CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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2018 ist Georgien Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Zum ersten Mal nach der Wende wird die georgische Literatur damit prominent in einer fremden Sprache präsentiert. Gerade die Literaturen kleiner Nationen sind auf internationale Anerkennung dieser Art besonders angewiesen. Doch gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen Literaturen 'kleiner' und 'großer Nationen'? Diese Frage ist im Spannungsfeld zweier Konzepte zu diskutieren, die mit dem der Nationalliteratur als lange dominierendem Ordnungsprinzip literarischer Texte konkurrieren: kleine Literatur und Weltliteratur.
Betrachtet man die Lesebiographien vieler Schüler:innen und Studierender, so fällt auf, dass diese meistens von weißen, deutschen, männlichen Autoren geprägt sind bzw. ausschließlich aus diesen bestehen. Dies widerspricht jedoch ganz klar der Vielfalt und Diversität der Literaturlandschaft. Angeregt durch das Seminar "Was lesen? Kanonfragen an Universität und Schule" bei Frau PD Dr. Wernli im Wintersemester 2021/22 habe ich mir als Lehramtsstudent und angehender Deutschlehrer folgende Frage gestellt: Inwieweit wird diese ungerechte Geschlechterdifferenz und Unterrepräsentanz von Autorinnen institutionell von unserem Lehrplan Deutsch gefördert und wie verankert ist diese Differenz in unseren Lehrplänen?
Die Tagung rief dazu auf, die Verbindlichkeit von Versprechen als allgemeines Phänomen zu untersuchen, also zu ergründen, inwiefern man unabhängig von ihrer Ausgestaltung in konkreten Rechtsordnungen oder anderen Normensystemen von einer "vor-rechtlichen" Verbindlichkeit sprechen kann. Literarische Texte aller Zeiten bis hin zu den Mythen bezeugen die Bindung an das Wort als Urerfahrung, die von jeder gesellschaftlichen Konvention unabhängig erscheint. Ebenso kennen sie aber Verrat und offenen oder verdeckten Wortbruch, deren Folgen sie thematisieren. Strukturelle Verwandtschaften einerseits und gegenseitige Beeinflussung andererseits der literarischen und der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Versprechen sollten untersucht werden.
Transkulturalität, Transnationalität, Transgender, Transspecies – Innerhalb des letzten Jahrzehnts erleben die politischen und wissenschaftlichen Debatten um Theorien, die sich dem Präfix 'trans'‹ (lat. 'jenseits, über, über – hin') verpflichtet sehen, eine bemerkenswerte Konjunktur. Grundlegend verbindet sich mit diesen Konzepten die Vorstellung eines übergreifenden und umfassenden Diskurses, der für durchlässige Konturen plädiert. Analytisch ermöglichen die Theorien des 'trans' die konzeptuelle Erfassung von Phänomenen, die sich in einem Prozess des Werdens befinden und aus entgegengesetzten Strukturen, Logiken, Dynamiken und Funktionsweisen bestehen. 'Trans' verweist folglich nicht auf geschlossene Identitätsvorstellungen, sondern enthält fluide Grenzverläufe. Die damit verbundenen subversiven Vorstellungen finden sowohl verstärkt Gehör in gesamtgesellschaftlichen Kontexten als auch innerhalb wissenschaftlicher Disziplinen, die sich abseits einer Fortschreibung kanonischer Inhalte neu konzipieren. Doch trotz ihres vielversprechenden kritischen Potentials sehen sich Konzepte der kulturellen und territorialen Grenzüberschreitung zunehmend einer negativen Beurteilung ausgesetzt. Die Vermutung liegt nahe, dass 'trans' gesellschaftliche Ausschlussmechanismen in Form eines immanenten Kulturrassismus begünstigt, politisch-ökonomische Machtinteressen neuer und alter Eliten repräsentiert, den ethno- und eurozentrischen Blick nicht abstreifen kann und eine neoliberale Wirtschaftspolitik fördert. Diese Sichtweise will der vorliegende Band zum Ausgangspunkt nehmen, um nach der Leistungsfähigkeit, aber auch nach den Grenzen der Überschreitung in Konzepten des 'trans' zu fragen. An welchen normativen Grenzen zerbrechen Trans_Konzepte und in welchen Bereichen spielen sie eine Rolle? Erfüllen sie ihre subversive Bestimmung oder verkommen sie zu einem elitären Projekt und einem Leitbild globalisierter Gesellschaften? Und wo dienen sie wiederum als Räume für neue Wege der Interaktion? Der Fokus bei der Auseinandersetzung mit Trans_Konzepten liegt dabei sowohl auf der konzeptuellen Verfassung von diesen selbst, als auch auf den Wechselbeziehungen mit konservativen Kultur- und Identitätsmodellen im öffentlichen Raum.
Mein Vortrag befasst sich mit Uwe Timms Roman Halbschatten (2008), eines der zahlreichen literarischen Werke, die vor allem die seit 1989 aufgekommene Tendenz der deutschsprachigen Autoren nachweisen, sich erneut, aber intensiver und in einer anderen, besonderen Art und Weise mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen. Mehrere gegenwärtige Literaturhistoriker und -kritiker versichern uns, dass mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung eine „Wende des Erinnerns“ (Beßlich et al. 2006, 7) in den deutschen literarischen Geschichtskonstruktionen eingetreten ist. In der Tat werfen die Autoren der sogenannten Berliner Republik oftmals neue, verstörende, ja geradezu irritierende Blicke auf die unangenehmsten Erfahrungen und Ereignisse der deutschen Vergangenheit. In der deutschsprachigen Geschichtsfiktion der Postmoderne, die sich mit der NS-Diktatur und dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt, wird nicht mehr ausschließlich die Perspektive der Opfer und Außenseiter dargestellt, sondern es werden zunehmend auch (oder hauptsächlich) Mitläufer und Täter in den Vordergrund gestellt und beleuchtet. Uwe Timm ist einer der Autoren der mittleren Generation, der sich in den letzten Jahren bereits mehrmals der NS-Vergangenheit zugewendet hat, und zwar in geschichtsfiktionalen Erzähltexten, die zum Teil mit seiner eigenen Lebensgeschichte verwebt sind – man denke an die Novelle Die Entdeckung der Currywurst (1993), aber v.a. an die aufsehenerregende Doppelbiographie Am Beispiel meines Bruders (2003). Timm legte neulich in den Frankfurter Poetikvorlesungen, die unter dem Titel Von Anfang und Ende. Über die Lesbarkeit der Welt herausgegeben wurden, sein Verständnis des historischen Romans als „eine literarische Konstruktion von einem geschichtlichen Ereignis“ dar [...].
This paper compares Friedrich Dürrenmatt's drama script titled Besuch der alten Dame (The Visit, 1956) with the screenplay of the same name by Susanne Beck and Thomas Eifler (2008) with regard to emotionality in language. Due to the fact that the paper cannot focus on all aspects of emotionality, just one significant phenomenon will be addressed, namely certain features found in Dürrenmatt's text which are mostly lost in the screenplay and vice versa. The main focus is on the grotesque and absurdity on the one hand, and the text's closeness to reality and sentimentality on the other. The differences are illustrated using extracts from two selected scenes - the so-called Konradsweilerwald scene and the final scene. From the viewpoint of methodology, the linguistic text analysis of emotions will be used. Within the analysis, expression of emotions, description of emotions and evocation of emotions will be distinguished.
'Heilige Texte' werden in der Forschung derzeit höchst kontrovers diskutiert. Eine Theorie des heiligen Textes ist dabei allerdings bislang weder seitens der Religions- noch der Literaturwissenschaften entwickelt worden. Dieser symptomatischen Leerstelle begegnen die hier versammelten Beiträge, indem sie Lektüren, Praktiken und Adaptionen 'heiliger Texte' untersuchen, aus denen eine Theorie des heiligen Textes in der Moderne entwickelt werden kann. Sie betrachten die Verbindungen zwischen theologischen und literarischen Texten aus so unterschiedlichen Perspektiven wie Religionswissenschaft, Theologie, Literatur-, Kultur- und Kunstwissenschaften.
Ausgehend von der Verschränkung der aktuellen Diskurse von Spatial Turn und Emotional Turn wird in dem Beitrag der Frage nachgegangen, inwiefern der Begriff 'Heimat' als Raum des sozialen und symbolischen Handelns des Menschen bzw. dessen Emotionen in den Werken deutschsprachiger Gegenwartsautor(inn)en tschechischer Herkunft konstruiert wird. Während im Roman Die Fassade (Libuše Moníková) der Heimat eine symbolische Funktion eines externen Gedächtnisses zugesprochen wird, rückt in dem Roman Georgs Sorgen um die Vergangenheit… (Jan Faktor) die räumliche Komponente in den Vordergrund. Die Hauptfigur in Novemberfäden (Katja Fusek) konstruiert dagegen ihren Heimatbegriff aus der eigenen emotionsbeladenen Erinnerung heraus, wobei dessen Revision eine notwendige Voraussetzung für die eigene Identitätsbildung auf Grund der Konfrontation von 'Fiktion' und 'Realität' darstellt.
Den wissenschaftlichen Historismus seit Leopold von Ranke und den ästhetischen Historismus des klassischen historischen Romans seit Walter Scott, der bis heute etwa im Wenderoman von Uwe Tellkamp seine Fortsetzung findet, scheint eher ein Verwandtschafts- als ein Transformationsverhältnis zu verbinden. Etablierte sich der historische Roman gerade dadurch als Gattung, dass er an der Geschichtswissenschaft und ihrem Wahrheitskriterium Maß nehmend Ebenbürtigkeit reklamierte, relativiert die postmoderne Historiografieforschung umgekehrt den Gültigkeitsanspruch der wissenschaftlich ermittelten Sinnhaftigkeit der Geschichte als Produkt narrativer Verfahren ihrer Darstellung. Die Transformation der Geschichtswissenschaft in den historischen Roman, so die These dieses Aufsatzes, betrifft weniger die Erzählverfahren als vielmehr die Sinndeutung: Die abstrakten Sinnzusammenhänge, die die Wissenschaft konstruiert, übersetzt der Roman zurück in konkreten Sinn, der der Geschichte die Aura von Subjektgemäßheit und Zustimmungswürdigkeit verleiht.
