CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (12)
- Part of a Book (4)
- Review (2)
- Part of Periodical (1)
Language
- German (16)
- English (1)
- French (1)
- Multiple languages (1)
Has Fulltext
- yes (19) (remove)
Is part of the Bibliography
- no (19) (remove)
Keywords
- Raum <Motiv> (19) (remove)
Institute
- Extern (1)
Der vorliegende Band befasst sich mit Formen und Techniken der erzählerischen Vermittlung von Räumlichkeit. Ein Fokus der hier versammelten Aufsätze liegt auf der Darstellung des Raumtyps Innenraum, der - wie die unterschiedlichen Lektüren aus verschiedenen Philologien vorführen - ein weitreichendes narratives Experimentierfeld darstellt. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht zum einen die Frage, wie literarische Räume und Raumvorstellungen konstituiert und in eine narrative Progression übersetzt werden, zum anderen die Frage nach den unterschiedlichen - symbolischen, allegorischen, soziologischen oder poetologischen - Funktionszusammenhängen, in die das literarische Interieur eingebunden ist. Dieser Band will insbesondere an neuere Forschungsbeiträge anknüpfen, die die innenraumkonstituierenden und -gliedernden Medien wie Möbel oder Stoffe, Wände, Bilder oder Fenster in ihrer spezifischen Materialität und Medialität in den Blick nehmen und so die Exteriorität von Raumzeichen betonen.
Zur Auffassung der Kategorien Zeit und Raum in Oswald Spenglers "Der Untergang des Abendlandes"
(2012)
Oswald Spenglers 'Der Untergang des Abendlandes' kommt mit apokalyptischem Donnern daher, der Grundton ist aber nicht unbedingt pessimistisch. Zwar wird der Glaube an eine Sinnverankerung von Weltgeschichte fallengelassen. Ohne jegliche teleologische Ladung, so Spengler, steigen die Zivilisationen aus dem "Zufall Leben", aus dem "Zufall Mensch", aus dem "Zufall Kultur" auf. Auch jene abendländische Kultur, die ihn so mächtig fasziniert und für deren Verteidigung er in den 20er Jahren im Lager der Nationalen Rechten politisch aktiv wird, ist für ihn ein letztlich folgenloses Phänomen, eine ephemere Gestaltung, die die kurze Spanne eines Jahrtausends zunächst kraftvoll emporwächst, dann unweigerlich langsam abstirbt. Gleichwohl folgert Spengler aus dem Fehlen von Fortschritt und Ziel keinesfalls, dass die Weltgeschichte eine belanglose Abfolge sich gleichgültig aneinanderreihender Begebenheiten sei. Auch wenn er kein Zielversprechen mit ihr verbindet, behält sie für ihn ein euphorisierendes Glänzen. Spengler suggeriert, man müsse nur von abstrakter Erkenntnis auf gefühlte Intuition umschalten, und schon wittere man in ihren Tiefen das Heranpulsen "kosmischer Flutungen".
Als Pierrre Boudieu in den 1960er-Jahren seinen Ansatz entfaltete, waren in der Literaturwissenschaft zwei Richtungen dominant: einerseits die immanente Literaturbetrachtung, die glaubte, in den Werken selber den Schlüssel ihrer Deutung zu finden, und eine etwas reduktionistische Literatursoziologie, die in den literarischen Werken den unmittelbaren Ausdruck einer sozialen Klasse sah. Das Verdienst von Bourdieus Feldtheorie erscheint dem Autor darin, dass Bourdieu aus dieser Aporie herausführte, den Autonomisierungsprozess der Literatur ernst nahm und trotzdem die Bedeutung des Kontextes nicht aus den Augen verlor.
