CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Die Schlagworte "Balkanisierung" und "Zweites Beirut" stehen für auch untereinander austauschbare (Kriegs-)Schauplätze, die sich wie Jugoslawien und Libanon als Konglomerate von vielfältig definierten Zugehörigkeiten lesen lassen und die ihre Fortsetzung in mittlerweile intensiven und nicht selten künstlerischen Versuchen, die fragmentierten Kulturen zu konsolidieren, gefunden hat. Der vorliegende Band geht an Beispielen aus Literatur, Film, performativen Künsten und Musik gegenwärtigen (post-)jugoslawischen und libanesischen Zugehörigkeitsschreibungen und deren gleichzeitiger Infragestellung nach. Dabei richtet sich das Augenmerk ebenso auf neu und wieder entdeckte gemeinsame Bezugsgrößen wie das Osmanische Reich und den Kommunismus wie auch auf geteilte Möglichkeiten der Intervention, die über topographische, politische bis hin zu performativen Einsprüchen reichen.
Von 1945 bis etwa 1960 entwickelte sich in Jugoslawien eine extrem dynamische mediale Landschaft, die dem politisch -ideologischen Kurs zwischen Ost und West entsprach. So wurden in schneller Abfolge mehrere Konzepte eines 'dritten Weges', später sogar einer 'dritten Welt', entworfen, um das Land sowohl vom Osten als auch vom Westen abzugrenzen und in seiner Eigenständigkeit zu behaupten. Innerhalb dieser 15 Jahre folgte Jugoslawien zuerst der sowjetischen Doktrin des sozialistischen Realismus ehe es sich nach dem Vorbild des russischen Konstruktivismus als eine Quasi- oder Neo-Avantgarde des Marxismus entwarf und sich schließlich zu einem Neo-Primitivismus bekannte, der Geschichte und Folklore des Landes am besten zu entsprechen schien. Dabei wurden unterschiedliche künstlerische Konzepte synkretistisch ins Erscheinungsbild des 'neuen' Jugoslawiens integriert und ihm angepasst.
Der Beitrag 'Katastrophe als Metapher' von Chrsitoph Willmitzer beleuchtet das lyrische Werk Ewald Christian von Kleists unter dem Gesichtspunkt der metaphorischen Ausgestaltung von Affekten im Rahmen von literarischen Darstellungen von Naturkatastrophen und Kriegen. Willmitzer geht damit dezidiert auf den frühneuzeitlichen Kontext ein, der in Bezug auf das Katastrophale noch nicht von den Deutungs- und Diskursivierungsmustern geprägt ist, die nach dem Erdbeben von Lissabon 1755 dominant werden.
Katastrophen
(2012)
Tagungsbericht zum 2. Interdisziplinären Symposium des Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS), Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 4. bis 6. Mai 2011.
Katastrophen erscheinen im Lichte der Berichterstattung über das Erdbeben, den Tsunami und den Reaktorunfall in Japan allgegenwärtig zu sein. Tatsächlich wird jede (aufgeklärte) Gesellschaft durch den Zusammenbruch der Ordnung in Form verheerender Unglücke bedroht, die nicht mehr durch eine transzendente Instanz erklärt und aufgefangen werden können. Allerdings können solche Ereignisse gleichzeitig als Motor fur Entwicklung und Fortschritt fungieren. Diese ambivalente Bedeutung des Begriffs sowie der akuten "Katastrophe" war Thema des 2. Interdisziplinären Symposiums des 'Freiburg Institute for Advanced Studies' (FRIAS) im Mai 2011.
Eines der größten Probleme, das sich im Umgang mit und in der Betrachtung von Katastrophen ergibt, ist die Tatsache, dass man auf sie im Grunde nur 'ex post' oder in mehr oder weniger genau berechenbaren Wahrscheinlichkeiten zugreifen kann. Trotz umfangreicher Untersuchungen zu den psychologischen, emotionalen und sozialen Auswirkungen von Katastrophen bleibt der akute Katastrophenfall unverfügbar. Fiktionale Darstellungen können hier Funktionen erfüllen, die weit über den ohne Frage unterhaltenden Charakter der Darstellung oder einen erzieherisch-informativen Effekt hinausgehen. Die Katastrophenfiktionen fallen dabei ebenso vielgestaltig aus wie die Textformen, die sie zum Gegenstand ihrer Darstellung machen: ob es nun literarische Texte oder Filme sind, ob Roman, Gedicht oder Hollywood- Blockbuster: gerade in fiktionalen Verhandlungen des Katastrophalen fällt auf, dass katastrophische Ereignisse nicht per se solche sind, sondern zunächst diskursiv als solche bezeichnet werden müssen. Ganz gleich, ob sich Fiktionen nun auf tatsächliche Katastrophen oder auf imaginierte Ereignisse beziehen, ermöglichen sie dennoch immer eine Reflexion der epistemologischen Bedingungen des verstehenden Zugriffs auf den Ausnahmezustand und die Konfrontation mit dem 'Realen'. Viele der hier versammelten Beiträge zeigen die Bandbreite der fiktionalen Inszenierungen von Katastrophen und untersuchen ihr Potential, die hier skizzierten Problemfelder zu reflektieren. Andere Beiträge beschäftigen sich gezielt mit solchen Texten, die nicht automatisch zu den fiktionalen Gattungen gezählt werden können, aber wiederum einen diskurskritischen Blick auf die Art und Weise lenken, wie das Katastrophale und das Reale gedacht und interpretiert werden – eine solche Reflexion kann in philosophischen sowie kultur- und medientheoretischen Texten, aber auch in essayistischen Berichten oder Textexperimenten zu tatsächlichen Katastrophen geschehen.