Houllebecqs Science-Fiction : "Unterwerfung" und "Die zweite Invasion der Marsianer" der Strugatzkis
(2018)
Am 6. Juni 2018 wurde die deutsche Fernsehverfilmung von Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" in der ARD gesendet. Auf die Erstausstrahlung folgte eine Gesprächsrunde zum Thema "Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?" An der Programmzusammenstellung wird das Missverständnis deutlich, das sich in der öffentlichen Diskussion von "Unterwerfung" etabliert hat. Dieses Missverständnis besteht darin, die "Islamdebatte" als Thema des Romans zu begreifen und deshalb dessen Szenario zum Gegenstand einer politischen Debatte zu machen. [...] "Unterwerfung" (2015) ist kein Roman über die Auseinandersetzung mit dem Fremden, sondern über das Verhältnis zur eigenen Geschichte. Der exemplarische Fall materialisierter Geschichte ist in "Unterwerfung" die Literatur. Dass der Protagonist und Erzähler François ein Literaturwissenschaftler ist, der sich vorwiegend mit Texten von Joris-Karl Huysmans befasst, ist dem Roman dabei Mittel zum Zweck, die Literatur thematisch ins Zentrum zu rücken. [...] Der neuere literaturgeschichtliche Hintergrund für Houellebecqs Arbeit ist die Science-Fiction. Und tatsächlich lässt sich "Unterwerfung" als Hypertext eines Science-Fiction-Romans lesen. Dieser trägt im Deutschen den Titel "Die zweite Invasion der Marsianer", wurde von Arkadi und Boris Strugatzki erstmals im Jahr 1967 auf Russisch veröffentlicht und liegt in einer trashigen französischen Taschenbuchausgabe von 1983 als "La seconde invasion des Martiens" in der Reihe "Science-fiction soviétique" vor.
Im vorliegenden Aufsatz geht es um die Frage, inwiefern sich Kategorien postkolonialer Theoriebildung und der Ansatz einer Universalisierung der Holocausterinnerung auf die deutsch-jüdische Gegenwartsliteratur übertragen lassen und welche Probleme mit diesem Theorietransfer und einem Verlust historischer Spezifizierung vor dem Hintergrund der deutsch-jüdischen Geschichte verbunden sind. In einem zweiten Schritt steht die Selbstpositionierung deutsch-jüdischer Autoren im Verhältnis zur Transkulturalität im Vordergrund. Skizziert werden die Position von Vladimir Vertlib, die er in seinen Chamisso-Poetikvorlesungen entfaltet, sowie die literarischen Ansätze von Maxim Biller und Doron Rabinovici.
Tagungsbericht zum Symposion des Interdisziplinären Arbeitskreises Jüdische Studien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 15.-17. November 2000
'Identität und Gedächtnis in der jüdischen Literatur nach 1945' - so lautete der Titel eines Symposions, für das der Interdisziplinäre Arbeitskreis Jüdische Studien unter der Leitung von Prof. Dieter Lamping (Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft) im November letzten Jahres aus Anlaß seines fünfjährigen Bestehens Wissenschaftler aus dem In- und Ausland in Mainz versammelt hatte. Naturgemäß ist es nach wie vor die Auseinandersetzung mit dem Holocaust, die im Zentrum einer solchen Veranstaltung steht. Je nach Generationszugehörigkeit und persönlicher Erfahrung der behandelten Autoren aber auf jeweils andere Weise.
Suchen Sie auch den Schlüssel zum besseren Verständnis von Mythologie, Kunst und Literatur? Dann sollten Sie das Weltbild des Impurismus studieren. Es wird Ihnen die Augen öffnen für bislang hermetische Zusammenhänge, und Sie werden erkennen, was der Chorus mysticus (Faust II Ende) meint, wenn er sagt: "Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichnis." Erde und Himmel, alles Materielle und alle Geistgebilde, der Kosmos und alle Lebewesen --- ein Gleichnis wofür? Wenn Sie die Antwort finden, werden Sie verstehen, warum die Wissenden unsere Kulturszene dominieren. Sie brauchen keine Forschungsnische zu suchen, wenn Sie das weite Feld des Impurismus mit Literatur- und Sprachwissenschaft beackern; denn "Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts" (Hamann: Aestetica in nuce).
Ist die Literatur, als Abweichung oder als Erfüllung der Ausdrucksfunktion der Sprache verstanden, eine Diskursform, die dem Bereich der Wahrheit zugänglich ist, oder aber verhindert sie jeden systematischen Zugang zur Wahrheit? Und was ist überhaupt damit gewonnen, wenn Literatur und Wahrheit in einen Zusammenhang zueinander gesetzt werden? Diese Fragen mit einer neuen Dringlichkeit versehen zu haben, die über den Gegensatz von analytischer Philosophie und Dekonstruktion hinausreicht, ist das Verdienst der Arbeiten von Stanley Cavell. Im Folgenden geht es darum, die Frage nach der Wahrheit in der Literatur noch einmal anhand der Auseinandersetzung mit Cavells Schriften stellen, um die Reichweite wie die Grenzen des philosophischen Diskurses über die Literatur zu bestimmen. [...] Was für Cavell in grundsätzlicher Weise in Frage steht, ist zum einen das Wissen, das die Philosophie von der Welt haben kann und zum anderen das Wissen, was Philosophie und Literatur in ihrer gemeinsamen und doch unterschiedlichen Auseinandersetzung mit dem Skeptizismus voneinander haben können. In dem Maße, in dem er nach den Möglichkeiten einer Überwindung des Skeptizismus sucht, erkennt Cavell zunächst spezifische Formen des Nichtwissens an, die er im Kontext philosophischer wie literarischer Texte gleichermaßen thematisiert. Eine besondere Stellung nimmt in diesem Zusammenhang der wiederholte Rückgriff auf Shakespeare ein, der in "Der Anspruch der Vernunft" in einer Lektüre des "Othello" kulminiert, die anhand der Analyse der Tragödie als Ausdruck von und Antwort an den Skeptizismus das Problem von Wissen und Nichtwissen zu fassen erlaubt. Insofern bietet es sich an, Cavells Überlegungen zum Zusammenhang von Tragödie und Skeptizismus einer kritischen Lektüre zu unterziehen, die im Rahmen seiner eigenen Fragestellung noch einmal nach dem grundsätzlichen Verhältnis von Literatur und philosophischer Wahrheitsfindung fragt.
Die Zuspitzung der Problemkonstellation Virtuosentum versus Kunst im
Vormärz läßt sich plausibilisieren an Balzacs Roman "Les Illusions perdues". Hier wird nämlich die kunstkritische Kontroverse um Virtuosentum und Künstlertum und gleichzeitig das produktionsästhetische, narratologische Problem Feuilletonismus und Kunst zusammen- und enggeführt.
Handschuhe sind Bindungswesen. Sie sind zunächst einmal genuin dual, denn sie kommen immer im Paar. Da ein einzelner Handschuh aber viel leichter verloren geht als etwa ein einzelner Schuh, ist die Welt trotzdem voll von einsamen Handschuhen, besonders im Winter. Sie liegen auf Bürgersteigen, Parkbänken oder in Treppenhäusern und geben ein trauriges Bild ab. Der eine ist nichts ohne den anderen. Vielmehr: Er ist zu nichts nutze.
Inszenierungen von Fremdheit
(2001)
Tagungsbericht zum Internationalen Symposium vom 25.-27. Februar 2000 in Kyoto
Das internationale Symposium 'Inszenierungen von Fremdheit', das vom Deutschen Institut für Japanstudien, der Japanischen Gesellschaft für Deutschstudien und dem Goethe-Institut Kansai in Kyoto gemeinsam veranstaltet wurde, führte vom 25.-27. Februar 2000 in Kyoto sowohl Literatur- als auch Kulturwissenschaftler, Japanologen und Anthropologen aus Deutschland, Japan, Hawaii, Korea und der Schweiz zusammen. Den verschiedenen Vorträgen lagen aus den jeweiligen fachspezifischen Perspektiven nicht nur unterschiedliche Inszenierungsbegriffe zugrunde, sondern auch eine je eigene semantische Bestimmung des Begriffs "Fremdheit".
Interkulturelle Literatur
(2008)
Eine Lösung zum umstrittenen 'Bezeichnungswirrwarr', mit dem die Literaturwissenschaft die interkulturelle Literatur zu erfassen trachtet(e), scheint es noch nicht zu geben. Das anfänglich kaum beachtete, mit der Zeit jedoch an die Öffentlichkeit tretende Phänomen der interkulturellen Literatur entstand in den siebziger Jahren in den Kreisen der ausländischen Arbeitskräfte, die in den Jahren des deutschen ökonomischen Booms angeworben wurden. "Gastarbeiterliteratur", "Literatur der Betroffenheit", "Migrantenliteratur", "Migrationsliteratur" und "Auslainderliteratur" stellen einige Beispiele der Benennungsversuche dieser Literatur dar, die sich nicht eindeutig mit der Kategorie der Nationalliteratur erfassen läßt. Obwohl diese Begriffe sich als problematisch erweisen, scheint ihre Existenz in der literaturwissenschaftlichen Diskussion so hartnackig verwurzelt zu sein, daß neue Versuche, dieser Literatur begrifflich gerecht zu werden, immer noch ins Leere laufen. An dieser Stelle sei ein Blick auf einige dieser Ansätze geworfen.
Der folgende Beitrag widmet sich einem blinden Fleck in vielen Theorien literarischer Erfahrung - nämlich nichtprofessionellen Leser*innen - und versucht zu zeigen, dass diese Blindheit nicht in der Ignoranz der Literaturwissenschaft, sondern in erkenntnistheoretischen und methodischen Problemen begründet ist, die wiederum mit dem Objektivitätsideal geisteswissenschaftlicher Forschung zusammenhängen, das die Auswahl der als untersuchbar angesehenen Gegenstände und die bei der Untersuchung angewandten Methoden determiniert.
Der Beitrag widmet sich der Figurenanalyse als Bestandteil der Texterschließung im intersektional ausgerichteten Deutschunterricht und konzipiert ein konkretes methodisches Analyseverfahren, das intersektionale Fragestellungen bei der Figurenanalyse zu erarbeiten und darzustellen vermag. Über eine erste literaturdidaktische Fundierung der Figurenanalyse als Texterschließungsverfahren werden Anknüpfungspunkte zum Intersektionalitätsparadigma aufgezeigt Der Beitrag versteht sich als Vorschlag für eine mögliche kulturtheoretische Fundierung der Figurenanalyse durch das Intersektionalitätsparadigma, welches mit dem Kollektivansatz von Klaus P. Hansen und dessen Fortführung durch Jürgen Bolten zum fuzzy culture-Ansatz in Bezug gesetzt wird. Aus dieser theoretischen Verbindung wird ein konkretes Instrumentarium zur intersektional orientierten Figurenanalyse in literaturdidaktischen Settings entwickelt, das sich durch eine strukturierte visuelle Aufarbeitung intersektionaler Fragestellungen in Bezug auf literarische Figuren auszeichnet. Die folgenden Ausführungen bieten zunächst einen kurzen Überblick über die literarische Figur allgemein und ihre Merkmale sowie die Bedeutung der Figurenanalyse im Deutschunterricht, bevor letztere unter intersektionalen Gesichtspunkten beleuchtet und in ein konkretes Analyseinstrumentarium überführt wird. Dieses wird abschließend an Eleonora Hummels Roman "Die Fische von Berlin" beispielhaft erprobt.
