bereiten. Auf diese Weise wird eine work-as-play-Mentalität erzeugt, die die Differenz von Ernst und Spiel in der Betrachtungsweise der Handlung festmacht: Es hängt vom Ausführenden ab, ob eine Tätigkeit als Spiel oder als Arbeit klassifiziert wird. So kann letztlich jede Aktivität einfach zum Spiel erklärt werden. [...] Im Fokus dieses Artikels soll jedoch eine andere Form der Hybridisierung von Arbeit und Spiel stehen: die Repräsentation von Büroarbeit im Computerspiel. [...] Untersucht werden soll im Folgenden, welche Inszenierungsstrategien und Spielmechaniken eingesetzt werden, um das Büro spielbar zu machen. Wie wird das Setting für das Gameplay funktionalisiert und wie werden Arbeitsprozesse ludifiziert? Zu welcher Form des Spiels lädt das Büro ein? Welche Aspekte des Büroalltags werden aufgegriffen und welche Erzählungen sowie Figuren werden mit dem Schauplatz verbunden? Des Weiteren soll analysiert werden, wie über die räumliche Ästhetik inhaltliche Aussagen über die kulturelle Bedeutung und gesellschaftliche Wahrnehmung des Büros transportiert werden.
Der Begriff der Verblendung, ein oft implizit immer wiederkehrendes Thema in der Literatur, Philosophie, und auch in der Religion, hat eine komplexe Bedeutungsebene, die es vielleicht wohl zu bewahren gilt, anstatt sie zu fixieren und damit die Lesemöglichkeiten, die er eröffnen kann, zu reduzieren. Das Wort, das Offenes (etwa eine Hingabe an einen Glauben, die auch eine Selbsttäuschung, ein Fehler sein kann, aber auch Mut bedeuten kann) und Verborgenes (eine mehr oder weniger bewusste Täuschung anderer) zugleich andeutet, entzieht sich durch diese doppelte Struktur von 'Oberfläche' und 'Hintergrund' in gewisser Weise, ohnehin einer festen BeDeutungsgebung. In besonderer Weise bleibt der Begriff mit dem als 'Verliebtheit' umschriebenen Zustand als einer ambivalenten un/wahren, irrational und affektiv besetzten, relationalen, inneren Vorstellung und äußeren Projektion des Selbst und eines Anderen verbunden. Der Begriff kann die Hingabe an eine (trügerische) Romantik oder eine (trügerische) Hingabe an eine Romantik meinen, der ein Selbst und ein Anderes in eine affektive Beziehung zueinander setzt, und so auch die Möglichkeit des Unheimlichen, das Hineinbrechen eines Trug(-Bild)-es kennzeichnen. Dies wiederum ist engstens mit Angst und Wut, den oft als destruktiv dargestellten Affekten und affektiv besetzten Effekten verbunden. Verblendung ist somit auch ein Begriff, der Vorstellungen von 'Rationalität' und (affektiv-besetzter) 'Irrationalität', von 'Richtigkeit' und 'Falschheit' beinhaltet.
E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann" ist dank Freuds Interpretation zu einem seiner wichtigsten Werke geworden. Die Novelle, die die Leser mit dem jungen Studenten Nathanael, der mit sich ein Kindheitstrauma trägt, bekannt macht, ist ein komplexes Werk, das auch den weltbekannten Mediziner fasziniert hat. Diese Arbeit befasst sich mit der schon erwähnten Novelle, mit Freuds Artikel "Das Unheimliche" und mit der sehr relevanten Verfilmung aus dem Jahr 2012. Das Motiv des Unheimlichen kommt in dieser Arbeit als eine Kontaktstelle vor, die auf drei verschiedenen Ebenen interpretiert wird: aus der Perspektive des Unheimlichen in der Novelle, aus Sigmund Freuds Perspektive und wie es im Film auftaucht. Ziel dieser Arbeit ist es zu beweisen, dass das Motiv des Unheimlichen in der Verfilmung anders als im Buch begriffen werden kann, d.h. dass Freuds Motiv des Unheimlichen im Text als gruseliger und verwirrender empfunden werden kann.
