CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Schriftsteller im Spagat : zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur von Autoren polnischer Herkunft
(2012)
Im Beitrag wird das Schaffen von drei Autoren polnischer Herkunft – Artur Becker, Dariusz Muszer und Leszek Oświęcimski – skizzenhaft präsentiert, die in den späten 1980er Jahren nach Deutschland migrierten. In ihren Romanen und Erzählungen thematisieren sie die Unmöglichkeit der Rückkehr (Becker), die Erfahrung totaler Fremdheit (Muszer) und Dekonstruktion der nationalen Stereotype (Oświęcimski). Der geschärfte Blick auf das Fremde und das Eigene aus der Perspektive der Migranten im (mentalen, kulturellen, künstlerischen) Spagat zwischen Polen und Deutschland sowie ihre erzählerischen Strategien bilden den Gegenstand des Beitrags.
Seit einigen Jahren setzt die Filmwirtschaft wieder verstärkt darauf, das breite Publikum mit der Adaption von literarischen Texten in die Kinosäle zu locken. Das Interesse erstreckt sich sowohl auf Klassiker als auch auf Werke der Gegenwartsliteratur: Thomas Manns 'Buddenbrooks', Heinrich Manns 'Henri IV', Theodor Fontanes 'Effi Briest', Martin Walsers 'Ein fliehendes Pferd', Patrick Süskinds 'Das Parfum' und Bernhard Schlinks 'Der Vorleser' wurden innerhalb weniger Jahre auf die Leinwand gebracht. Die Liste lässt sich mit populären Titeln vor allem der jüngeren Literatur fortsetzen, etwa Thomas Brussigs 'Am kürzeren Ende der Sonnenallee', Judith Hermanns Erzählband 'Nichts als Gespenster' (vielleicht die gelungenste der hier genannten 'Literaturverfilmungen', Benjamin Leberts 'Crazy', Sven Regeners 'Herr Lehmann', Frank Goosens 'Liegen lernen' und Martin Suters Romane 'Small World' und 'Lila Lila'. Dieses neu erstarkte Interesse an der Literatur mag auch eine Reaktion auf den florierenden Diskurs über den angeblichen oder tatsächlichen deutschen Bildungsnotstand sein: Wenn die Schule als Bildungsinstitution versagt, muss die Unterhaltungsindustrie versuchen, die klaffenden Löcher zu stopfen, das Heer der Leseunwilligen via Bild mit einem gewissen Maß an Kanonischem zu versorgen. Ich konzentriere mich hier auf zwei 'Literaturverfilmungen', deren Macher offenbar auf eine in zahlreichen Ratgebern und Fachpublikationen zur filmischen Dramaturgie propagierte - aber auch kritisch diskutierte - 'Rezeptur' gesetzt haben, um die Chancen auf einen kommerziellen Erfolg zu erhöhen.
Das goldene Zeitalter der Hyperfiktion mit ihrer Multilinearität sei vorbei - verkündete im Jahre 2001 ausgerechnet Robert Coover, der doch zehn Jahre zuvor die Geburt der Hyperfiktion in seinem eindrucksvollen Artikel 'The End of Books' (The New York Times, 21. Juni 1992) begrüßt hatte. Der um den Jahrtausendwechsel spürbare Boom zahlreicher deutschsprachiger Mitschreibprojekte im Netz unter Schlagwörtern wie 'verknüpftes Schreiben', 'soziale Interaktivität' und 'kollektives Gedächtnis' scheint ebenfalls nur einige Jahre überdauert zu haben. Was ist von den einmal so hoch gelobten digitalen Literaturen noch geblieben? Für jemand, der trotz vieler Enttäuschungen und Misserfolge den elektronischen Raum als literarisch kreatives Medium noch nicht aufgegeben hat, könnte diesmal digitale Poesie ein neuer Hoffnungsträger sein. Digitale Poesie hat sich ungeachtet des Abstiegs anderer Formen mittlerweile als florierender Zweig erwiesen. Digitale Poesie akzentuiert nicht mehr die Initiative des Lesers durch mehrere 'Wahlmöglichkeiten', sondern konzentriert sich darauf, dem Leser den aktuellsten Stand der hypermedialen Ästhetik und Technik auf einem breiten experimentellen Feld zu vermitteln. Abgesehen von dem meist genannten Grund, dass man auf dem elektronischen Bildschirm offenbar immer noch - zumindest über einige Generationen hinweg - lieber Poesie als Prosa rezipiert, verdankt sich dieser Überlebensantrieb der digitalen Poesie einer weiteren literarhistorischen, oder besser: kunstgeschichtlichen Folie. Im Vergleich zu anderen Formen hat die digitale Poesie von Beginn an mit ihrer Anschlussfähigkeit an die literarischen Experimente in der Poetik Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Während die neuen Gattungen der Hypertexte sich eher auf eine völlig neuartige Ästhetik beziehen wollten, hat die digitale Poesie einen anderen Weg beschritten, nämlich den, sich als Erbe der avantgardistischen Moderne zu bezeichnen.