Intersektionalität hält als Forschungsgegenstand, als Schauplatz theoretischer Diskussion und als Analyseperspektive seit Jahren verstärkt Einzug in unterschiedliche akademische Disziplinen und Bereiche. Es verwundert daher nicht, dass sich das Intersektionalitätsparadigma auch im Bereich der Literaturwissenschaft und -didaktiken zunehmend als produktiv erweist, wie wir mit dem Sammelband zeigen wollen, der intersektionale literaturwissenschaftliche und -didaktische Fallstudien aus unterschiedlichen Philologien versammelt und so ein Prisma der Erforschung literarischer Repräsentationen des Zusammenspiels von einander verschärfenden bzw. abschwächenden Diskriminierungskategorien bietet. Inwiefern die Einzelbeiträge kritische Reflexionen verschiedener Positionen der Intersektionalitätsforschung präsentieren und Beispiele für die vielfältige Ausgestaltung intersektional orientierter Textanalyse auf theoretischer und methodischer Ebene anbieten sowie didaktische Lesarten des Intersektionalitätsparadigmas aufzeigen, machen wir aufbauend auf einer ausführlichen Begriffs- und Theoriereflexion einleitend deutlich.
Der vorliegende Band versammelt intersektionale literaturwissenschaftliche und -didaktische Fallstudien aus unterschiedlichen Philologien und bietet so ein Prisma der Erforschung literarischer Repräsentationen des Zusammenspiels von einander verschärfenden bzw. abschwächenden Diskriminierungskategorien. Die Einzelbeiträge präsentieren kritische Reflexionen und Modifizierungen verschiedener Positionen der intersektionalen Forschung sowie Beispiele für die vielfältige Ausgestaltung intersektional orientierter Textanalyse auf theoretischer und methodischer Ebene. Da wissenschaftliche und literarische ebenso wie zeitgenössische und historische Texte in verschiedenen Sprachen (Englisch, Deutsch, Italienisch, Niederländisch, Spanisch etc.) aufgegriffen werden, zeigt der Band auf, dass Machtstrukturen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten Analogien aufweisen, deren Analyse von Differenzierungen verschiedener Herrschaftsstrukturen profitiert.
Die historische Übersetzungsforschung ist eine Disziplin, die sich noch ziemlich in den Anfängen befindet. Es fehlen wichtige Dinge sowohl hinsichtlich der bibliographischen Aufarbeitung (wenngleich die Bibliographie von Hans Fromm aus den 1950er Jahren hier immer noch gute Dienste leistet), besonders aber hinsichtlich der Personen der Übersetzer, über die häufig gar nichts bekannt ist. Zu vielen sehr unbedeutenden und gar nicht gelesenen Schriftstellern der Zeit liegen mehr Informationen vor als zu Übersetzern, die eine ganze Fülle von Werken vor ein deutsches Massenpublikum gebracht haben. Dabei kann man aus der Untersuchung von historischen Übersetzungen eine Menge lernen. Nicht nur, was die praktische Übersetzungsarbeit angeht, sondern vor allem in Blick auf unsere eigene Kultur- und Literaturgeschichte. "Wir leben in einer Übersetzungskultur - und sind uns dessen kaum bewusst" - heißt der (apodiktische) erste Satz, mit dem im jüngsten Heft der Zeitschrift "Sprache im Technischen Zeitalter" ein Themenspektrum eröffnet wurde, das "Bausteine einer Übersetzungskultur" versammelt. Wenn es also darum geht, die "Kulturtechnik des Übersetzens […] zu beschreiben, die Fundamente einer Übersetzungskultur freizulegen", dann ist sogleich auch festzuhalten: "Eine Übersetzungskultur kommt nicht aus ohne die Beschreibung ihrer historischen Prägungen." Einem solchen Baustein zu einer Geschichte der Übersetzungen in die deutsche Sprache und der Auswirkungen auf die deutsche Literatur widmet sich der vorliegende Band, der aus einer kleinen Düsseldorfer Tagung im November 2007 hervorgegangen ist und nach einer einleitenden Erkundung zum Übersetzen im Vormärz dann einerseits Übersetzer, andererseits übersetzte Autoren als Fallbeispiele vorstellt.
Jesus als Märtyrer
(2011)
Zu definieren, was einen Märtyrer ausmacht, ist für das Altertum ebenso wichtig wie für die Moderne. Was meinen wir mit dem Begriff 'Märtyrer', wenn wir Jesus von Nazareth so nennen? Liegt dabei der Schwerpunkt auf dem historischen Jesus und den Motiven für seinen gewaltsamen Tod, den er erwartet haben mag? Oder sollten nicht eher die frühen Textteile des Neuen Testaments, die die Reaktionen der Anhänger Jesu auf dessen gewaltsamen Tod und seine Rechtfertigung schildern, den Ausgangspunkt für unsere Analyse bilden? Natürlich verfügen wir im Falle Jesu über keine Internetquellen, kein Videomaterial, keine Interviews mit dem Märtyrer vor seiner Tat. Wir haben nur kanonische und apokryphe Texte. Deshalb beginne ich bei meiner Diskussion über Jesus als Märtyrer mit einer Definition des Martyriums, die sich auf die zweite oben angeführte Möglichkeit stützt. Sie fußt auf antiken jüdischen und christlichen Texten, von denen allgemein angenommen wird, dass ihre Rezipienten sie als Beschreibungen des Lebens und Leidens von Märtyrern verstanden; die Berichte, die solches erinnern sind schriftlich festgehalten (Abschnitt 1). Danach kehre ich zur ersten Definitionsmöglichkeit zurück und konzentriere mich kurz auf die Person des historischen Jesus, um mit Hilfe der antiken jüdischen und christlichen Märtyrerberichte herauszufinden, was wir möglicherweise über Jesu eigene Sicht auf seinen nahen Tod als den eines Märtyrers wissen können (Abschnitt 2). Im letzten Abschnitt widme ich mich den Passionsberichten des Neuen Testaments. In der Forschung wurden diese Narrative häufig mit den Erzählungen der antiken Märtyrer verglichen, diese wurden sogar als Modell herangezogen, um den Ursprung des Passionsberichts zu rekonstruieren. Sei dieser Ansatz plausibel oder nicht, auf jeden Fall spiegeln die Passionsberichte auf faszinierende Art und Weise die dialogische Gegenüberstellung von Märtyrer und Gegner wider, die so oft das Herzstück der Prozess- und Folterszenen antiker jüdischer und christlicher Märtyrererzählungen darstellt. So gibt es offensichtlich gute Gründe, diese beiden Textgruppen zu vergleichen (Abschnitt 3).
Die Lektüre des Essays "Sichtbar" von Sasha Marianna Salzmann machte mich darauf aufmerksam, dass jedes Prinzip der Kanonisierung, egal wie inklusiv gedacht, nie ohne einen - vielleicht auch unbeabsichtigten - Ausschluss geschehen kann. [...] Als ich dann gebeten wurde, die Frage von 'Behinderung' im Literaturkanon zu skizzieren, tauchte eben jenes Problem - Ausschluss durch Festlegung - wieder auf. Entstanden ist ein Panorama, das mich an die Grenzen dessen, was landläufig Literaturwissenschaft genannt wird, gebracht hat. Fangen wir aber auf der anderen Seite an: Um zu verstehen, was mit Behinderung als Teilaspekt eines diversen Literaturkanons gemeint sein kann, müssen wir wissen, was wir von der Literatur überhaupt wissen wollen.
Die Berücksichtigung in Literaturgeschichten gilt als notwendige Bedingung, dass Au-tor*inn*en postum Aufmerksamkeit zuteilwerden kann. Gesellschaftliche Prozesse der Kanonisierung werden von Literaturgeschichten nicht nur beobachtet und dargestellt, vielmehr wirken diese selbst als einflussreiche Kanoninstanz. Bislang wurden Aussagen über "Kanon und Kanonisierung als Problem der Literaturgeschichtsschreibung" meist nur durch Hypothesenbildung oder anhand von Fallbeispielen gemacht. Eine breite empirische Untersuchung literaturgeschichtlicher Kanonisierungsprozesse steht aus.
1896, kurz nach dem Tod Paul Verlaines, veröffentlicht der tschechische Künstler Karel Hlaváček seinen Gedichtband 'Pozdě k ránu' ('Spät, gegen Morgen'). Hlaváček wirkt im Kreis Arnošt Procházkas und Jiři Karásek ze Lvovices, Begründer und Herausgeber der Literaturzeitschrift 'Moderní Revue', die mit ihrer dezidiert europäischen Ausrichtung ein Gegengewicht zum nationalistisch-patriotischen Literaturbetrieb in Prag um 1900 bildet. Durch seine Verbindungen zum eher national konservativ orientierten Sokol ist das Verhältnis zu Arnošt Procházka zeitweilig angespannt, wenngleich die Missstimmung weniger konträren politischen Überzeugungen der beiden Männer als den divergierenden Attitüden von 'Moderní Revue' und Sokol geschuldet ist. Seit der Gründung der Zeitschrift 1894 entwirft der junge Hlaváček mehrere Cover für die 'Revue' und ist vorrangig an der Illustration des Blattes beteiligt. Das Oeuvre des mit 23 Jahren früh an Tuberkulose verstorbenen Tschechen ist überschaubar: neben Literaturkritiken und kürzeren Essays und den genannten Gedichtbänden sind 'Mstíva kantiléna' ('Die Rache der Kantilene') und die posthum veröffentlichen 'Žalmy' ('Psalme') seine einzigen Werke. In 'Pozdě k ránu' findet sich das Prosagedicht 'Subtilnost smutku', das nicht nur in einzigartiger Weise eine Auseinandersetzung der in Westeuropa beliebten Topoi und Schreibverfahren der Décadence darstellt, sondern darüber hinaus als kritischer Kommentar zum intellektuellen Milieu im Prag des ausgehenden 19. Jahrhunderts betrachtet werden kann. Der Wahnsinn fungiert in diesem Text im gleichen Maße als komplexe Metapher wie als strukturierendes Leitmotiv und stellt einen Knotenpunkt der verschiedenen Disziplinen, in denen der Begriff "Décadence" im Fin de siècle ungeheure Popularität erlangt, dar. Wenn der Kritiker Herben mit seiner polemischen Kritik versucht, Hlaváček als geisteskrank zu diskreditieren, so verfehlt er seine Absicht dergestalt, dass er nicht nur die Antihaltung des Künstlers befeuert, sondern er identifiziert darüberhinaus das Element, welches sich als Schlüssel zur Dechiffrierung der Stellung von 'Subtilnost smutku' in einem europäischen Rahmen erweisen soll.