This paper relies on an unedited and unpublished nineteenth century love correspondence of a heterosexual couple from the German speaking area. The aim of this study is to contribute to the knowledge regarding the nineteenth century love experience of ordinary and unknown lovers. In fact, while there are plenty of books on love correspondences of famous personalities, little research has been dedicated to love letters and romantic experiences of 'ordinary and unknown' people. For this reason the main aim of this article is to shed light on love stories and love experiences that otherwise will fall into the abyss of oblivion. A new theory regarding the love experience in the nineteenth will be proposed: in this century love was perceived more in its material than in its abstract nature; I argue that in the nineteenth love was more about what people did, than to what they said. Lovers are in constant need of material and 'seeable' proof in order to perceive the love of their partners as real and authentic. The examples extrapolated from the following correspondence will corroborate this statement. Furthermore, this article has the purpose to underline the great value of love letters not only from an historical perspective (being evidence of past lives and dynamics), but also and more importantly from a cultural and societal one: analyzing love letters means to acquire knowledge not only about cultural and societal dynamics, but also and more importantly to add knowledge to the love discourse. In fact, they say a lot about the way people talked, expressed and materialized love in their daily lives. Correspondences without any publication in view are the most precious ones because they represent an unregulated and more spontaneous expression 'of the language of the heart'.
L'obiettivo del presente articolo è quello di offrire una visione complementare a quella abituale del romanzo "Die Entdeckung der Currywurst" di Uwe Timm in cui vengano privilegiati gli aspetti del romanzo che lo identificano come opera di World Literature. Se fino ad ora il romanzo è stato principalmente letto come un romanzo tedesco di guerra, con questa lettura si intende far emergere gli aspetti che di esso oltrepassano i confini nazionali e linguistici. Per fare questo si osserveranno in breve i punti di contatto fra la WL e la letteratura postcoloniale, dalla quale la WL stessa ha origine. In particolare si concentrerà l'attenzione sugli elementi del romanzo che evidenziano il rapporto con le letterature e culture di oltre confine, come la cornice narrativa, in cui la narrazione principale si iscrive; le contaminazioni letterarie che emergono dal racconto e infine i numerosi esempi di relazione fra centro e periferia. Inoltre, verrà evidenziato come il periodo storico in cui il romanzo è ambientato, ovvero quello della 'Stunde Null', abbia esso stesso dei contatti intrinseci con le teorie postcoloniali. Si mostrerà come la tesi dell'afferenza del presente romanzo alla WL, sia sostenuta dal fatto che anche attraverso romanzi precedenti, Uwe Timm mostra un interesse spiccato nei confronti delle realtà degli altri paesi e continenti e dell’eredità coloniale dell'Europa.
In ihren Investigationen greifen Forensic Architecture auf Crowddaten zurück, die Umweltereignisse sensorisch erfassen und von Nutzer:innen auf digitalen Plattformen geteilt werden. Die Animationsvideos der Forschungsagentur lassen sich als Resultate einer kollektiven Intelligenz reflektieren, bei der datenbezogenen Praktiken der Repräsentation als Aneignungen vorangegangener Operationen mit mobilen Sensormedien 'in the field' erscheinen. Der Beitrag fragt nach den ästhetischen Darstellungsweisen der Ereignisrekonstruktion mittels sensorischer Crowddaten. Am Beispiel der Investigation "The Beirut Port Explosion" (2020) wird gezeigt, wie unterschiedliche, an einer objektiven Darstellung orientierte Visualisierungskonventionen produktiv ineinandergreifen. Um eine kohärente Beweisführung zu gewährleisten, werden die Sensordaten in den Kontext eines Raumsimulationsmodells eingefügt. Das Modell fungiert als Ersatzobjekt für die Stadt Beirut und ist somit konstitutiv für die Virtualisierung der Investigation. Dabei rückt in der ästhetischen Analyse jedoch das zirkuläre Verhältnis zwischen Raummodell und Crowddaten in den Fokus, das vor dem Hintergrund produktionsspezifischer und infrastruktureller Fragestellungen problematisiert wird.
