CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Tagungsbericht: Internationale und interdisziplinäre Fachtagung der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien und des Lehrstuhls für Komparatistik an der Ruhr-Universität Bochum, Universität Wien, 12. bis 14. Dezember 2012
Welches literaturgeschichtliche Wissen auf welche Weise in Visualisierungen hineinkodiert ist, war die zentrale Fragestellung der internationalen und interdisziplinären Fachtagung 'Literaturgeschichte und Bildmedien', die vom 12. bis zum 14. Dezember 2012 in der Alten Kapelle auf dem Universitätscampus in Wien stattfand.
Ridley Scott's "Blade Runner" ist eine lose Adaption von Philip K. Dicks Roman "Do Androids Dream of Electric Sheep?". Der Science-Fiction-Film spielt in der Stadt Los Angeles im Jahr 2019, obwohl in der Buchvorlage San Francisco Ort des Geschehens ist. Bereits seine einleitenden Szenen geben einen Vorgeschmack auf den folgenden Streifen und die Rolle der Metropole darin. In diesen wird eine düstere urbane Landschaft gezeigt, die von flackernden Schornsteinen und dem künstlichen Licht zahlreicher Fenster nur marginal erleuchtet wird. Der so entstehende, bedrohliche Eindruck wird durch die Klänge des Vangelis-Soundtracks, die stets patrouillierenden Polizeiflieger und die dominierenden Pyramiden der Tyrell Corporation zusätzlich unterstrichen. Es verwundert deshalb wenig, dass dieses Set von der Filmcrew "Hades" genannt wurde.
Die bedrückende Atmosphäre der Startsequenz wird in den engen Häuserschluchten der Stadt weiter betont. Dort drängen sich Menschen unterschiedlichster Herkunft auf engstem Raum. Dies lässt auf eine starke Überbevölkerung schließsen, obwohl die oberen Gesellschaftsschichten sich größtenteils von der Erde zurückgezogen haben.
In Außerweltkolonien lassen sie Replikanten für sich arbeiten. Diese Androide werden von der Tyrell Corporation hergestellt. Weil die neuesten Modelle ihren Machern körperlich und intellektuell überlegen sind, wird ihnen zum Schutz der Menschheit eine maximale Lebensdauer von vier Jahren einprogrammiert. Zudem ist es Replikanten verboten, auf die Erde zurückzukehren. Diejenigen, die es trotzdem tun, werden von speziellen Kopfgeldjägern, sogenannten Blade Runnern, gejagt und "in den Ruhestand versetzt", also getötet. Im Film spielt Harrison Ford einen solchen Detektiven. Als Rick Deckard jagt er eine Gruppe von Replikanten, welche auf die Erde gekommen ist, um mehr Leben von ihrem Schöpfer einzufordern.
Im Folgenden wird untersucht, wie die Stadt Los Angeles im Film dargestellt wird. Dabei wird auch abgeklärt, warum die jeweiligen Darstellungsformen von den Filmschaffenden gewählt wurden und die Handlung des Films ausgerechnet nach Los Angeles verlegt worden ist. Zudem werden ausserdiegetische Entwicklungen, welche durch den Film und die darin dominierenden urbanen Bilder angesprochen und kritisiert werden, erörtert. Hierfür wird auch auf mögliche Vorbilder eingegangen, die auf die Gestaltung der Stadt in Ridley Scotts "Blade Runner" eingewirkt haben.
Dieser Arbeit liegt der im Jahr 2007 veröffentlichte "Final Cut" des Films zu Grunde. Dieser ist die bislang letzte Fassung von "Blade Runner" und somit wohl auch diejenige, welche den persönlichen Vorstellungen des Regisseurs am meisten entspricht. Wenn es für diese Untersuchung relevant ist, wird aber dennoch auf frühere Versionen verwiesen.
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist meine Dissertation mit dem Thema "Porträt – Ikone - Kunst. Methodische Studien zum Porträt in der Kunstliteratur. Zu einer Bildtheorie der Kunst", aus deren Breite ich mich für das Bildparadigma Kunst auf Francis Bacon (mit einem Ausblick auf Alberto Giacometti) beschränke. Das Porträt, in dem Sinne, wie es die Neuzeit versteht, mit all den Implikationen an Authentizität und Ähnlichkeit und unmittelbarer Wiedergabe einer gesehenen Wirklichkeit, hat es in der europäischen Bilderkultur nicht immer gegeben. Auch vorneuzeitliche Bilder, wie eben die Ikone, hatten als besonders wichtige, ihnen übertragene Aufgabe die Vergegenwärtigung einer bestimmten Person, ohne dass man sie deshalb als Bildnisse oder Porträts bezeichnen kann. Sie werden auf diese Vergegenwärtigung sehr wohl verpflichtet, also zu garantieren, dass die gemeinte Person in ihnen wirklich getroffen ist, aber durch signifikant andere bildliche Strategien als dies bei Porträts beschrieben werden kann. Das war für mich der Grund von unterschiedlichen „Bildparadigmen“, dem der Ikone und dem des Kunstwerks zu sprechen. Bilder zu machen und zu betrachten dürfen wir wohl als Grundkonstante menschlicher Kultur seit ihren allerersten Anfängen ansehen. Wie aber Bilder hergestellt und verstanden werden ist bildhistorisch zu beschreiben, das heißt es gibt Perioden der kulturellen Geltung und Dominanz eines Bildverständnisses und Zeiten des Umbruchs und des Wechsels im Verständnis, der Entstehung, der Betrachtung und des Sprechens über Bilder.