Die Koexistenz von Mensch und Tier und ihre wechselseitigen Beziehungen kristallisieren sich mit besonderer Prägnanz heraus, wenn es um die Darstellung der sogenannten 'companion animals' ('Gefährtentiere') des Menschen, der Haustierspezies wie zum Beispiel Katzen und Hunde, geht. Den Versuch, die Besonderheit dieser Beziehungen und ihre vielfältigen Bedeutungsebenen auszuloten, haben zahlreiche Autoren in unterschiedlichen Epochen unternommen. Eine Gesamtdarstellung literarischer 'companion animals' im globalen Kontext würde den Rahmen eines einzelnen Aufsatzes unweigerlich sprengen. Es ist vielmehr Ziel des folgenden Beitrags, die besondere Relation zwischen Mensch und Katze innerhalb der neueren japanischen Kultur zu beleuchten, wie sie sich in einigen beliebten Erzählungen des 20. und 21. Jahrhunderts beispielhaft manifestiert, die auch im internationalen Raum großen Anklang gefunden haben.
Im Folgenden soll die besondere Bedeutung von Musik und Geräuschen für den Roman 'Sound' aufgezeigt werden. Es gilt dabei nachzuweisen, auf welchen Ebenen und durch welche Elemente Klang Eingang in den Text findet, aber auch zu zeigen, wie die typographische Gestaltung des Romans zu einer besonderen Rezeptionsweise führt, die beim Leser auditive Prozesse einleitet. In diesem Zusammenhang soll analysiert werden, inwiefern die vom Protagonisten thematisierte Musik, also die Rezeption von Musik im Text, die Rezeption des Textes beeinflusst.
Das literarische Feld Deutschlands wurde lange durch eine Spaltung zwischen West und Ost geprägt, die man nun zu überwinden versucht. Seit der Wende wird nämlich an Mechanismen gearbeitet, die zu einer friedlichen Wiedervereinigung des Literaturbetriebs beitragen können, wie z. B. die Einführung zweier neuer Literaturpreise, und zwar des Deutschen Buchpreises und des Preises der Leipziger Buchmesse. Die beiden haben sich von Anfang an dank des Publikumserfolgs der ausgezeichneten Werke als kanonbildende Instanzen durchgesetzt, die die Richtlinien sowohl des Buchmarktes, als auch der Literaturkritik, stark beeinflussen. Es wird im folgenden Beitrag versucht, durch eine gründliche Analyse der Mechanismen dieser Preise, ihre Rolle als politisch-ökonomische Vorrichtungen, nämlich als 'agent in the cultural economy' (ENGLISH 2005), zu untersuchen. Darüber hinaus wird auch erforscht, wie diese zwei Ehrungen, die Aufnahme einzelner Werke in den herrschenden Kanon ermöglichen oder wesentlich erleichtern, indem sie als materielles Mittel eines 'invisible-hand Phänomens' (WINKO 2002) fungieren, und wie sie zur Produktion von Texten, die als 'Klassiker von heute' bezeichnet werden könnten, beitragen.
Klassiker, Klassiker - und kein Ende? Dieser Eindruck mag einen dieser Tage beim Durchstöbern größerer Buchhandlungen beschleichen. Freilich, die Auswahl und Kanonisierung von Literatur in Leselisten, Lektüreempfehlungen und Lexika ist kein neues Phänomen. Doch seit einigen Jahren wird der Buchmarkt mit einer Fülle von reich illustrierten Klassiker- und 'must read'-Büchern überschwemmt, die sich vornehmlich an ein interessiertes Laienpublikum wenden. Neben dem Anstoß einer neuen Kanondebatte durch Ulrich Greiners Leitartikel in der 'Zeit' im Mai 1997 (Greiner 1997) scheint hier nicht zuletzt das Jahr 2000 ausschlaggebend gewesen zu sein; der Beginn des neuen Jahrtausends lädt offensichtlich ein zu einer Sichtung und Bewertung des bisher Geschriebenen: 2 Mehr als viereinhalbtausend Jahre Literatur und Schriftkultur - wenn man über das 'Gilgamesch'-Epos hinaus bis auf die ältesten sumerischen Schriftüberlieferungen zurückgeht - machen es dem Fachwissenschaftler, mehr noch den Studierenden der Philologien und wohl erst recht dem interessierten Laien nicht einfach, das Wesentliche aus der unendlichen Masse der schriftlichen Zeugnisse und literarischen Erzeugnisse auszuwählen. Angesichts einer täglich weiterwachsenden Bücherfülle scheint sich "die Sehnsucht nach einem festen Inventar" (Hage/Saltzwedel 2001, 208) herauszukristallisieren: Was bleibt, um mit Eduard Engel (1928) zu fragen, und hat über die Jahrzehnte und Jahrhunderte Bestand? Was ist mehr als eine dem Zeitgeist verpflichtete literarische Eintagsfliege und hat das Potential zum Klassiker?
Tagungsbericht zur 12. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft 22.-25. Mai 2002, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Bereits mit dem Titel, dem bekannten Blumenberg-Zitat, das auf der Veranstaltung als Bezugsgröße permanent gegenwärtig war, knüpfte die 12. Tagung der DGAVL an die "große Erzählung" des Mythos im 20. Jahrhundert an. Die Tagung, deren Organisation von mehreren studentischen Mitarbeitern unterstützt wurde, fand vom 22. bis 25. Mai 2002 im Senatssaal der Friedrich Schiller-Universität Jena statt. Dabei lieferte die Tagung in ihren vielfältigen Beiträgen nicht nur eine archivarische Bestandsaufnahme der Mythendiskurse des vergangenen Jahrhunderts, sondern eröffnete unter einer speziellen komparatistischen Perspektive auch entscheidend neue Verstehensräume, die sich sowohl mit dem "Mythos" selbst als auch mit der theoretischen Rede über den Mythos in methodisch-methodologischer Hinsicht beschäftigten.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden. Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich.
Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Komparatistik online 2008
(2008)
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Die literarische Mehrsprachigkeit einzelner Autoren oder Kulturgemeinschaften – die in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Texte verfassen, ohne dass ein und derselbe Text mehrsprachig sein muss – ist ein altes Phänomen. Man denke nur an das historische Nebeneinander von volkssprachlicher und lateinischer Literatur oder an die Koexistenz von Schrift- und Umgangssprache, die bis heute verschiedene Kulturen und Nationen kennzeichnen. Ebenso alt ist die davon zu unterscheidende Mischsprachigkeit – das heisst Mehrsprachigkeit in ein und demselben Text –, wie sie etwa in der so genannten makkaronischen Dichtung vorkam, über Jahrtausende hinweg in verschiedensten literarischen Gattungen auftrat und seit dem späteren zwanzigsten Jahrhundert unter den Bedingungen der Globalisierung und der Multikulturalität rasant zunimmt.
Der vorliegende Themenband versammelt Beiträge, die polyglotteTexte – also solche, in denen mehrere Sprachen miteinander interagieren – genauer unter die Lupe nehmen, um zu erötern, wie die Sprachmischungen Textästhetik und -semantik prägen, wie sie funktionalisiert und sprach- oder kulturpolitisch motiviert sind.Vorgestellt wird ein breites Spektrum polyglotter Texte aus europäischen und (latein-) amerikanischen Kulturräumen, von der Antike bis in die Gegenwart.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden. Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich.
Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Die Zielsetzung des Sammelbands lässt sich anhand eines Dialogs von Yoko Tawada verdeutlichen, die über die Metamorphosen eines Kranichs die Frage nach der Beschaffenheit des 'Ichs' und nach personaler Identität im Allgemeinen stellt. Die Bezüge auf Ovid sind deutlich erkennbar, werden aber nicht explizit markiert. Damit sind sie ein typisches Beispiel für jene Vielzahl von Texten, die 'Verwandlungsgeschichten' im Sinne Ovids erzählen, sich aber von den konkreten Mythen gelöst haben, und - bzw. oder - auf die Einzeltextreferenz verzichten. Tawadas Kranich-Erzählung lässt sich als paradigmatisch für eine Vielzahl von gegenwartsliterarischen Texten verstehen, die Mensch-Tier-Verhältnisse, Körperlichkeit oder den Wechsel der geschlechtlichen Zuschreibung als Verwandlungen erzählen. An diesen Befund bzw. diese Ausgangsthese knüpfen sich zwei weitere Perspektiven: Zunächst geht es darum, einige Hauptstränge der Rezeptions- und Transformationsgeschichte der Ovidschen Metamorphosen nachzuverfolgen, da diese in poeto- und poesiologischer Hinsicht, für viele spätere Beispiele, prägend gewesen sind. Bereits die Metamorphosen lassen sich in ihrer Gesamtheit als Teil einer solchen Geschichte verstehen; als eine Summa Mythologiae der Antike stellen sie - je nach Lesart einen Zwischen- oder das End-Produkt einer bereits jahrhundertewährenden Rezeptions- und Transformationsgeschichte dar. Ovid bediente sich bei Herodot und Hesiod, Homer und Euripides, den Pythagoreern und anderen, deren Erzählstoffe, Motive und Philosopheme er kompilierte, zum Teil harmonisierte und interpretierte. Die Metamorphosen sind ein Buch der Bücher und carmen perpetuum, das seine Fortschreibung projektiv zum Programm machte.
Komparatistik online 2019: Berühren. Relationen des Taktilen in Literatur, Philosophie und Theater
(2019)
Körper und ihre Sinneswahrnehmung gehören zu den Voraussetzungen von Literatur und, Philosophie; die Bestimmung ihrer Funktion zählt zugleich zu einer der schwierigsten und umstrittensten Aufgaben dieser Künste und Disziplinen. Der Komplex um das Berühren, zu dem Haptik, Taktilität und Gefühl, Motorik, Sensorik und Affektivität gleichermaßen gehören, ist in der Körper- und Sinnesgeschichte notorisch von Vernachlässigung bedroht, hat in den Kultur- und Medienwissenschaften aber zuletzt neue Aufmerksamkeit erfahren. Philologische Ansätze befinden sich derzeit noch am Rand dieser Debatten, obwohl ihre Begriffe und Verfahren sogar als besonders 'berührungsaffin' gelten können. Genaue philologische Lektüren bieten die Möglichkeit, das je singuläre Verhältnis von Affektion und Sinnlichkeit und die Bedeutung des Tastsinns im Zusammenspiel mit anderen Sinnen zu erfassen. Philologische Verfahren können das metaphorische Potenzial des Berührens ebenso ausloten wie sein Verhältnis zum 'Realen'. Die Beiträge dieses Bandes zur europäischen Literatur, aber auch zur Philosophie von der Antike bis ins späte 20. Jahrhundert untersuchen das Berühren als relationale Figur, in der poetische Gestaltung und Materialität, Bildlichkeit und Buchstäblichkeit, Begreifen und Ergreifen, Anschauung und Affizierung in Beziehung treten. Im Zentrum stehen Fragen nach dem Verhältnis von Gemeinschaft und Individualität, von Literatur und Philosophie sowie nach der Funktion von Ansteckungs- und Distanzierungsverfahren in diesen Zusammenhängen. Dabei geraten gerade auch Wahrnehmungsräume in den Blick, die zumeist unter dem Primat des Visuellen verhandelt wurden. In Re- und Gegenlektüren schlagen die Beiträge eine Ausweitung der Sinnesbezüge vor.