Sozialgeschichte des Theaters - das soll im folgenden bedeuten: eine Geschichte der Berührungen der Institution und des Mediums Theater mit "Gesellschaft". Diese Formel lenkt den Blick auf zwei Sachverhalte, nämlich zum ersten auf die Gruppe(n) derjenigen, die Theater rezipieren, also auf bestimmte Gesellschaftsausschnitte, aus denen sich gewissermaßen Publikum konstituiert, zum zweiten auf die Reflexion sozialer Konstellationen und Prozesse im Rahmen des künstlerischen Produkts "Theater", etwa auf der Ebene der behandelten Themen und Stoffe. Beide Sachverhalte sind nicht zu trennen von der grundsätzlichen Frage nach der gesellschaftlichen Funktion von Theater. [...] Nähert man sich Wien und seinem Theater über Konzepte wie Identität oder Image, so erhebt sich die Frage, wie sich dieses "Wien" eigentlich fassen lässt. Wien als räumliches und soziales Gebilde besaß und besitzt eine überaus komplexe Struktur. [...] Um sich diesen Sachverhalten immerhin anzunähern und Wien als einen in einzigartiger Weise geordneten Raum des sozialen Miteinanders, des Wohnens, des Arbeitens und des Vergnügens zu erschließen, bietet sich das Modell einer kulturellen Topographie an. [...] Mit den Begriffen Identität und Topographie sind jene beiden Kategorien benannt, an denen sich die folgenden Ausführungen zum Wiener Theater vornehmlich orientieren. Diese Zugangsweise erhebt ebenso wenig Anspruch auf Objektivität wie die Auswahl der Aspekte der Wiener Theatergeschichte, die aus der vorgegebenen, drei Jahrhunderte umfassenden Zeitspanne herausgegriffen und diskutiert werden. Einige hauptsächliche Prämissen der Darstellung seien gleichwohl benannt: Erstens wird im Sinne einer integralen Theatergeschichtsschreibung die dem Miteinander und Gegeneinander der Disziplinen (Sprech-)Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft nach wie vor zugrunde liegende, vom historischen Theateralltag aber nicht gedeckte Trennung von Sprechtheater und musikalischem Theater aufgegeben, fallweise auch die Trennung von institutionalisiertem Theater und semitheatralen Formen. Zweitens werden - entsprechend der im vorliegenden Kontext erforderlichen Entprivilegierung (hoch-)kultureller Erscheinungen - populäre, auf ein breites Publikum zielende Genres besondere Berücksichtigung finden, Genres, die übrigens fast durchwegs dem musikalischen Theater angehören. Drittens wird es im Hinblick auf die Berührung zwischen der Gesellschaft bzw. ihren Teilen und dem Theater vorrangig um Zugänge und um Zugänglichkeiten gehen: das Stichwort "Zugänge" bezieht sich auf Räume für Theater, und zwar auf Räume der Stadt, die dem Theater erschlossen werden, und auf die eigentlichen Theatergebäude / Institutionen als Orte des Aufeinandertreffens von Theaterspiel und Zuschauer; mit "Zugänglichkeiten" sind jene Bereiche der Theatergesetzgebung (inklusive herrschaftlicher Einzelentscheidungen) gemeint, die gleichsam die Rezeption von Theater steuern, wie etwa das Konzessions- und Privilegienwesen und die Zensur.