Wenn im Rahmen von investigativen Recherchen auf öffentlich und digital verfügbare Daten zurückgegriffen wird, spielen Bilder der physischen Tatumgebung häufig eine wesentliche Rolle. Ins Internet gestellte Fotos und Videos von Ereignissen im öffentlichen Raum oder topographische Luftbilder im Vorher-Nachher-Vergleich gelten dabei oft als beste Beglaubigung eines Geschehens. Der technische Charakter und die Georeferenzierung verleihen den Bildern eine so hohe Überzeugungskraft, dass sie als Grundlage für rekonstruierende 3D-Modelle und Simulationen verwendet werden - auch wenn ihre Glaubwürdigkeit in den letzten Jahren durch die Möglichkeit der Bildmanipulation oder der gezielten Fehlinterpretation stark gelitten hat. Anhand von Fallstudien untersucht der Beitrag exemplarische Konfigurationen einer investigativen Architekturproduktion, um aufzuzeigen, welche raumkonstituierenden Verfahren der Evidenzerzeugung entwickelt und eingesetzt werden, welche Authentifizierungsstrategien sie prägen und worin sich ein hegemoniekritischer von einem staatlich-repressiven Bildgebrauch unterscheidet. Damit verbunden ist die Frage nach dem Status der virtuellen Rekonstruktion im Spannungsfeld von Zeugnis und Beweis, nach ihrem Wert als Erkenntnisquelle und ihrer politischen wie ethischen Dimension. Nicht zuletzt geht es um die paradox anmutende Frage, wie digitale Raumbilder trotz ihrer Konstruiertheit und Manipulierbarkeit eine realitätsbeglaubigende Kraft in der investigativen Arbeit entfalten können.
Inwiefern schließen Open Source Investigations eine Revision des Indizienparadigmas ein? Der Aufsatz beantwortet diese Frage, indem er anhand von Fallbeispielen von Rechercheagenturen (bellingcat und Forensic Architecture) und investigativen Fotografen (Trevor Paglen und Edmund Clark) eine Verschiebung im Spurbegriff herausarbeitet: Im Rahmen digitaler Recherchen sind Spuren durch Datenverarbeitung hervorgebrachte mediale Artefakte, sie werden also nicht am Tatort vorgefunden, sondern rechnerisch produziert. In den Falldarstellungen und Methodenreflexionen der Akteur:innen können dabei verschiedene Modi der virtuellen Spur unterschieden werden.
Das ludische Dispositiv virtueller Investigationen : auf Spurensuchen in interaktiven Krimi-Formaten
(2024)
In interaktiven Kriminalerzählungen verknüpfen sich Medialität und Ästhetik, wobei Computer als Werkzeuge der Ermittlungsarbeit neue Perspektiven auf polizeiliche Effizienz und agency eröffnen. Narrative Spiele nutzen Technologie und Medien häufig auf innovative und selbstreflexive Weise, um immersive Spielwelten und ludische Herausforderungen für die Spielenden zu schaffen. Dieser Artikel verfolgt die historische Entwicklung von Kriminalspielen anhand einzelner Beispiele. Denn diese weisen bedingt durch ihr Erscheinungsdatum spezifische Formen technischer und ästhetischer Verfahren auf, werfen unterschiedliche Fragen zur Natur von Wissen, Medien und Wahrheit auf und eröffnen unterschiedliche Perspektiven auf die Wechselwirkungen zwischen virtueller und realer Kriminalität sowie auf mögliche Einflüsse auf reale kriminologische Praktiken.
Heutige Diskussionen um 'Artistic Research' oder 'Investigative Aesthetics' reaktivieren die alte Frage nach den Wissens- und Erkenntnisdimensionen von künstlerischer Praxis. Auch in parallel entstehenden literarischen Texten kommt es zu verstärkten Auseinandersetzungen mit Praktiken und Begriffen außerliterarischer Wissensfelder wie den Medien, dem Recht oder den Wissenschaften. Ebenso lassen sich erhöhte Ansprüche ausmachen, mit dem eigenen literarischen Schreiben eine Art Wissen zu erzeugen. Der Beitrag stellt dies beispielhaft an deutschsprachigen Texten zum Jugoslawien-Krieg in den 1990er Jahren dar und diskutiert die literarische Hinwendung zu Formen des Wissens und Ermittelns als ein den forschenden oder investigativen Künsten verwandtes Phänomen.