Das vorliegende Themenheft vereint Beiträge, die sich mit literarischen und philosophischen Texten sowie dramatischen und musikdramatischen Werken aus einem historischen Zeitraum beschäftigen, der in etwa von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis ins frühe 18. Jahrhundert reicht und der hier - gemäß einer mittlerweile gut etablierten Begriffskonvention - als 'Frühe Neuzeit' angesprochen werden soll. Den Aufsätzen des Hefts, die von Wissenschaftlern und Nachwuchsforschern der Ruhr-Universität Bochum verfasst wurden, geht es unterdessen weniger darum, erneut eine Diskussion über diesen Begriff und den damit verbundenen Periodisierungsvorschlag zu führen, um dessen Tragweite auszuloten. Vielmehr möchten die Beiträge in Form ausgewählter Fallstudien einzelne Genres und Textsorten in den Blick nehmen, um anhand je spezifischer Fragestellungen deren jeweilige Gestaltungsformen, deren literarische und ästhetische Darstellungsmittel und Wirkungsweisen zu studieren.
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen.
Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden.
Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich. Geplant sind Schwerpunkthefte zu spezifischen aktuellen Themenbereichen. Daneben sollen stets auch einschlägige Forschungsbeiträge mit individueller Thematik publiziert werden.
Darüber hinaus gilt die besondere Aufmerksamkeit interessanten komparatistischen und interdisziplinären Neuerscheinungen, für die eine eigene Rubrik mit Buchbesprechungen vorgesehen ist.
Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst aktuelle Informationen zu den neuen Studiengängen in der deutschsprachigen Komparatistik (Bachelor und Master) sowie verwandten Bereichen wie Europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Es ist geplant, diesbezüglich solche Informationen im Internet bereitzustellen und laufend zu aktualisieren, die für Studierende und Lehrende des Fachs gleichermaßen von Interesse sein dürften.
Der Motivkomplex "Tiere und Tod" gehört zu den Kardinalthemen mit komparatistisch-kulturwissenschaftlichen, phänomenologischen und ethischen Dimensionen. Tiere sterben, auch wenn ihnen von Philosophen wie Heidegger nur ein 'Verenden' zugebilligt wird, weil sie angeblich kein Bewusstsein von Sterben und Tod besitzen. Sie sind entweder die Beute von anderen Tieren (Prädatoren, Carnivoren) oder aber Opfer von Unfällen, Krankheiten oder Altersschwäche. Die Geschichte des Tier-Mensch-Verhältnisses indes ist weniger geprägt "vom natürlichen Tod von Tieren, sondern vor allem vom gewaltsamen Tod." Menschen töten Tiere mit Absicht: Jagd, Opferrituale, Stier- und Hahnenkampf, Tierversuche, Pelztierzucht, Massentötung bei Seuchen, Sadismus, Euthanasie; oder aber eher unbeabsichtigt durch den menschlichen Lebensstil: Krieg, unsachgemäße Tiertransporte, Deprivation von Tieren in Zoo und Zirkus, Massentierhaltung/Käfighaltung, Überfütterung/Mästung. Die massenhafte Tötung jedoch, der als alltäglich und zwangsläufig hingenommene Tod von Tieren, geschieht in Form von Schlachtung durch den 'homo necans'.
2003 konstatiert Erwin Pracht in den Weimarer Beiträgen für den Beginn der 1990er Jahre einen "Ästhetisierungs-Boom" in Bezug auf die häufige Verwendung des Begriffs in zeitgenössisch aktuellen Debatten. Ästhetisierung erscheint in diesen Debatten nicht selten als postmoderne Modevokabel, wenngleich der Begriff bereits eine gut 200-jährige Verwendungsgeschichte hat: Ästhetisierung ist ein Neologismus der 'Sattelzeit' (Reinhart Koselleck), womit die Begriffsbildung von den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen um 1800 zeugt. Gleichzeitig ist Ästhetisierung im Sinne einer Idee auch als Antwort auf diese Umbrüche zu verstehen. Aus der Ästhetisierung spricht ein Wunsch nach ästhetischer Bildung und politischer Teilhabe an Debatten gesellschaftlich relevanter Fragen. Im Kern liegt in der Ästhetisierung das Utopiepotential für ein besseres, das heißt schöneres Leben, welches weniger vollständig erreichbar, denn mehr als Ideal erstrebenswert scheint. Es zeugt von der Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln und ästhetisierend wahrnehmen zu können. Dabei erweist sich eine ästhetisierende Haltung nicht als Flucht, sondern mehr als Vorsatz des Individuums, in der modernen Gesellschaft ein kultiviertes Leben zu führen und persönliche Gestaltungsoptionen, die zunehmend demokratischere Gesellschaftsstrukturen bieten, zu nutzen. Ästhetisierend wahrzunehmen ist so weniger Ausdruck davon, andere Perspektiven in den Hintergrund zu drängen, vielmehr zeigt sich daran, dass die unmittelbaren Lebensbedürfnisse gestillt sind. Zudem beinhaltet Ästhetisierung im Sinne individueller Gestaltungsmöglichkeiten einen Kern rebellierenden Protests, wie er sich besonders in den Ausprägungen des Dandys und Flaneurs äußert. Analog zum Anwachsen von Wohlstand, Bildung und politischer Teilhabe in Deutschland wird der Begriff der Ästhetisierung im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer häufiger gebraucht. Die Fundierung des Begriffs liegt dabei im Nachdenken über Literatur.
Das Dissertationsprojekt untersucht, wie die ästhetischen Eigenschaften literarischer Texte mithilfe einer hermeneutischen Methode erfasst und wertgeschätzt werden können. Dieser Beitrag skizziert, wie das Projekt verschiedene Ansätze der Hermeneutik und der analytischen Ästhetik zu diesem Zweck miteinander kombiniert.
Vor rund 25 Jahren bemerkte David Wells in einem Aufsatz, in dem er die mittelalterliche Literatur hinsichtlich allegorischer Verfahren untersuchte, der Löwe in Hartmanns von Aue Iwein brülle geradezu nach seiner Interpretation. Ausführlich verzeichnet er die zuvor versuchten Deutungen, die sich bis zum Erscheinen des Aufsatzes im Jahre 1992 auf knapp 20 belaufen. Seine kleine Anmerkung illustriert die große Unsicherheit im interpretativen Umgang mit Dingen in der mittelalterlichen Literatur, aber ebenso ihr großes interpretatorisches Potential.
Krieg, Mythos und Literatur
(2014)
Tatjana Marković: Memorizing battle musically : The Siege of Szigetvár (1566) as an identity signifier. - Wolf Wucherpfennig: Die Angst der Welt : Raabes Odfeld und das deutsche Kriegstrauma. - Martin Löschnigg: "Ich habe kein Wort" : Betrachtungen zu einem Topos literarischer Texte über den Ersten Weltkrieg. - Sabine A. Haring: "Kameradschaft" in der Habsburger Armee : Eine emotionssoziologische Annäherung. - Walter Hölbling: Vorstellungen von Krieg und Frieden in der US-amerikanischen Romanliteratur
Labyrinthe
(2000)
Tagungsbericht zum Kolloquium im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Texte und Bilder"
Ruhr-Universität Bochum, 2.-3. Juli 1999
Seit der Antike dient das Labyrinth als Metapher für die Unübersichtlichkeit des Lebens und der Welt und versinnbildlicht die Struktur einer Ordnung, die in ihrer Komplexität unüberschaubar erscheint und in der man sich gleichwohl zurechtzufinden hat. In Kunst und Literatur ist der Topos immer wieder gestaltet worden, nicht selten in Werken, die ihrerseits labyrinthisch anmuten. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Texte und Bilder", einem interdisziplinären Forschungsprojekt des Instituts für Philosophie der Fernuniversität Hagen und des Lehrstuhls für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Bochum, fand auf Initiative und unter der Leitung von Monika Schmitz-Emans (Bochum) und Kurt Röttgers (Hagen) ein Kolloquium zum Thema Labyrinthe statt. Es beteiligten sich Vertreter der Fachrichtungen Komparatistik, Germanistik, Medienwissenschaft und Philosophie.
Im Folgenden möchte ich drei Jesus-Biographien aus den 1920er Jahren analysieren, die zeigen, wie stark sich darin gleichermaßen der theologische und der literarische Diskurs der Zeit widerspiegelt. Es handelt sich dabei um Giovanni Papinis 'Lebensgeschichte Christi', auf Deutsch erschienen 1924, um Josef Wittigs 'Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo' von 1925, und um Emil Ludwigs 'Der Menschensohn' von 1928.
Das im Norden Ägyptens an der Küste des Mittelmeers gelegene Alexandria gehört zu denjenigen Städten, deren Name auch literaturhistorisch einschlägig ist. Der von gegenwärtigen Besuchern meist als schäbig und heruntergekommen erlebten modernen Großstadt steht dabei das literarisch überhöhte Bild einer levantinisch-kosmopolitischen Gesellschaft gegenüber, die von Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts in voller Blüte stand.
Tagungsbericht zu 'Lexikographik als künstlerisch-literarische Schreibweise', Ruhr-Universität Bochum, 27. bis 29. Mai 2010.
Die Form des Lexikons ist nicht nur unter dem Blickwinkel der Wissensproduktion und -vermittlung von Interesse, sondern stellt sich auch als ein Phänomen an der Schnittstelle zwischen Literatur und bildender Kunst dar. Entsprechend vielfältig gestalten sich die Erscheinungsformen der Lexikographik, sei es als reines Ordnungssystem oder als künstlerisch-literarisches Projekt. Diese Vielfalt spiegelte sich auch in der von Monika Schmitz-Emans, Kai Fischer und Christoph Schulz vom Bochumer Lehrstuhl für Komparatistik im Rahmen des DFG-Projekts 'Literarische Darstellungsexperimente' organisierten Tagung wider, die die Lexikographik nicht nur literaturwissenschaftlich in den Blick nahm, sondern auch im Rahmen einer Ausstellung von Arbeiten des Künstlers Paul Mersmann den bildkünstlerischen Aspekt des Themas betonte.
