CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (12)
- Part of a Book (5)
- Report (1)
- Review (1)
Has Fulltext
- yes (19) (remove)
Is part of the Bibliography
- no (19) (remove)
Keywords
- Schiller, Friedrich (19) (remove)
In Schillers Wallenstein-Trilogie ist nicht der Zeitpunkt der Tat entscheidend, sondern der Zeitpunkt der Information. Auch Gerüchte sind Informationen, wenngleich unsichere. Sie spielen im Machtkampf zwischen Wallenstein und der kaiserlichen Partei sogar eine maßgebliche Rolle, denn dieser dreht sich, genau besehen, darum, Gerüchte als Nachrichten beim Heer glaubhaft zu machen. Wem dies als erstes gelingt, der gewinnt in dem Informationskrieg, der sich in Schillers Stück abspielt. Wallensteins Informationsoffensive verfolgt ganz deutlich dieses Ziel. Er schickt Eilboten nach Prag, die dort vermelden sollen, dass die Pilsener Truppen ihm neu gehuldigt hätten. Durch dieses als Nachricht ausgegebene Gerücht sollen sich die Prager Truppen veranlasst sehen, sich ebenfalls für Wallenstein zu erklären. Die Nachricht von den Prager Truppen soll wiederum die Pilsener Regimenter dazu bewegen, sich hinter Wallenstein zu stellen. Denn wenn Prag sich erst für ihn ausgesprochen habe, so legt Wallenstein sein Gerüchtekalkül seinem Getreuen Illo dar,
"[d]ann können wir die Maske von uns werfen,
Den hiesigen Truppen den gethanen Schritt
Zugleich mit dem Erfolg zu wissen thun.
In solchen Fällen thut das Beyspiel alles.
Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf,
Und wer der Vorderste ist führt die Heerde.
Die Prager Truppen wissen es nicht anders,
Als daß die Pilsner Völker uns gehuldigt,
Und hier in Pilsen sollen sie uns schwören,
Weil man zu Prag das Beyspiel hat gegeben."
(T, III/4, 1430–1439)
Wallenstein setzt auf die Nachahmung, um eine Massendynamik zu induzieren. Er beschreibt Nachahmung als anthropologisches Charakteristikum, womit Schiller seinem Protagonisten eine Vorstellung der Aufklärung in den Mund legt.
Die Jugendzeit Schillers ist bekanntlich durch die Erziehung auf der Hohen Karlsschule in Stuttgart geprägt. Weniger bekannt ist allerdings, dass die dortige Theater- und Opernproduktion zu den maßgeblichen Erlebnissen Schillers aus seinen Stuttgarter Jahren zählt. Die Produktionen, die stets mit den wichtigsten Festen am Stuttgarter Hof zusammenfielen, wurden in der bisherigen Forschung stiefmütterlich behandelt. Selbst die neuesten Ausgaben der Schillerliteratur lassen das Thema nahezu unberührt. Die Vorbereitung der Produktionen dauerte nicht selten ein halbes Jahr und umfasste praktisch den gesamten Hofstaat. Im Sinne der höfischen Repräsentation wurde gerade auf Details größten Wert gelegt, die sich nicht zuletzt auch in der Allegorie wiederfinden, also der deutenden Übertragung des realen Hofes auf die Bühne in Form von Protagonisten und weiteren Sinnzusammenhängen. Schillers Texte dieser Zeit sind durchdrungen von Allegorien, deren Deutungsmuster nachfolgend dargestellt werden sollen, um so neue differenziertere Perspektiven auf Schillers Frühwerk zu ermöglichen.
Stratege
(2016)
Strategen sind Zukunftsautoritäten von besonderer Ausprägung. Ihr Zukunftswissen ist entschieden 'hierarchisch', insofern es sich auf die Leitung und Führung einer mehr oder weniger großen Gruppe anderer Menschen richtet, und es ist entschieden 'agonal', insofern es sich auf die Übervorteilung eines Gegners richtet. Beide Charakteristika stehen in einer notwendigen Wechselbeziehung miteinander: Die vom Strategen geleitete Menschengruppe wird mit dem Ziel geführt, eine gegnerische Gruppe zu besiegen, die ihrerseits zu demselben Ziel ebenfalls von einem Strategen angeleitet wird. In dieser Zielhaftigkeit liegt die wesentliche Zukünftigkeit strategischen Planens und Handelns; der Stratege will also immer Teleologe sein. Sein Ziel ist aber prinzipiell doppelt: einerseits das anvisierte 'target' einer konkreten strategischen Operation, andererseits der Erfolg, auf den diese Operation – oder die Summe mehrerer Operationen – letztlich hinführen soll. Die doppelte Zukünftigkeit des eher kurzfristigen Vorausplanens und der eher langfristigen Zielvorgabe stellt ein Kernproblem fast jeder Strategie dar.