Der Beitrag thematisiert die literarische Darstellung virtueller Investigationen, welche eine performativ-schauspielerische Wiederholung von Tatgeschehnissen beinhalten. Er analysiert insbesondere die Rolle von Zufallsmotiven und -aspekten in solchen Darstellungen und deren metapoetische Bedeutung im Rahmen einer Gattungspoetik des Kriminalromans. Als Fallbeispiele dienen hierfür Friedrich Dürrenmatts 'Requiem auf den Kriminalroman' "Das Versprechen" und Stanisław Lems Roman "Der Schnupfen". Im Vergleich der beiden Texte zeigt sich unter anderem, dass die Idee eines genauen 're-enactment' von Tathergängen auf der Grundlage virtueller Rekonstruktionen in beiden Romanplots nicht direkt zum gewünschten Ergebnis führt, dass aber in Lems Roman eine Integration des Faktors Zufall in virtuelle Ermittlungsprozesse und in die Poetik des Kriminalromans insgesamt sehr viel positiver gewertet wird, während der Einfluss des Zufalls bei Dürrenmatt ebenfalls als unhintergehbar, aber nicht als uneingeschränkt begrüßenswert perspektiviert wird.
Kriminalität und deren Bekämpfung unterliegen seit jeher permanenten Veränderungen. Durch den gesellschaftlichen Wandel und die damit einhergehende Weiterentwicklung von technischen Möglichkeiten werden fortlaufend neue Modi Operandi ermöglicht, auf welche die Polizei mit teilweise ebenfalls neuen kriminalistischen Mitteln reagiert. Entwicklungen in der Kriminalität und der Kriminalistik können somit als sich gegenseitig beeinflussende Prozesse angesehen werden. Allerdings findet dieser Wandel nicht kontinuierlich statt, sondern tritt in Schüben auf, die in der Regel auf besonders kriminalitätsrelevante Ereignisse zurückzuführen sind. In diesem Zusammenhang verändert sich die Polizei, sowohl in ihrer Organisation als auch in ihren Analysen zur Entwicklung der Kriminalität und in ihren Methoden zu deren Bekämpfung, teilweise grundlegend.
In einem ersten, konzeptionellen Teil wird anhand von ausgewählten Kriminalitätsformen und den damit verbundenen Ermittlungspraktiken ein Überblick der gegenseitigen Beeinflussung von Kriminalität und Kriminalistik gegeben. Darauf aufbauend wird im zweiten Teil der aktuelle Stand dieses 'Evolutionsprozesses' anhand der Implementierung von Predictive-Policing-Systemen in die Polizeiarbeit diskutiert. Denn darin zeigt sich nahezu idealtypisch die gegenseitige Beeinflussung von Kriminalität und Kriminalistik wie auch der digitale Wandel und die damit verbundenen Gefahren. Polizeiarbeit scheint sich im Ergebnis dieser Veränderungsprozesse von einer ursprünglich eher auf den Einzelfall bezogenen, subjektiven Sichtweise auf Kriminalität und deren Verfolgung (zum Beispiel durch kriminalistische Taktik und List in der Vernehmung) auf eine nunmehr eher allgemeine, abstraktere Betrachtung zu verschieben ('Abstract Police').
Der Beitrag konzentriert sich auf einen blinden Fleck in Carlo Ginzburgs Indizienparadigma. Ginzburg beschränkt die Ermittlung von Wissen im Bereich des Rechts auf die Erhebung materieller Indizien der Vergangenheit. Im größeren Zusammenhang der staatlichen Rationalität des 18. Jahrhunderts wird jedoch deutlich, dass bei Ginzburg die präventive und damit zukunftsgewandte Komponente der Guten Policey fehlt. Um potentielle Gefahren abzuwehren und bestenfalls unmöglich zu machen, werden im Dienste der Generalprävention Spuren einer möglichen Zukunft lesbar gemacht. Doch führt die bloße Virtualität einer potentiellen Zukunft zu einer Universalisierung des Verdachts und alle Menschen werden zu potentiellen Verbrechern. Mit Schiller und Fichte macht der Beitrag daher auch die Grenzen staatlicher Fürsorge namhaft. Im Bereich der Literaturwissenschaft entspricht den Investigationen der Guten Policey die rezeptionsästhetische Theorie. Sie ermittelt das Bedeutungspotential, das einem Werk immer schon innewohnt, aber erst in der späteren Rezeption entfaltet wird. Der Bedrohung einer Universalisierung des Verdachts entspricht bei der Rezeptionsästhetik die Gefahr, das Bedeutungspotential zu entgrenzen, womit die Lesart der Indizien beliebig würde.