Der Begriff der Glokalisierung wurde in den 1980er Jahren in der Ökonomie und dann in der Soziologie eingeführt, um die wechselseitige Verbindung zwischen globalen Steuerungsprozessen und lokalen Produktions- bzw. Distributionsstrukturen zu beschreiben. In seiner weiteren Geschichte diente der Begriff auch dazu, grundsätzliche Kritik an einem Verständnis von Globalisierung zu üben, in welchem die Bezüge zu den lokalen Grundlagen und Auswirkungen ausgeblendet werden. Literatur ist auf ihre Weise in diese Zusammenhänge verstrickt. Aufgrund ihrer Medialität sind literarische Texte immer auf lokale Produktions- und Rezeptionsorte angewiesen. Zugleich aber müssen sie diese Orte verlassen, um eine potentielle Vielzahl an Leser:innen erreichen zu können. Literatur eignet sich deshalb - so die leitende These dieses Bandes - besonders dazu, die mit dem Begriff der Glokalisierung verbundenen Aushandlungsprozesse zwischen lokalen Gegebenheiten und globalen Herausforderungen zu reflektieren.
Heutige Diskussionen um 'Artistic Research' oder 'Investigative Aesthetics' reaktivieren die alte Frage nach den Wissens- und Erkenntnisdimensionen von künstlerischer Praxis. Auch in parallel entstehenden literarischen Texten kommt es zu verstärkten Auseinandersetzungen mit Praktiken und Begriffen außerliterarischer Wissensfelder wie den Medien, dem Recht oder den Wissenschaften. Ebenso lassen sich erhöhte Ansprüche ausmachen, mit dem eigenen literarischen Schreiben eine Art Wissen zu erzeugen. Der Beitrag stellt dies beispielhaft an deutschsprachigen Texten zum Jugoslawien-Krieg in den 1990er Jahren dar und diskutiert die literarische Hinwendung zu Formen des Wissens und Ermittelns als ein den forschenden oder investigativen Künsten verwandtes Phänomen.
Wie Enzensberger […] verdeutlicht, eröffnen literarische Texte […] einen Raum, in dem unterschiedliche und kontroverse wissenschaftliche Theorien […] miteinander kollidieren, wodurch ihre Bedingtheit und Relativität erkennbar wird. Die modernistische […] Vorstellung, Literatur sei subversiv, stelle in Frage, was immer sich als absolute Wahrheit ausgebe, relativiere die Ordnungen des Wissens und insbesondere alle sich verbindlich gebenden Theorien über den Menschen und die natürliche Welt, hat an Aktualität nicht verloren. […] Philosophen und Literaturtheoretiker verschiedenster Denkrichtungen kommen […] darin überein, daß Literatur subversiv ist: Gegen falsche Sicherheiten und gegen die Illusion absoluter Wahrheit gerichtet, deutet sie auf die Vieldeutigkeit aller Dinge und die Vielzahl inkompatibler Betrachtungsperspektiven hin, indem sie selbst vieldeutige und multiple Welten erzeugt. In dieser Eigenschaft ist das literarische Schreiben durch keinen anderen Diskurs ersetzbar. Die ihr hier zugeschriebene subversive Rolle als Instanz kritischer Reflexion über Begriffe, Theoriebildungen und Wissenschaft kann die Literatur allerdings nur dann spielen, wenn sie in engem und dauerhaften Kontakt zu den Wissenschaften bleibt. Die Kritik an Wissensdiskursen setzt einen ständig zu aktualisierenden .Informationsstand voraus: über die jeweils dominanten wissenschaftlichen Paradigmen, Kernbegriffe und Moden, die Strategien wissenschaftlicher Konstruktion und Darstellung dessen, was ist.
Der literarische Horizont des Vormärz ist gezeichnet von den Spannungen zwischen Nationalismus und Universalismus (oder Patriotismus und Kosmopolitismus), die sich vielfach auf das Verhältnis zur Sprache, der eigenen wie die der anderen, ausgewirkt haben. Auch Börnes schriftstellerische Biographie spiegelt den Reflex dieser Spannungen und bestimmt nicht zuletzt sein Verhältnis zum Geschäft des Übersetzens. Es geht also um einen besonderen Aspekt des Kulturtransfers, genauer gesagt um eine funktionelle Methode kultureller Interaktion. Gerade in diesem Bereich ist Börne in verschiedener Weise hervorgetreten: als Sprach-, Literatur- und Übersetzungskritiker ebenso wie als eigentlicher Übersetzer. Man wird ausgehen müssen vom Problem der Sprache überhaupt, Sprache im kulturellen wie im nationalen Kontext. Börnes kritischer Massstab erweist sich als flexibel je nach Textsorte und Zielpublikum. Da die Schwerpunkte seiner schriftstellerischen Vita wesentlich von den Wechselfällen der politischen Geschichte im engen regionalen wie im weltgeschichtlichen Umfeld abhängig waren, wird auch im Folgenden der Schwerpunktwechsel zu berücksichtigen sein.
Die großen Dichter der Römer haben in der abendländischen - und nicht zuletzt in der deutschen - Literatur des 20. Jahrhunderts ein äußerst produktives Nachleben genossen. In seinem 'Tod des Vergil' (1945) befasst sich Hermann Broch einfühlsam mit Leben und Werk des Dichters der Äneis. In Christoph Ransmayrs 'Die letzte Welt' (1988) tritt Ovid als Person nie in Erscheinung, aber die Forschungen des Romanhelden enthüllen das problematische Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit im Leben Ovids während seines Exils im fernen Tomis und in den Erzählungen seiner Metamorphosen. Günter Grass' Roman örtlich betäubt (1969) bietet unter anderem eine einsichtsvolle Analyse der Bedeutung Senecas als Seismograph für jeweils drei Generationen von Deutschen der Bundesrepublik. Und Lukrez?
Titus Lucretius Carus (circa 94-54 v.Chr.), der in der Geschichte der lateinischen Literatur als epischer Dichter neben, ja manchmal sogar über Vergil gestellt wird und vor allem als wichtigster Befürworter des Epikureismus im Rom des ersten Jahrhunderts v.Chr. galt, spielt in der Literatur des 20. Jahrhunderts kaum noch eine Rolle. Wenn auch die atomistischen und vermeintlich antireligiösen Lehren seines 'De Rerum Natura' während des christlichen Mittelalters abgelehnt wurden, schätzten ihn sogar seine Gegner als einen großen Sprachkünstler. Nach seiner Wiederentdeckung in der Renaissance wurde er zunehmend als Philosoph und Naturwissenschaftler geschätzt. Aber nachdem sein Einfluss im 19. Jahrhundert bei vielen Dichtern noch hochstand, wurde sein Name danach immer seltener erwähnt. Seit der wichtigen Vortragsreihe George Santayanas über Lucretius, Dante und Goethe - Three Philosophical Poets (1910) - haben sich zwar immer wieder akademische Philosophen mit seinem Denken befasst; aber die einzige ausführliche Studie über Lukrez und die Moderne kann nur wenige literarische Beispiele heranziehen: neben den Italienern Italo Calvino und Primo Levi und dem Österreicher Raoul Schrott, die im Vorübergehen erwähnt werden, werden nur einige anglo-amerikanische Dichter zitiert, die sich aber nie ausführlich mit Lukrez oder seinem Werk beschäftigen. In einer wichtigen deutschen Forschung zur Antikerezeption wird nach Goethe nur noch Heinrich Mann erwähnt, in dessen Roman 'Die Vollendung des Königs Henri Quatre' (1938) Zitate aus mehreren lateinischen Dichtern, einschließlich Lukrez, vorkommen.
Warum dieses Schweigen?
Macht Wirkung Geschichte? : die ungarische Rezeption von Péter Esterházys "Verbesserte Ausgabe"
(2009)
Das Erscheinen von Péter Esterházys "Verbesserte Ausgabe" (VA) im Frühjahr 2002 wurde in Ungarn als ein richtiges "literarisches Ereignis" empfunden: Man betrachtete das Werk als ein solches, das man nicht nur gelesen haben muß, sondern auch als eines, in welchem sich die Begegnung von "Literatur" und "Leben" in einmaliger Weise verwirklicht. [...] In seinem Beitrag fasst Marcell Mártonffy zuerst die Fakten und Umstände der Entstehung der VA zusammen (I.). Danach setzt er sich mit der ersten Welle der ungarischen Rezeption - mit deren wichtigsten Fragestellungen und interpretativen Ansätzen - auseinander, um den Ereignischarakter des Werkes näher zu beleuchten (II.). Schließlich versucht er, bezüglich der Chance literarischer "Vergangenheitsbewältigung", deren Anspruch bereits in der Veröffentlichung der VA sowie in den darauffolgenden kritischen Stellungnahmen betont zum Ausdruck kommt, einige Konsequenzen zu ziehen (III.).
The paper presents a reading of "celestinesque literature" - texts surrounding Fernando de Rojas’ famous novel 'La Celestina' (1499) - in view of the question, to what extent the term "marranism" may serve as a philological rather than a biographical category. Dealing with Stephen Gilman’s exemplary studies, the paper shows how Rojas’ text subverts some of the most important metaphorical structures used by philologists to represent "marranism" and to read "marrano literature." Celestinesque novels, on the other hand, develop their own notion of "philology:" the "love" that they narrate also reflects the "desire of the logos" that works throughout their language.
Gesichter sind in der modernen Gesellschaft zwiespältig geworden: Einerseits ist von einer "facialen Gesellschaft" die Rede, entsprechend der Leitfunktion, welche Gesichter als Vorbilder in der Medienkultur einnehmen, ob nun bei Stars, Politikern, Sportlern, Promis - Berufsgruppen für die face lifting selbstverständlich zur Vorbildfunktion mit Nachahmungseffekten hinzugehört. Fernsehformate wie Casting- Shows beruhen auch darauf, dass Gesichter zur Nachahmung vorgegeben werden. Selbstverständlich sind diese Gesichter nie natürlich oder wahrhaft, wie dies die Anthropologie seit dem 18. Jahrhundert behauptet hatte, sondern künstlich und verstellt. Aber der Topos des natürlichen Ausdrucks wird gleichwohl aufrecht erhalten und rhetorisch angewendet. Die biopolitische Diskursmacht führt dazu, dass trotz der maskenhaften Verstellung der Mediengesichter der empathisch-emotive Effekt eintritt. Es handelt sich um eine bemerkenswerte Leistung von Medienkultur, Indikator einer anthropologischen Macht der Medien. Michael Taussig spricht unter Berufung auf Benjamin vom mimetischen Vermögen, das durch Medien zustande kommt und Fremdheit durch Nachahmung minimiert, entsprechend dem antirassistischen Leitmotiv von Kafkas "Wunsch, Indianer zu werden". Insbesondere Gefühle wie Liebe oder Angst werden dabei im Gesichtsausdruck der Medienbilder präsentiert und unter Zuhilfenahme der anthropologischen Topik einer Entsprechung des Äußeren im Inneren vom Zuschauer mimetisch hervorgebracht oder ihm zur Nachahmung angeboten.