Gesichter sind in der modernen Gesellschaft zwiespältig geworden: Einerseits ist von einer "facialen Gesellschaft" die Rede, entsprechend der Leitfunktion, welche Gesichter als Vorbilder in der Medienkultur einnehmen, ob nun bei Stars, Politikern, Sportlern, Promis - Berufsgruppen für die face lifting selbstverständlich zur Vorbildfunktion mit Nachahmungseffekten hinzugehört. Fernsehformate wie Casting- Shows beruhen auch darauf, dass Gesichter zur Nachahmung vorgegeben werden. Selbstverständlich sind diese Gesichter nie natürlich oder wahrhaft, wie dies die Anthropologie seit dem 18. Jahrhundert behauptet hatte, sondern künstlich und verstellt. Aber der Topos des natürlichen Ausdrucks wird gleichwohl aufrecht erhalten und rhetorisch angewendet. Die biopolitische Diskursmacht führt dazu, dass trotz der maskenhaften Verstellung der Mediengesichter der empathisch-emotive Effekt eintritt. Es handelt sich um eine bemerkenswerte Leistung von Medienkultur, Indikator einer anthropologischen Macht der Medien. Michael Taussig spricht unter Berufung auf Benjamin vom mimetischen Vermögen, das durch Medien zustande kommt und Fremdheit durch Nachahmung minimiert, entsprechend dem antirassistischen Leitmotiv von Kafkas "Wunsch, Indianer zu werden". Insbesondere Gefühle wie Liebe oder Angst werden dabei im Gesichtsausdruck der Medienbilder präsentiert und unter Zuhilfenahme der anthropologischen Topik einer Entsprechung des Äußeren im Inneren vom Zuschauer mimetisch hervorgebracht oder ihm zur Nachahmung angeboten.
In dem fast schon nietzscheanisch anmutenden Gestus der Umwertung aller Werte bzw. der kaiserschnittlichen Geburt neuer Erkenntnisse aus dem Geiste der Wende revidiert die polnische Geschichtsschreibung nach 1989 die bisher geltenden, ideologisch offenbarten Wahrheiten. Ihre politisch dekretierte, jahrzehntelang dauernde weltanschauliche Monolithizität bekommt infolgedessen immer mehr Sprünge und Risse, an deren Erweiterung und Vertiefung nun emsig gearbeitet wird. Das Movens hinter diesen "reformatorischen" Aktivitäten, die nun die noch vor Kurzem in Forschung und Lehre allgemein verbindlichen Geschichtsinterpretationen dementieren und auf den Müllhaufen der Geschichte befördern, sorgt coram publico für nicht selten heftig ausgefochtene, medien- und publikumswirksame Debatten.
Ein Teil der Historikerzunft entaxiomatisiertdie bisherigen geschichtshermeneutischen Dogmen im Akt expiatorischer Selbstgeißelung, die ihn – trotz früherer freiwilliger Involvierung in die ideologisch tendenziöse wahrheitsverzerrende Faktendeutung – in den Genuss eines "Persilscheins" für die demokratische Zeit kommen helfen soll. Das von den einen nur vorgespielte, von den anderen aber tatsächlich tief empfundene Schuldbewusstsein angesichts ihrer Servilität gegenüber dem volksdemokratischen Ancien Régime lässt sie allesamt in das Lager der exaltierten Huldigung des magisch-mythisch gefärbten polnischen Patriotismus migrieren, der sich, das konstituierende thanateische Element von der englischen Hochromantik (Byron, Keats, Shelley) übernehmend, schon seit ca. zwei Jahrhunderten kaum aus dem Identitätsgründungswiderspruch zwischen der hegelianischen Apotheose des Staates, mit dem insbesondere in der Teilungszeit von 1795-1918 die Nation gleichgesetzt worden ist, und der herderschen Volksseele, deren Konkretisierung als Volkskultur das Fundament zur Bildung der Nation lege, befreien kann.