Architektur und Albtraum : Erkundungen zu Horrorhäusern, Geisterstädten und metaphysischen Türmen
(2014)
Auf seiner Flucht aus dem Schreckenshaus seiner Ahnen träumt Clifford Pincheon (aus Nathaniel Hawthornes Roman The House of the Seven Gables von 1851) in der Eisenbahn von einem modernen Nomadentum, das einen vom Schicksal befreien könne: Statt sich zum "Gefangenen von Mauern, Backstein" zu machen, wird der Mensch der Zukunft "nirgends - oder besser - überall […] wohnen". Die Vision, sich vom konkreten Ort, von Geschichte zu befreien und gleichsam in der Zeit sesshaft zu werden, verwirklichte sich nicht allein in den silbernen, stromlinienförmigen Home-Trailern und Mobile Homes. Sie verwirklichte sich auf höherer Stufenleiter in den glänzend geschlossenen Spiegelglas-Türmen, die in den Machtzentren des Kapitals heute zunehmend dominieren. Die dunkel oder metallisch spiegelnden Türme wirken wie in heiliges Öl getaucht, rituell gesalbt, dabei jedoch nicht erhaben, sondern verführerisch, bezaubernd: Die fugenlos glatte, glitzernde Hülle aus Spiegelglas und Metall macht die Bauwerke zu Fetischen, phallischen Signifikanten, zu unsterblichen Ikonen einer Macht, deren innerstes Prinzip eine Ökonomie der Zeit ist. Das Kapital träumt seit je davon, sich vom irdischen Raum der Menschen zu befreien: Mit den Türmen - einer artifiziellen Raum-Enklave - gewinnt der Traum strahlend Gestalt. Hierin verdichtet sich gesellschaftlich und technologisch höchste Mobilität, erstarrt in reiner Gegenwart, der Zeitform der global players. Diese arbeiten an einem Schicksal, das jede Bindung an konkreten, irdischen Raum, an Familien und Völker, an vergangene Geschichte verloren hat. Das ist zweifellos unheimlich, doch auf ganz andere Art als das klassische Horrorhaus.
Die Kulturabteilung der Deutschen Botschaft Ankara, das DAAD-Informationszentrum Ankara und die Hacettepe Universität boten im Wintersemester 2016 für interessierte Masterstudierende und Doktoranden ein Workshop-Seminar zu transkulturellen Konzepten von Zeit und Raum in den Werken Ilija Trojanows an. Konzepte von Fremdheit, Migration, Transkulturalität sowie Raum und Zeit standen besonders im Fokus der Veranstaltung. In seinen Werken wirft Trojanow den Blick auf die Ausbildung interkultureller Identitäten und die damit einhergehenden Dimensionen von Fremdheit, Ablehnung und Identitäts- bzw. Zugehörigkeitsdiffusionen. Die Entfremdung von der eigenen Kultur und den damit verbundenen Perspektivwechsel thematisiert Trojanow unter anderem in seinem Werk Der Weltensammler.
In diesem Seminar stand jedoch nicht nur der Roman Der Weltensammler im Vordergrund, sondern unterschiedlichste Literatur Trojanows. Angeleitet wurden die Nachwuchswissenschaftler über zwei Präsenzseminare zum Thema Kulturanalyse und Anwendung von Methoden in der Literaturwissenschaft. Der Mehrwert des Workshop-Seminars bestand darin, dass die Studierenden Fragen aus den Werken anhand von Hypothesen direkt an den Autor stellen konnten. Um diese auch anderen Wissenschaftlern nicht vorzuenthalten, entschied man den Workshop aufzunehmen und im Anschluss zu transkribieren. Dieses Transkript bietet eine Stellungnahme über die Literatur und Philosophie Ilija Trojanows an und trägt gleichzeitig zum Textverständnis seiner Werke bei.
Folgende Werke Trojanows wurden für den Workshop ausgewählt:
Meine Olympiade: Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen
Der Weltensammler
Der überflüssige Mensch
Macht und Widerstand
Zu den heiligen Quellen des Islam: Als Pilger nach Mekka und Medina
Die Versuchungen der Fremde: Unterwegs in Arabien, Indien und Afrika
Döner in Walhalla oder welche Spuren hinterlässt der Gast, der keiner mehr ist.
Die Studierenden, die sich eingehend mit der Literatur in Vorlauf-Präsenzseminaren beschäftigt hatten, entwarfen (kontroverse) Hypthesen, die sie Herrn Trojanow im Workshop vortrugen. Folgende Transkription wiederspiegelt einen Abriss über die Literatur Trojanows und zeigt gleichzeitig Antworten, die zum Teil auch aus einem sehr philosophischen Terminus entspringen.