Der vorliegende Beitrag versteht sich als Versuch, die interkulturelle Dimension der modernen Metropole von ihrer Kehrseite her zu analysieren. Stellt die 'global city' tatsächlich in allen ihren Bereichen jenen offenen Raum interkultureller Kombinatorik dar, als den sie sich auf ihrer Schauseite der Produktion und Konsumption präsentiert? Oder perpetuiert sie Mechanismen der Ausgrenzung und der Segregation, die unterschwellig wirksam bleiben? Die Analyse erfolgt unter zwei Prämissen. Sie setzt zum einen voraus, dass der Umgang mit dem Müll als kulturelle, d.h. symbolische Praxis begriffen wird. Sie bestimmt Müll nicht als etwas Überflüssiges, sondern als Zeichenmüll, der gelesen werden kann, und schließt somit an kultur- und sozialanthropologische Ansätze zur Erforschung des Abfalls an. Zum anderen werden nicht die symbolischen Praktiken der Müllbehandlung selbst, sondern ihre literarischen Repräsentationen untersucht. Dies geschieht unter der Annahme, dass die Literatur der Moderne ein besonderes Sensorium für die symbolische Ordnung entwickelt hat, die sich im Müll abzeichnet.
Wie Beispiele aus zwei Jahrtausenden Literatur- und Kunstgeschichte bezeugen, lassen sich Veränderungen, von personaler, sozialer bis hin zu globaler Transformation, mithilfe von Ovids Mythen beschreiben oder bildlich darstellen. Viele SchriftstellerInnen, bildende KunstlerInnen und Filmschaffende haben dies getan; sie und ihre Echos sind in den sich teils ablösenden, teils verschränkenden Traditionslinien gut dokumentiert. Diese "Echos der Erzählungen" Ovids sind, so lässt sich mit Bettine Menke sagen, "der Modus des Nachlebens", die zu uns kommen "im Modus des Gerüchts, jeweiligen Aneignungen, Revisionen, Imitationen, Übertragungen, Lektüren, Wieder- und Fortschreibungen, Ver- Schickungen."
Organisation: Achim Hölter (Münster), Volker Pantenburg Berlin) und Susanne Stemmler (Berlin)
Brecht-Haus, Berlin, 16. bis 18. März 2007
Nach dem 'linguistic turn' oder dem 'pictorial turn', in denen die Textualität und Bildlichkeit kultureller Artefakte ins Zentrum gerückt wurden, liegt das Augenmerk in den Literatur- und Kulturwissenschaften verstärkt auf deren Räumlichkeit: In den letzten Jahren ist demnach vermehrt vom 'spatial turn' die Rede gewesen. Der visuellen Umcodierung von Gegenwartskultur Rechnung tragend, wendeten die Beiträge der Tagung 'Metropolen im Maßstab' ihre Aufmerksamkeit auf die moderne literarische und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema (Groß-)Stadt.
Mimesis
(2012)
Tagungsbericht zum Jubiläumssymposium des Promotionsstudiengangs Literaturwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München, Kloster Seeon, 29. bis 31. Juli 2011.
Wie stellt die Kunst Wirklichkeit dar? Um welche Auffassung von Kunst (Literatur, bildende Kunst, Musik), um welche von Wirklichkeit (Welt, Natur, Schöpfung) handelt es sich? Um diese Fragen kreist der Begriff der Mimesis. Der 'Promotionsstudiengang Literaturwissenschaft' feierte im Juli 2011 in Kloster Seeon sein zehnjähriges Bestehen mit einem Jubiläumssymposium, das Perspektiven auf diese äußerst vielschichtige, historisch wandelbare Kategorie der Ästhetik und Poetik öffnete.
This article focuses primarily on three areas: First the article deals with Alfred Döblin's concept of the novel and the function of the montage technique from his perspective. Secondly, the article draws attention to the fact that Alfred Döblin, a neurologist by profession, who later dedicated himself exclusively to his writing, used the montage technique intensively in his great city novel Berlin Alexanderplatz. The technique, which operates at different levels of language, narrative technique and plot, is demonstrated by selected examples from the novel. In each case the intention of the novelist is discussed. The article considers whether individual accumulating elements accord with the wholeness of the novel, and if so, how this interesting synthesis occurs. The final focus is on his efforts to use the montage technique to portray the big city. In the case of Berlin Alexanderplatz, this effort ultimately ends with a big city epic. In this study, we consider how Döblin used the montage technique in Berlin Alexanderplatz, which was central, and new for German literature at that time. Additionally, narrative styles and techniques as parables, paraboles, sound associations, word and rhyme repetition and relevant passages are supported by quotations from the novel.
Musik einer Erinnerungspoetik : Fallstudie über deutschsprachige und hebräische Literatur nach 1945
(2004)
Nach 1945 trägt die Literatur eine neue Last. Die Frage der Repräsentation ist nun mit einer Katastrophe verbunden. Es ist eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, mit den Gegenständen der Erinnerung und des Vergessens, in der sich die Fragen der Sprache selbst - die Fragen nach dem Sinn des Schreibens, der Darstellung und der Dokumentation - neu erschließen lassen. Das Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Poetik einer Erinnerungsarbeit in der deutschen, österreichischen und hebräischen Literatur nach 1945 zu rekonstruieren, indem die Verwendungsweise musikalischer Diskurse als Grundlage einer Erzählkunst exemplarischer Texte geprüft wird. Der Aufsatz widmet sich den folgenden Romanen: Die 'Blechtrommel' (1959) von Günter Grass, 'Malina' (1971) von Ingeborg Bachmann, 'Beton' (1982) und 'Auslöschung' (1986) von Thomas Bernhard, 'Rosendorf Quartett' (1987) und 'Der Schatten von Rosendorf' (2001) von Nathan Shacham, 'Vom Wasser' (1998) von John von Düffel und 'Die Katze und der Schmetterling' (2001) von Yoel Hoffmann.
Es sind Texte von Autoren, die den Versuch unternommen haben, sowohl die semiotischen Elemente der musikalischen Sprache als auch einen spezifischen Diskurs über Musik in die literarischen Arbeiten zu übertragen, um eine Art von poetischem Gedächtnis zu rekonstruieren. Es sind poetische Räume der Wiederholungen, in denen verdrängte und verlorene Geschichten aufgedeckt und reflektiert werden. Es ist letztlich jedoch eine infragestellende Poetik der Spuren und Anspielungen, eine Literatur der Dissonanzen, die die Katastrophe der Vergangenheit zu Wort zu bringen versucht.
Nachbarschaften können sich in einem breiten Spektrum zwischen Abgrenzung, Indifferenz und starken gemeinschaftlichen Gefühlen und Interessen entfalten. Die ZfL-Literaturtage, die am 22. und 23. November 2019 im Literaturhaus Berlin in der Fasanenstraße stattfanden, haben deshalb den Versuch unternommen, unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema zu beleuchten. Dazu waren acht Autor*innen und eine Soziologin eingeladen, aus ihren Texten zu lesen bzw. ihre Forschungsfragen zu präsentieren und im Anschluss über Nachbarschaften zu sprechen. Denn zur Nachbarschaft gehört auch ganz wesentlich der Austausch - im konkreten Fall zwischen den Autor*innen, den wissenschaftlichen Gesprächspartner*innen, dem interessierten Publikum und natürlich zwischen dem ZfL und der langjährigen "Nachbar"-Institution, dem Literaturhaus Berlin.
Tagungsbericht: Unter dem Titel 'National - postnational - transnational? Neuere Perspektiven auf die deutschsprachige Gegenwartsliteratur aus Mittel- und Osteuropa' fand vom 10. bis 13. Mai 2012 in Ústí nad Labem eine internationale Tagung statt, die von Renata Cornejo vom Lehrstuhl für Germanistik an der dortigen Jan Evangelista Purkynĕ-Universität in Zusammenarbeit mit Sławomir Piontek von der Adam Mickiewicz-Universität in Poznań (Polen) und Sandra Vlasta von der Universität Wien (Österreich) veranstaltet wurde. In zahlreichen Vorträgen wurde das Werk von AutorInnen, die aus unterschiedlichen Gründen zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrem Leben in den deutschsprachigen Raum eingewandert sind und die Deutsch, obwohl nicht ihre Erstsprache, als ihre Literatursprache gewählt haben, untersucht. Der Schwerpunkt lag dabei auf AutorInnen aus Mittel- und Osteuropa, die zur Entwicklung der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur der letzten Jahrzehnte mit wichtigen Impulsen beigetragen haben.
Ausgangspunkt folgender Überlegungen ist die These, dass neben der positiven Auffassung von der Natur als göttliche Schöpfung die Vorstellung einer bösen und feindlichen Natur das abendländische Denken durchzieht. Im Folgenden sollen Momente dieser Negativierung von Welt in einigen zentralen theologischen bzw. philosophischen Diskursen des Abendlandes kurz skizziert werden. Diese Gedanken bilden den kulturgeschichtlichen Hintergrund vor dem im zweiten Teil einzelne literarische Texte unter dem Aspekt der Ablehnung bzw. Dämonisierung der Natur untersucht werden.
Wenn man sich an die Frage eines möglicherweise spezifischen Schreibstils der sozialen Medien und seiner Auswirkungen auf Literatur heranwagt, sollte man nicht nur das 'Endprodukt', also den fertigen (Buch-)Text untersuchen, sondern vor allem auch die Bedingungen seiner Hervorbringung. Denn für das Entstehen eines neuen Stils der sozialen Medien spielt die Funktion des Kollektivs eine zentrale Rolle. In Analogie zur soziologischen Beschreibung aktueller urbaner Entwicklungen lassen sich die Beziehungen im Social-Media-Kollektiv als eine Form neuer Nachbarschaft beschreiben: Über die beschleunigte und intensivierte Interaktion in sozialen Netzwerken entstehen neue Geflechte und (virtuelle) Orte, an denen sich dieselben Personengruppen wiedertreffen, lesen und rezensieren - auch wenn sie in völlig unterschiedlichen Stadt- oder Weltteilen leben. Entsprechend können selbstverstärkende und selbstreferentielle Effekte durch Social Media auch für die Literaturproduktion und -rezeption untersucht werden: Markieren Retweets, angeheftete Posts und Hashtags neue Interessen- oder 'Stilgemeinschaften', die eigene Formen, aber auch Regeln und Zwänge ausbilden?