Lange hat sich die Feststellung von Subjekten auf den menschlichen Körper gerichtet, auf dessen Spur, besonderes Merkmal, Fingerabdruck oder DNA-Profil. Derweil verliert sich dieser indexikalische Zusammenhang in digitalen Erkennungsverfahren, einerseits indem sie nicht länger ein Indiz auf einen unverwechselbaren Körper beziehen, sondern dessen Bild nunmehr mit den Pixel-Verteilungen in tausenden anderen Bilddateien abgleichen, andererseits weil sie, noch vor der Identifizierung einer Person, überhaupt erst einen "Körper" als solchen registrieren müssen. Damit aber verschieben sich all jene subversiven Praktiken, die den Menschen der Detektion zu entziehen trachten: Statt bloßer Maskierung gilt es jetzt, den Körper selbst zu tilgen - durch technische Verwischungen, Oberflächenmodulationen oder Bewegungsmuster außerhalb der KI-Trainingsraster. Derlei Strategien des Entzugs werden in der zeitgenössischen Videokunst erprobt, etwa in Hito Steyerls "How Not to Be Seen" oder Liam Youngs "Choreographic Camouflage". Damit stellt sich zudem die grundsätzliche Frage nach der Verfügbarkeit und Neuform(at)ierung des Körpers im Digitalen; hier nämlich verwandelt er sich vom Zeichen- und Faktenreservoir in Virtualität und stetes Werden, die ihr politisches Potential auch weit jenseits aller Überwachungstechnologie entfalten.
Indizien zu lesen, gehört zu den Plausibilisierungspraktiken in alltäglichen wie wissenschaftlichen Kontexten. Über indexikalische Techniken des Schließens ist Wissen semiologisch wie hermeneutisch dynamisiert. Zentral gilt dies für Disziplinen wie Recht, Medizin, Psychologie, Archäologie, Philologie u.a.m. - sie alle folgen Indizien als eine Art 'Allegorie des Verweisens'. Das Indiz als der Zeichentypus, der sich selbst zeigt und zugleich etwas anderes an-zeigt (indicare), changiert dabei stets zwischen Evidenz und Lektüre - das weiß bereits die Antike, doch epistemologisch und semiologisch prominent diskutiert wird es im 18. Jahrhundert.
Als Carlo Ginzburg die These formulierte, dass die Geisteswissenschaften wie die Kriminalliteratur im sog. "Indizienparadigma" gründeten, hatte er mit Sherlock Holmes einen Detektiv vor Augen, der persönlich den Tatort besichtigte. Dort erhob er Spuren, kombinierte sie und kam in oftmals ingeniösen, aber auch höchst spekulativen Schlussfolgerungen zur Lösung seines Falls. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in Forschung und Fahndung muss dieses materiell und empirisch grundierte "Indizienparadigma" jedoch einer Revision unterzogen werden. Denn seit der Privatdetektiv von "Kommissar Computer" Konkurrenz bekommen hat, haben sich die Investigationspraktiken grundlegend gewandelt: So können computergestützte Fahndungs- und Aufklärungsmethoden eine Besichtigung des Tatorts ersetzen, während algorithmische Wahrscheinlichkeitsrechnung vergangene wie zukünftige Fälle erhellt. Der vorliegende Sammelband mit Beiträgen aus der Literatur-, Medien- und Designwissenschaft untersucht, inwiefern solche "virtuellen Investigationen" in Literatur und Kunst der Gegenwart eine Revision des Indizienparadigmas einschließen - und inwiefern Begriffe der Virtualität bereits die Investigativarbeit im 19. Jahrhundert prägten
In der Welt der wilden Kerle : eine populäre Serie im Zeichen des russisch-ukrainischen Krieges
(2024)