Menschliches Leben vollzieht sich notwendigerweise mit Hilfe des Gebrauchs von Dingen. Versteht man unter Dingen - in bewusster Umgehung aller definitorischen und philosophischen Abgrenzungsprobleme - alle natürlichen und artifiziellen Entitäten, die unbelebt, sprachlos und mobil sind, dann kann man insgesamt vier Bereiche von Dingen identifizieren, die für menschliche Handlungen zentral sind: 1. der Bereich des Körpers (hierher gehören die Unterbereiche von Wohnen, Kleiden, Essen und Sport mit Dingen wie Möbeln, Essgeschirr und etwa Schlägern und Bällen), 2. Kommunikation und Verkehr (hierher gehören neben Autos, Telefonen und Büchern auch Spiele, Musikinstrumente, Bilder und Kunst), 3. Krieg (Waffen) und 4. schließlich die Arbeit (mit der ganzen Fülle von Instrumenten und Werkzeugen). Selbstverständlich gibt es Mischformen, Steine etwa können zum Wohnen gehören, wenn aus ihnen die Wände der Häuser gebaut werden, zum Krieg, wenn eine Steinschleuder zum Einsatz kommt, oder zur Arbeit, wenn Mauern oder Pyramiden gebaut werden oder einfach alle Werkzeuge aus Stein sind, wie in der Steinzeit.
Rezension zu Rostislav Danilevskij: Schiller in der russischen Literatur. 18. Jahrhundert - erste Hälfte 19. Jahrhundert. Dresden (Dresden University Press) 1998 (= Schriften zur Kultur der Slaven. Neue Folge der MAISK-Schriften. Hg. von Hans Rothe; Bd. 1 (20)). 365 Seiten.
Rostislav Danilevskij vom Institut für Russische Literatur der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg unternimmt mit der hier vorgelegten Studie eine Auslotung des russischen "Schiller-Bildes", worunter der gesamte Komplex literarischer und ideengeschichtlicher Vorstellungen zu verstehen ist, die für russische Leser mit diesem Namen verknüpft sind.
"Wenn man die Meisterstücke des Shakespeare, mit einigen bescheidenen Veränderungen, unsern Deutschen übersetzt hätte, ich weiß gewiß, es würde von bessern Folgen gewesen sein, als daß man sie mit dem Corneille und Racine so bekannt gemacht hat." (Briefe, die neuere Literatur betreffend, Lessing 1967,616) Mit diesen Worten formuliert Lessing eine Kritik an der französischen klassischen Tragödie, die für die Herausbildung der deutschen Nationalliteratur von kaum zu unterschätzender Bedeutung gewesen ist. Sie hat dazu beigetragen, daß die Vorbildfunktion der französischen Tragödie im ausgehenden 18. Jahrhundert durch das Naturgenie Shakespeare und dessen melancholischen Helden Hamlet abgelöst wird.
Bei oberflächlicher Betrachtung scheinen Schiller und Beuys Kunsttheorien zu vertreten, die einander polar entgegengesetzt sind. Schiller vertritt den traditionellen Begriff von der Autonomie der Kunst in der modernen Zeit, während Beuys als Zerstörer des traditionellen Kunstbegriffs gilt. Aber wenn man sich ihre Schriften genauer ansieht, stellt man bemerkenswerte Gemeinsamkeiten zwischen beiden fest. Es läßt sich eine Traditionslinie von Schillers Denken und künstlerischem Schaffen bis zu Beuys, von der Aufklärung bis zum gegenwärtigen Zeitalter nachweisen. Schiller und Beuys glichen sich auch als Persönlichkeiten. Beide waren Künstler und Denker zugleich, beide hatten ihren Ausgangspunkt in der naturwissenschaftlichen Forschung, beide haben sich für die Beziehungen zwischen Kunst und Gesellschaft interessiert und die Aufgabe des Künstlers in der Gesellschaft immer wieder reflektiert.
Ich werde im Folgenden zunächst (1.) die Konstellation des Zukunftswissens der späten 1790er Jahre an den miteinander sowohl korrespondierenden als auch kontrastierenden Positionsbestimmungen Immanuel Kants und Johann Gottfried Herders zur Erkennbarkeit und Darstellbarkeit der Zukunft erläutern. Diese Problematik werde ich dann (2.) anhand von Friedrich Schillers Wallenstein-Trilogie (1798/99) diskutieren. Hier spielt Zukünftigkeit auf verschiedenen Ebenen eine zentrale Rolle – als strategisches Planungswissen, als divinatorische Zeichendeutung, aber auch im Einsatz von Vorausdeutungen als dramaturgisches Mittel –, so dass sich Schillers Drama auf exemplarische Weise futurologisch lesen lässt.
Beethoven's Ninth in Bailey Hall the other evening, April 20, ending in an instant standing ovation by a clearly enchanted audience, was an unforgettable experience. And, like all such truly extraordinary events that are marked not only by artistic merit, but draw their power from the circumstances surrounding their creation or performance, it recalled others and enhanced their significance. I was reminded of a stellar performance on Christmas Day of 1989, only weeks after the unexpected fall of the Berlin Wall on November 9, that haunting date in German history. Few people believed it would ever happen. But now, suddenly, reunification in justice and freedom, as the truncated old national anthem phrases it, was within reach.