Der Begriff des Rahmens hat in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichsten Kontexten Konjunkturen erlebt: in der Anthropologie und der Soziologie als kontextsensibler Handlungsrahmen, in den Theaterwissenschaften als Inszenierungsrahmen, in der Literaturwissenschaft als paratextuelle Rahmung, in der Linguistik als kognitiver Repräsentationsrahmen respektive als Skript – und, nicht zu vergessen, in der Kunstwissenschaft als Bildrahmen. Dabei steht jede "Aufmerksamkeit für Rahmungen" in einem Spannungsverhältnis zwischen einem Interesse für explizite, sprich: materielle und insofern sichtbare Formen der Rahmung einerseits und einem Interesse für implizite, konzeptionelle, sprich stillschweigend vorausgesetzte Interpretationsrahmen andererseits. Zugespitzt formuliert könnte man sagen: Das Problemfeld 'Rahmen' wird durch das Verhältnis von phänomenaler Rahmenwahrnehmung und funktionalem Rahmenwissen bestimmt, wobei sich in der Verhältnisbestimmung zugleich die Rahmenbedingungen von textuellen, theatralen, pikturalen und technischen Konfigurationen zeigen.
Die Reflexion der Grenze zwischen Text und Nicht-Text findet zumeist ‚am Rahmen’, nämlich im Paratext, statt. Insbesondere die „Vorredenreflexion“ […] will bei den Lesern das „Fiktivitätsbewußtsein“ […] für den nachfolgenden Text wecken. Ich möchte im Folgenden der Frage nachgehen, wie dieses Grenzbewusstsein entsteht. Dabei gehe ich von der Prämisse aus, dass Paratexte – vor allem Vorworte – einen Zugang zum Haupttext eröffnen, indem sie sich selbst als Übergangszone in Szene setzen: als Übergangszone, in der die Grenzen zwischen all dem, was fiktiver Text ist und all dem, was nicht fiktiver Text ist, verhandelt werden. Die Rede vom Paratext als Übergangszone impliziert neben dem Gesichtspunkt der Räumlichkeit auch eine Form der Bewegung, durch die diese Übergangszone überhaupt erst konstituiert wird. Es handelt sich […] um eine „Praktik im Raum“ […] durch die der Leser – die Leserin – den Weg aus der realen Lebenswelt in die fiktionale Welt des Textes finden soll. Dieses paratextuelle travelling möchte ich im Rekurs auf Jean Paul beschreiben – ein Schriftsteller, der wie kein anderer eine Vielzahl spielerischer Praktiken im paratextuellen Raum entwickelt hat. Mitunter hat man sogar den Eindruck, dass Jean Paul mehr Wert auf seine Paratexte als auf seine Texte legt. Zugleich, und dies scheint mir für das Thema Raum und Bewegung in der Literatur interessant zu sein, fällt auf, dass Jean Paul im Rahmen seiner Paratexte ostentativ Raummetaphern bemüht.
Lässt sich, wie Heidemarie Uhl fragt, »die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie [...] nicht als ein quasi-kolonialer Herrschaftskomplex begreifen, in dem die hegemoniale Kultur sich beständig durch Grenzziehungen zu ihrem kulturell-zivilisatorischen ›Anderen‹ legitimiert [...]«? Und welche Resonanz haben die vielfältigen Herrschaftsformen im habsburgischen Zentraleuropa in literarischen Texten gefunden? Eben einem solchen literarischen Text, der dieser Monarchie, diesem ›quasi-kolonialen Herrschaftskomplex‹ entsprang und in dem das kulturell-zivilisatorisch ›Andere‹, das ›Orientalische‹, eine bedeutende Rolle spielt, widmet sich meine Lektüre. Die für mich zentrale theoretische Fragestellung ist, ob neben dem expliziten kolonialen Gehalt des Textes auch seine impliziten kolonialen oder postkolonialen Strukturen lesbar und exponierbar werden oder immer schon exponiert sind. Die Möglichkeit einer postkolonialen Lesart würde bedeuten, dass es sich um einen Text handelt, in dem vielfältige, prozesshafte Identitätskonzepte lesbar sind, in dem binäre Oppositionsstrukturen unterlaufen werden und in dem sich Räume der Hybridität eröffnen, wie sie u.a. mit Homi Bhabhas Konzept des ›Dritten Raumes‹ beschreibbar sind.