Die Dramen Anton Tschechows werden heute auf allen Bühnen der Welt aufgeführt. Tschechows Präsenz stellt nicht nur alle anderen russischen Dramatiker in den Schatten, er übertrifft an Einfluss und Wirkung viele westliche Dramatiker, die noch vor wenigen Jahrzehnten unsere Bühnen beherrschten. Nicht nur im deutschen, englischen, französischen, tschechischen oder polnischen Theater haben die Dramen sich durchgesetzt, auch außerhalb Europas, z.B. in China und Japan, lassen sich 'Die Möwe', 'Onkel Wanya', 'Drei Schwestern' und 'Der Kirschgarten' nicht mehr aus dem Repertoire fortdenken. Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben mehrere Generationen von Regisseuren versucht, sich die Ausdruckssprache dieser Dramen anzueignen, und ein großes Spektrum an sehr verschiedenartigen Interpretationen erarbeitet. Eine Richtung der Inszenierungen betont die Nähe zum Realismus oder Naturalismus, eine andere zum Symbolismus, ein dritte zur Groteske oder zum absurden Theater, wieder andere versuchen sich in einer radikalen Aktualisierung im Sinn von Postmoderne oder Popkultur. Nicht von ungefähr fällt eine besonders intensive Phase der Auseinandersetzung in die zweite Hälfte und mehr noch in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts, eine Epoche, in der das Vertrauen auf technischen Fortschritt und unbegrenztes Wachstum der Sorge um den Erhalt der natürlichen Grundlagen der menschlichen Zivilisation gewichen ist. Die Präsenz auf nahezu allen Bühnen der Welt, die Vielfalt der Deutungen und deren Nähe zu den drängenden Fragen der Gegenwart ist die erste, sichtbarste Schicht von Tschechows Welttheater.
Es fällt auf, dass eine ganze Reihe von Bekehrungsgeschichten in der frühen koranischen Rezeptionsgeschichte die Dichter und ausgewiesen rhetorisch Versierte zu Protagonisten haben. Kaum eindringlicher konnte die überlegene "Höherentwicklung" des Koran gegenüber der bloßen Poesie vorgeführt werden als durch die plötzliche, widerstandslose conversio derjenigen, auf deren Leistung sich die völkische Gemeinschaft der Araber begründete und denen man, da sie die Kunstsprache der Poesie ('arabīya) in Vollendung beherrschten, gewaltige magische Kräfte zurechnete.
Macht man sich diese aus Perspektive des christlichen Abendlandes überaus erstaunliche ästhethische Qualität und klangbasierte Wirkmacht des islamischen Offenbarungsmediums deutlich, tritt die Differenz zum Wesen der christlichen Offenbarung und zu ihren Basisbegründungen für Wahrheit und Wahrhaftigkeit erst so recht deutlich hervor. Und es stellt sich sehr schnell die für die christliche Verkündung sich nicht unmittelbar aufdrängende Frage nach ihrem Verhältnis zur poetisch-ästhetischen Rede und überhaupt nach dem Zusammenhang zwischen ihrem medialen und sakralen Status.
Im Jahre 1548 erschien in Frankfurt am Main eine Schrift, die den merkwürdig modern anmutenden Titel „Psychopharmakon hoc est: medicina animae“ trug. Doch dieses, von einem Hadamarer Geistlichen herausgegebene, Werkchen illustriert[…] lediglich im Nach hinein einen Einbruch des Realen in die reinen Ordnungen des Wortes. Natürlich enthält es noch »nur« eine Sammlung von Gebeten und Trostsprüchen und keine chemischen Rezepte, doch sein Titel schlägt historisch eine Brücke von der vormaligen Macht der Geistlichkeit zu der Mach t, die in eben diesem Namen Psychopharmakon der Psychiatrie einmal zugekommen sein wird. Die heilsame institutionelle Macht, die Wörter über Seelen haben können und sollen, verwandelt sich mit der Geschichte eines griechischen Wortes in eine Macht, die auch eben jene organischen Zentren und Werkzeuge biochemisch affiziert, die Wörter allererst ausdenken und -sprechen; dass dies historisch in Gang gesetzt wird durch ein Psycholytikum, eine Droge, die dem Medikamentierten seine Seele lösen soll wie die Segensformel des Beichtigers einst die Zunge des reuigen Sünders, dies ist in der Tat eine Verschiebung im Feld eines Wissens vom Mensch en, die Macht und Mächte in diesem umstrittenen Geviert zwischen Geist und Seele, Physis und Logos historisch präzise umreißt.
In diesem Zusammenhang scheint vielleicht eine kurze Geschichte der Auffassungen von Sprache als Gegenstand von Psychiatrie und Neurologie von Philippe Pinel bis zu Sigmund Freud zunächst einen Seitenweg beschreiten zu wollen; doch wird sich im Verlauf meiner Ausführungen zeigen, dass weder die Entstehung der modernen Sprachwissenschaft oder Linguistik, noch die Abenteuer einer modernen Ästhetik sich davon unbeeinflusst darstellen lassen.