Die Kernfrage ist die nach der Gültigkeit von Universalien in den Geisteswissenschaften. Während naturwissenschaftliche Gattungsbegriffe (Forschungsirrtümer beiseitegelassen) nominale Setzungen sind, gibt es in den Kulturwissenschaften strenggenommen soviele Genera wie Einzelexemplare. Faktisch baut sich in Gestalt unserer Sachwörterbücher und abstrakt in einem imaginären Gesamt-Lexikon der Literaturwissenschaft die Hierarchie der idealen Zusammenführungen auf, aus regionalen und nationalen Traditionen. Hinzu treten Transfer-Traditionen und natürlich die mächtigen einzelnen Stifter oder Gestalter von Gattungen, an denen die historischen Teile der Definitionen nicht mehr vorbeikommen. So oder so, historisch-kulturelle Begriffe sind multiplen Verschiebungen unterworfen. Daher ist ebenso klar, dass Sachwörterbücher immer nur einen Moment abbilden können. Die Ungenauigkeit, die der Wissenschaftler bedauert, wird also "nur" historiographisch oder "fotografisch" aufgefangen. Damit ist freilich nicht beschlossen, dass Genauigkeit a) nicht doch wünschbar und b) wenn vielleicht in toto unerreichbar, nicht doch steigerbar sei. Wo liegen also die Optimierungsmöglichkeiten für die literarische Formterminologie auf interkultureller Ebene?
Gesichter spielen eine herausragende Rolle in Rosemarie Trockels Kunst, wobei deren Unsichtbarkeit genau so pointiert Bedeutung anzeigen kann wie die Erscheinung von Gesichtsmerkmalen. Ihr Werk reflektiert oftmals die Bedingungen, unter denen Subjektivität entstehen kann. Solche Reflektionen ergeben sich über den Bezug zur Geschichte der bildenden Künste, zur Literatur und zur Psychoanalyse. Ich sehe Effekte dieses künstlerischen Ansatzes nicht alleine in den Werken, in welchen Trockel sich explizit mit Kunstgeschichte und literarischen Texten sowie psychoanalytischen Theorien auseinandersetzt, sondern auch dort, wo dies offenkundig nicht geplant oder bewusst geschieht – vielleicht sogar gerade hier. Im Folgenden konzentriere ich mich auf ein paar Werke Trockels, in denen, wie ich meine, die scheinbare An- oder Abwesenheit von Gesichtszügen entscheidend ist für die durch die Werke aufgeworfenen Fragen der Subjektivität und Sexualität, insgesamt deren Präsentation als Kunstwerk.
Am Schluss seiner 1917 gehaltenen Rede Wissenschaft als Beruf warnt Max Weber vor überzogenen Erwartungen an die zahllosen zeitgenössischen Erlösungslehren [...]. Webers Text kann man als Urszene eines prophetischen Diskurses in der Weimarer Zeit lesen. [...] Im Folgenden sollen weniger die systematischen Zusammenhänge als die spezifischen Sprachgesten dieses Denkens rekonstruiert werden, indem (1) am Beispiel von Max Webers religionssoziologischen Schriften gezeigt wird, wie die biblische Prophetie am Anfang des 20. Jahrhunderts verstanden wurde, bevor (2) noch einmal der Rekurs auf die Prophetie in Webers Wertlehre untersucht wird. Im Anschluss soll an zwei Reaktionen auf Weber gezeigt werden, wie dieser prophetische Diskurs weiterwirkte: Karl Barths theologische Rhetorik (3) radikalisiert die Rhetorik der Kritik und der Unterscheidung von wahrer und falscher Mitteilung bis zur Paradoxie; Walter Benjamins Überlegungen zu Kritik und Übersetzung (4) bedienen sich ebenfalls radikaler Unterscheidungen und problematisieren zugleich den eigenen Standpunkt.
Im Folgenden soll das Potential eines interdisziplinären narratologischen Theorietransfers an autobiographischen Holocausterzählungen unter Verwendung von Konzepten aus psychologisch orientierten Theorien erprobt werden: der Begriff der Positionierung aus der psychologischen Konversationsanalyse (discoursive psychology) und das Konzept der Glaubwürdigkeitsmerkmale aus der Gerichtspsychologie. Mit diesen Ansätzen sollen zwei charakteristische Merkmale autobiographischen Schreibens beschrieben werden, nämlich seine Zeitstruktur und sein Faktualitätsanspruch.
Tagungsbericht: Unter dem Titel 'National - postnational - transnational? Neuere Perspektiven auf die deutschsprachige Gegenwartsliteratur aus Mittel- und Osteuropa' fand vom 10. bis 13. Mai 2012 in Ústí nad Labem eine internationale Tagung statt, die von Renata Cornejo vom Lehrstuhl für Germanistik an der dortigen Jan Evangelista Purkynĕ-Universität in Zusammenarbeit mit Sławomir Piontek von der Adam Mickiewicz-Universität in Poznań (Polen) und Sandra Vlasta von der Universität Wien (Österreich) veranstaltet wurde. In zahlreichen Vorträgen wurde das Werk von AutorInnen, die aus unterschiedlichen Gründen zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrem Leben in den deutschsprachigen Raum eingewandert sind und die Deutsch, obwohl nicht ihre Erstsprache, als ihre Literatursprache gewählt haben, untersucht. Der Schwerpunkt lag dabei auf AutorInnen aus Mittel- und Osteuropa, die zur Entwicklung der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur der letzten Jahrzehnte mit wichtigen Impulsen beigetragen haben.