Zum Jahreswechsel 2023/2024 gelang einer russischen Fernsehserie, was während Russlands Krieg gegen die Ukraine eigentlich unvorstellbar scheint: Innerhalb weniger Tage entwickelte sich "Ehrenwort eines Kerls. Blut auf dem Asphalt" ("Slowo pazana. Krow na asfalte", 2023) beiderseits der Schützengräben zur populärsten Serie des Jahres. Die Zuschauer- und Klickzahlen erreichten Rekordhöhen und der Titelsong "Pyjala" (dt. 'Glas') der tatarischen Band Aigel schaffte es an die Spitze diverser Hitparaden in beiden Ländern. In der Russischen Föderation war die Serie zwar mit der Altersgrenze "18+" versehen und nur bei den privaten Streamingdiensten Wink und START zu sehen. Doch schon während der Ausstrahlung der acht Folgen der ersten Staffel vom 9. November bis 21. Dezember 2023 verbreitete die Serie sich blitzschnell über Telegram und andere digitale Kanäle. Sätze wie "Kerle entschuldigen sich nicht" oder "Denk dran, du bist jetzt ein Kerl, du bist jetzt auf der Straße, und ringsherum sind Feinde" wurden zu geflügelten Worten. Pädagogen und Politikerinnen schlugen Alarm, als in der Presse Berichte auftauchten, die von durch die Serie inspirierten Schlägereien berichteten, und zwar sowohl in Russland als auch in der Ukraine. Bevor die letzten Folgen überhaupt ausgestrahlt worden waren, gab es auf "Ehrenwort eines Kerls" bereits in beiden Ländern ein breites Medienecho, wobei die Kritiken kontrovers ausfielen und von enthusiastischer Begeisterung bis zu hellem Entsetzen und kategorischer Ablehnung reichten. In der Ukraine kreiste die Diskussion vor allem um die Frage, ob die Fernsehserie allein schon deshalb gefährliche Kriegspropaganda sei, weil sie aus dem Feindesland kommt. In Russland erregte die vermeintliche Romantisierung der Verbrecherwelt Anstoß. Manche Kritiker deuteten die Serie aber auch als subversiven Zerrspiegel der militärischen Aggression. Was war das aber für ein populärkulturelles Werk, das für so viel Aufmerksamkeit und Aufregung sorgte?
Der Artikel bietet eine Analyse von John A. Williams' Roman "Clifford's Blues" (1999), der in der Form eines fiktiven, von einem afroamerikanischen Jazz-Musiker geschriebenen Tagebuchs von der Inhaftierung im Konzentrationslager Dachau erzählt. Der Roman lässt sich nicht nur als mit den Mitteln der Fiktion arbeitender Beitrag zur Geschichte der Verfolgung Schwarzer Menschen im Nationalsozialismus verstehen, sondern auch als selbst transatlantisches, vermeintlich historisches Zeitzeugnis, das aus einer ungewöhnlichen Perspektive die Thematik eines unsteten Archivs verflochtener Gewalt- und Exilerfahrungen beleuchtet. Das Augenmerk der Analyse liegt einerseits auf den Chancen eines solchen Archivs: Der Roman zeigt Möglichkeiten diasporischer Gemeinschaftsbildung und beschreibt die transatlantische Perspektive des Protagonisten als Ressource für das Erkennen von Kontinuitäten der Unterdrückung wie auch für das Ableiten von alltäglichen Widerstandsstrategien. Andererseits werden ausgehend vom Kunstgriff der Herausgeberfiktion und von Dokumenten aus dem Nachlass Risiken und Widersprüche des hier entworfenen Archivs diskutiert. Es wird gezeigt, dass dieses zwar auf Transnationalität zielt, jedoch teilweise der Rückbindung an ein lokales Moment bedarf.
Die autoptisch erstellte Bibliographie nennt alle in Buchform erschienenen Texte von und über Manfred Peter Hein. Unselbständig erschienene Beiträge sind in translationsorientierter Auswahl berücksichtigt. 442 zwischen 1956 und 1991 erschienene Veröffentlichungen von und über Hein finden sich in der zu seinem 60. Geburtstag erschienenen Personalbibliographie (Kelletat 1991), ein Verzeichnis der von ihm zwischen 1959 und 2004 veröffentlichten 99 Essays in dem Sammelband "Vom Umgang mit Wörtern" (Hein 2006: 160-169), zwischen 1960 und 2005 erschienene Sekundärliteratur (142 Titel) in dem Sammelband "unterwegs mit zehn Fingern" (Kelletat 2006: 155-167).