Die Stiftung Weimarer Klassik (SWK) wurde als Nachfolgerin der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar (NFG) in zwei Schritten errichtet: 1991 durch Erlass des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft und Kultur als "unselbständige", 1994 durch Gesetz als "rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts". Schon im ersten Dokument sind die "Bewahrung und Erhaltung", "Erschließung und Erforschung" sowie "Vermittlung und Verbreitung" der überlieferten Traditionsbestände als Aufgaben dieser Institution festgeschrieben. Und im 'Thüringer Gesetz über die Errichtung der Stiftung Weimarer Klassik' vom 8. Juli 1994 ist als Stiftungszweck formuliert, "die Stätten und Sammlungen der klassischen deutschen Literatur in Thüringen in ihrer Einheit zu erhalten, zu bewahren und zu ergänzen, sie in geeigneter Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Erschließung, Erforschung sowie die Präsentation, Vermittlung und Verbreitung dieses kulturellen Erbes zu fördern." Demnach sind "Bewahrung und Erhaltung", "Erschließung und Erforschung" und "Vermittlung und Verbreitung" als untrennbare Einheit zu begreifen. Doch dürfte genauso klar sein, dass die bewahrenden und erschließenden Funktionen prioritär zu verwirklichen sind, denn ohne die vollständige Erfüllung dieser vorrangigen Aspekte des Stiftungszweckes könnte sich die Institution den weiteren wissenschaftlichen und kulturellen Pflichten überhaupt nicht erfolgreich zuwenden. Daher hat sich das vordringliche Interesse der SWK darauf zu richten, die überlieferten Bestände einerseits in ihrer materiellen Substanz (Bauwerke, Bücher, Handschriften, Kunstsammlungen etc.) zu bewahren und zu sichern und andererseits zu erschließen. Nur bei unbedingter Beachtung dieser Voraussetzung ist es möglich, die kulturellen Traditionen durch Ausstellungen, Tagungen und künstlerische Inszenierungen in ihrer gegenwärtigen geistigen und ästhetischen Bedeutsamkeit zu vermitteln, mit welcher Konzeption und in welchen Proportionen dies auch immer sein mag. Es ist also zu klären, inwieweit die einzelnen Elemente des Stiftungszweckes in den ersten Jahren nach Errichtung der SWK zur Geltung kamen, welche kurzfristigen, vor allem aber langfristigen Schwerpunkte sie setzte und durchsetzte.
Ich möchte kurz voranstellen, dass ich als Umweltwissenschaftlerin ausgebildet bin, in der Epidemiologie promoviert und mich daraufhin der Wissensgeschichte und -soziologie und insbesondere den Science & Technology Studies zugewandt habe. Mein Interesse an den alltäglichen Praktiken der Wissensbildung und technischen Formalisierungsprozessen in der Ernährungsepidemiologie ist zum einen inspiriert durch den practice turn und den material turn in der Wissenschaftsforschung, zum andern aber auch durch meine eigene Forschungserfahrung in der Epidemiologie. Im Hinblick auf Epigenetik und Ernährung als Medium der Übertragung frage ich nach so banalen Dingen wie: "Wie werden Äpfel in Experimenten formalisiert?", um einigen konkreten Arbeitsweisen der Postgenomik innerhalb des Feldes Nahrung - Ernährung - Stoffwechsel nachzugehen. Im Sinne der bereits erwähnten Unterscheidung zwischen intra- und intergenerationaler Bedeutung des Begriffs Epigenetik von Testa und Boniolo geht es in den folgenden Beispielen primär um intragenerationale Epigenetik. Allerdings gibt es auch in der Ernährungsepidemiologie durchaus Forschung zu inter- oder transgenerationalen Effekten, hier werden oft die Langzeitstudien genannt, in denen die Folgen des niederländischen Hungerwinters 1944, während der deutschen Besatzung, als die Wehrmacht die Versorgungswege der Bevölkerung blockierte, über mehrere Generationen untersucht wurden (vgl. auch den Beitrag von Guy Vergères).
[D]ieser Veranstaltungstyp [wurde] 1996 etabliert […] und die komparatistisch angelegte Konferenz der Abteilung 2012 [wird] nunmehr zum 17. Mal in Folge ausgerichtet […]. Über den Kreis der 15 Referenten hinaus war sie mit etwa 120 aktiv mitdiskutierenden Teilnehmern gut besucht. Thematisch orientiert sich die Konferenz jeweils an einem Semesterkurs, den die Studierenden der am Department angebotenen Master‐Studiengänge (Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch) durchlaufen.