Die Reflexion über das Komische hat in den deutschsprachigen Kulturwissenschaften vor allem seit der Jahrtausendwende Konjunktur. Wohl angestoßen durch die seit 1988 erscheinende Zeitschrift 'Humor – International Journal of Humor Research' (Berlin, New York), das Teilprojekt 'Transformationen von Wissen und Gewissheit in den Lachkulturen der Frühen Neuzeit' des DFG-Sonderforschungsbereichs 447: 'Kulturen des Performativen' (2001–2010), die 'Kasseler Komik-Kolloquien' (seit 2000) und die damit zusammenhängende Schriftenreihe 'Kulturen des Komischen' (seit 2003),4 erschien eine kaum überschaubare Fülle von Studien und Beiträgen (auch mit mitunter kaum fassbaren Ansätzen). In dem Maße, wie sich diese Konjunktur nun abzuschwächen beginnt, bietet sich die Gelegenheit der Bilanz, Systematisierung und Revision – übrigens auch der mehr als zweitausendjährigen Geschichte der Ästhetik, Moral- und Geschmacksgeschichte des Komischen. Denn auch diese gleicht einem Babylon aus Begriffen und Systemen.
Die literaturwissenschaftliche Germanistik in der Slowakei ist eine relativ junge Disziplin. Ihre Entfaltung ist seit einigen Jahrzehnten an mehreren germanistischen Zentren sowohl an Universitäten als auch im Rahmen der Slowakischen Akademie der Wissenschaften zu registrieren. Dieses qualitative Anwachsen vor und nach der Wende ist mit einigen Namen verknüpft. Der vorliegende Beitrag setzt sich zum Ziel, einige Aspekte der germanistischen Komparatistik nach 1990 zu beleucht
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Eine der primären Aufgaben nicht nur der Komparatistik, sondern der Literaturwissenschaft im Allgemeinen sollte es sein, Literatur als ein globales Phänomen zu erfassen und zu beschreiben. Manifestiert sich der globale Charakter von Literatur auch am augenscheinlichsten im Rahmen einer Poetik der imitatio in motivischer, thematischer und gattungsgeschichtlicher Hinsicht, so besteht er dennoch auch dann, wenn bestimmte Techniken eine internationale Präsenz besitzen. Dies gilt beispielsweise für die Konkrete Poesie, deren Funktion als einer der Katalysatoren der Globalität von Literatur im Folgenden erläutert wird.
Konkrete Poesie ist per se ein internationales Phänomen, oder wie Eugen Gomringer es formuliert hat: „die konkrete poesie […] ist einer der konsequentesten versuche, poesie inter- und übernational zu begründen.“ Zunächst müssen wir – im Sinne wissenschaftlicher Eindeutigkeit – zwischen einem engeren und einem weiteren Begriff der Konkreten Poesie unterscheiden. Die Konkrete Poesie im engeren Sinne meint eine seit den 1970er Jahren historisch gewordene Dichtung. Ihre ‘Geburtsstunde’ lässt sich zu Recht als „transatlantic baptism“ , nämlich durch Eugen Gomringer und Décio Pignatari in der Hochschule für Gestaltung im Jahre 1955 in Ulm, bezeichnen. In den frühen 1950er Jahren sowohl in Deutschland als auch Brasilien entstanden, findet sie Aufnahme in fast allen europäischen Ländern, Nordamerika und Japan. Im Folgenden soll der Begriff der Konkreten Poesie jedoch nicht in diesem unnötig eingeschränkten historischen Sinn gebraucht werden, sondern in einem sehr viel umfassenderen Sinn: Er ist all jenen Gedichten vorbehalten, in denen eine Transpa-renz des Zeichengebrauchs nicht gegeben ist, sondern stattdessen die Materialität der jeweils eingesetzten Zeichen im Vordergrund steht, wie dies auf ähnliche Weise schon im Futurismus und Dadaismus betrieben wurde, bevor der Surrealismus diesen Experimenten ein jähes Ende bereitet hat. Gilt dies auch für die Bereiche der Lautdichtung, der Gedichtobjekte u. ä., so beschränken sich die folgenden Ausführungen auf den visuellen Bereich, und zwar auf visuelle Konkrete Poesie nach 1945, zumal in der Dichtung aus dieser Zeit eine starke Tendenz zu konkretistischen Verfahrensweisen herrscht.