Marie Holzman, 1922–1941
(2020)
Marie Holzman, geboren am 22. April 1922 in Jena, war die ältere Tochter des seit 1922/23 in Kaunas (Litauen) ansässigen Gründers und Inhabers der Verlagsbuchhandlung Pribačis Max Holzman (1889–1941) sowie der aus Jena stammenden Malerin und Kunsterzieherin Helene Czapski-Holzman (1891–1961). Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde sie am 29. Oktober 1941 in Kaunas ermordet. Ihre Mutter hat zwei von ihrer Tochter aus dem Litauischen übersetzte Erzählungen bewahrt. Unlängst gelangten die beiden Manuskripte ans Exilarchiv der DNB in Frankfurt/M.
Fritz Heymann, 1897–1944
(2022)
Eugen Helmlé, 1927–2000
(2018)
Eugen Helmlé (1927–2000) war einer der verwegensten und besessensten Übersetzer seiner Zunft, der an die 150 Bücher übersetzt hat und in ganz besonderer Weise Georges Perec verbunden war, dem herausragenden französischen Autor des 1960 gegründeten Oulipo-Kreises, der gemeinsam mit seinem Übersetzer Helmlé neue formale Wege der Literaturproduktion beschritt.
In der vorliegenden Bibliografie werden in der Rubrik "Übersetzungen in Buchform" Einzelausgaben und die daraus hervorgegangenen Sammelausgaben, die mehrere Werke enthalten, separat aufgeführt. Die Kategorie "Sonstige Übersetzungen" umfasst Bilderbuchversionen, Hörspiele sowie spätere Publikationen, die auf Cäcilie Heinigs Übersetzungen zurückgreifen.
Cäcilie Heinig, 1882–1951
(2022)
Manfred Peter Hein, Jg. 1931
(2024)
Für ihre Tätigkeit als Herausgeberin der Gesammelten Werke von Bertolt Brecht ist Elisabeth Hauptmann in der Brecht-Forschung hoch anerkannt. Vernachlässigt wird gelegentlich jedoch ihre Rolle als Übersetzerin, die Brecht mit ihren Übersetzungen neue Stoffe und Dramentraditionen erschloss. Sie war es, die u.a. die "Beggar's Opera" übersetzte, aus der später die "Dreigroschenoper" wurde - der größte deutsche Theatererfolg der 1920er Jahre.
Klaus Werner beschreibt in seinem Beitrag die einzigartige Mehrschichtigkeit und Tiefendimension künstlerisch bearbeiteter 'schwarzer Bücher' in Li Silberbergs Installation "Bibliothek", die als unzugänglicher gläserner Raum entzogener Lektüre mit der Einrichtung von Regalfächern und Schreibplatte zugleich subtil die materielle Bedingtheit des 'Prinzips Bibliothek' ausstellt.
Susanne Klimroths Beitrag widmet sich den Texten zu Oskar Kokoschkas Alma-Mahler-Puppe und stellt den fiktionalisierten Status insbesondere der eigenen Schilderungen der 'Puppenepisode' des doppelbegabten Künstlers heraus. Sie argumentiert für eine Widerspenstigkeit sowohl der Materialität der Puppe als auch der Überlieferung der literarisierten Puppe.
Timo Sestu analysiert in seinem Beitrag die kulturhistorische Bedeutung selbstschreibender Automaten des 18. Jahrhunderts und deren satirische 'Fortschreibung' bei Jean Paul. Es zeigt sich, dass diesen Automaten aufgrund ihrer Materialität und Körperlichkeit auch widerständige Potentiale innewohnen, die der gewaltsamen Zurichtung "gelehriger Körper" im Sinne Foucaults die Virtualität des Geschriebenen und die Bewahrung poetischen Eigensinns entgegensetzen.
Nina Tolksdorf verdeutlicht in ihrer Analyse von Pantomimen um 1900, dass diese, wie Puppen und Marionetten, in zweifachem Sinn auf Oberflächen verweisen, zum einen auf die des Körpers bzw. Materials der Figuren und Körper, zum anderen auf die Oberflächenrhetorik der literarischen Texte selbst. Auf diese Weise wird der "hermeneutische Tiefenblick" als Lektüre- und Analysepraxis gleichermaßen offengelegt wie durchkreuzt.
Marc Matters Beitrag ist der medienarchäologische Versuch, am Beispiel des Audioverlags Balsam Flex und seines Gründers E. E. Vonna-Michell von der Literaturwissenschaft häufig vernachlässigte Audioformate - experimentelle Tonkunst, Sound Poetry, Klang-Installationen - in ihrer künstlerischen und kunsthistorischen Bedeutung zu würdigen.