Die Literaturgeschichte quillt über on Werken über den Krieg, aus dem Krieg, mit dem Krieg, gegen den Krieg. Ein Heldenepos schien jahrhundertelang nicht anders denkbar denn als Erzählung von Kämpfern, Kriegern, Eroberern. [...] Im 20. Jahrhundert entstehen, oft im Widerspruch zu solcher Privatisierung, neue Formen, mit dem Krieg, der dieses Jahrhundert noch entsetzlicher traf als vorhergegangene, literarisch fertig zu werden: Dokumentation, Erlebnisbericht, Lautgedicht, Medienkritik, aber auch Schriften, in denen Kriegskameraderie als Alternative zur bürgerlichen Lebenswelt erscheint. Die Jugoslawienkriege der neunziger Jahre haben Europa auch außerhalb der unmittelbar betroffenen Gebiete erschüttert. Innerhalb der deutschsprachigen Literatur haben ich in den letzten Jahren nicht wenige Autoren mit zeitgenössischen Kriegen befaßt. Aus der Fülle von Texten greife ich drei nicht-fiktionale heraus; drei Reiseberichte, wenn auch höchst unterschiedlicher Natur, von Angehörigen verschiedener Generationen verfßt. Peter Handke ist ein Kriegskind, 1942 geboren; Juli Zeh, Jahrgang 1974, hat die Jugoslawienkriege als Jugendliche über die Medien mitbekommen, Peter Waterhouse, Jahrgang 1956, steht zwischen den beiden Generationen, sein Vater war sowohl im Zweiten Weltkrieg wie auch im Kalten Krieg in einer Weise aktiv, die für den Autor Beweggrund zu vielerlei Fragen ist.
Der 'brave Soldat' Schwejk - antiheroischer Protagonist in Jaroslavs Hašeks berühmtem Roman - beobachtet auf dem Weg zur Front einen vorbeifahrenden Militärzug mit offenen Waggons: Ein Korporal der Deutschmeister 'mit herausfordernd aufgezwirbeltem Schnurrbart' stützt sich wie in einem 'lebendem Bild' quer auf seine sitzende Mannschaft, schmettert voller Inbrunst das Prinz-Eugen-Lied, lehnt sich übermütig hinaus - und fliegt aus der offenen Waggontür, wobei er 'mit aller Kraft im Flug mit dem Bauch auf den Weichenhebel [schlug], auf dem er aufgespießt hängenblieb'. 'Mit Kennermiene' betrachtet Schwejk neugierig den Leichnam: "Der hats schon hinter sich […] hat sich akkurat aufgespießt […], hat die Därme in den Hosen." Das groteske Ende des Offiziers der Deutschmeister, jenes Ritterordens aus dem 12. Jahrhundert, symbolisiert den Untergang des aristokratischen Kriegerstandes - des Inbegriffs menschlicher Souveränität, die in Gestalt verführerischer Husaren noch Romane und Operetten des 19. Jahrhunderts bevölkerte - in den Höllenfeuern des Maschinenkrieges, zu dem Schwejk und seine Kameraden gerade unterwegs sind. Auch sein geliebter Herr, Oberleutnant Lukasch, ein notorischer Verführer, repräsentiert noch jene aristokratische Souveränität, Glanzstück des feudalen Ständestaates: Hoch zu Roß reitet er nicht nur dem Feind entgegen, sondern zugleich seinem Untergang, der sich in den Materialschlachten des großindustriellen Krieges vollzieht.
Was Schwejk fasziniert beobachtet, ist das finale Stadium des Zusammenbruchs der ständischen Ordnung, der patriarchalischen Autorität, der feudalen Tugenden, der symbolischen Repräsentation, der Hierarchie der Gemeinschaften im Versachlichungs- und Entzauberungsprozess der Moderne. Dabei bewegte Literatur und Philosophie des 19. Jahrhunderts vor allem eine Frage: Was geschieht eigentlich, wenn 'der Knecht' (aus Hegels Phänomenologie des Geistes) - das "durch die Arbeit" erwirkte Selbstbewusstsein mit seinem Primat von Selbsterhaltung und instrumenteller Rationalität - zum Herrn wird, mit den souveränen Eigenschaften des untergegangenen Herrn?
Im antiken Rom war das Publikum im Colosseum live bei der Inszenierung von Gewalt dabei. Heutzutage werden "tödliche Spiele" in Film und Literatur nicht nur medial re-inszeniert (Stichwort Hollywood-Historienfilme, Gladiatoren-Computerspiele), sondern auch zunehmend als Vehikel für Gesellschaftskritik eingesetzt. Ausgehend vom Erfolg der Buchtrilogie "Die Tribute von Panem" (The Hunger Games) wird der Vortrag erkunden, welche gesellschaftliche Funktion die Darstellung und Betrachtung von Gewalt im Spiel erfüllt.
Grundlegend und vereinfacht gefasst sind zwei Prinzipien in der Tradierung literaturhistorischen Wissens zu unterscheiden, das umfassende lexikalische Sammeln zum einen und das auswählende Herausheben zum anderen. Literaturhistorisches Wissen in einem doppelten Sinn (in einem allgemeinen und in einem engeren Verständnis) wird seit der Antike in Form umfassender Verzeichnisse und Kataloge zusammengestellt, vor allem als Wissen über konkrete Werke und Autoren.
Das Streben nach Unsterblichkeit durchzieht die gesamte Geschichte der Menschheit, doch in Zeiten des beschleunigten gesellschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Wandels zeichnet es sich durch eine gesteigerte Intensität aus. Immer wieder wurde das Verständnis von Immortalität hinterfragt (physische vs. metaphysische Unsterblichkeit, todloses Leben vs. Auferweckung nach dem Tod, Langlebigkeit vs. ewiges Leben usw.), wurden ihre Spielarten neu definiert. Die Entwicklung der modernen Lebenswissenschaften in der westlichen Welt seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, die Erfolge der Immunologie, Juvenologie und Gerontologie eingeschlossen, sind hinlänglich bekannt. Auch dem radikalen Utopismus der russisch-sowjetischen Avantgarde wurde bereits viel Aufmerksamkeit zuteil. [...] Allgemein ist festzustellen, dass bisherige historische Darstellungen die Einbeziehung des slawischen Osteuropas vermissen lassen. Gibt es Parallelen zwischen den bedürfnislosen, arbeitsamen Unsterblichen, die gemäß einem fiktionalen Entwurf des in den 1920er Jahren als Ingenieur für Elektrifizierung tätigen Schriftstellers Andrej Platonow in einem Labor für Anthropotechnik dank einer neuartigen Elektrosphäre hervorgebracht werden, und den Robotern oder dem Absolutum bei Karel Čapek? Ist angesichts der möglichen Existenz unsterblicher kybernetischer Organismen die anthropologische Neuerzählung der Schöpfungsgeschichte überzeugend, die Borislav Pekić 1980 vornahm, wohlgemerkt mit einem weiblichen Cyborg als Protagonistin, die sich biblisch als "Ich bin, die ich bin" zu erkennen gibt? Spiegeln programmatische Selbstentwürfe, die sich auf sogenannte höhere, esoterisch anmutende mathematisch-naturwissenschaftliche Konzepte stützen, regionale Formen wissenschaftlicher Religiosität oder den Versuch, die globale Logik des materialistischen Daseins zudurchbrechen, wider? All diese Fragen harren noch einer Antwort.
Die globalen Waren, mit denen die Literatur handelt, sind oftmals Gegenstände, die sich der Wertform des Kapitals entziehen: Sie sind Gaben, die - etwa im Sinne Greenblatts - eine Zirkulation sozialer Energien bewirken oder - im Sinne Derridas - ein die Ökonomie des Tauschprinzips unterbrechendes Ereignis stiften können. Das globale Moment der Literatur bestünde demnach darin, dass, wie es Goethe in "Dichtung und Wahrheit" formuliert hat, "die Dichtkunst überhaupt eine Welt- und Völkergabe sei". Diesem Verständnis von Literatur als "Welt- und Völkergabe" ist auch Paul Celans Werk verpflichtet. In der Gabenstruktur seiner Gedichte, die sich in der bewussten Hinwendung zum Anderen anzeigt, kommt auch der Weltbezug dieser Dichtung zum Ausdruck. Diesen vielfältigen Facetten von Celans literarischem Weltbezug sind die in diesem Themenschwerpunkt versammelten Beiträge gewidmet. Dem Werk Celans muss die Struktur der Globalisierung nicht erst künstlich zugeschrieben werden: Sie ist ihm inhärent. Denn zum einen hat die Erfahrung von Migration und Mehrsprachigkeit Celans Schreiben in hohem Maß geprägt; zum anderen ist aber auch die globale Dimension der Literatur, nämlich der weltliterarische Gestus seines Schreibens, in den Texten stets präsent.
Zum Repertoire sozialistischer Helden und Märtyrer gehört die Figur des Kindermärtyrers, die auch in der sowjetischen Kultur seit den 1920er und 1930er Jahren Hochkonjunktur hatte. In der Presse, der Literatur wie im Film wurden zahlreiche Geschichten über Kinder und Jugendliche erzählt, die an die 'lichte Zukunft des Kommunismus ' glaubten und bereit waren, selbstlos ihr Leben für diese zu opfern. Solche Geschichten über jugendliche Opfer zählten - wie traditionell in vielen Kulturen und Gesellschaften - zu den zentralen Gründungs- und Opfermythen des Sowjetsystems. Das Selbstverständnis der Sowjetmacht als Schöpferin einer neuen Weltordnung, das radikale Zerstörungspraktiken zu legitimieren schien, war mit einer Neuordnung des gesamten symbolischen Kapitals russischer Geschichte verbunden. Einerseits wurden tradierte Symbole den veränderten Bedingungen angepasst und semantisch umcodiert, andererseits wurden den Anforderungen der Ideologie entsprechende neue Zeichen und Symbole in Umlauf gebracht. Mit den realen wie fiktiven Märtyrerfiguren wurden insbesondere in den ersten beiden Jahrzehnten nach der Oktoberrevolution von 1917 wirkmächtige Symbole zur Regulierung der für die Menschen nahezu täglich spürbaren Gewalt bereitgestellt. Die Märtyrerfigur als kulturelles Deutungsmuster funktionierte offenbar weiterhin - ungeachtet der radikalen Absage der Sowjetmacht an die Religion - als propagandistisches Instrument und ermöglichte Verknüpfungen (wie z. B. von Gewalt und Kult, Tod und Verehrung, Opfer und Quasi-Sakralem).
Person – Figur – Rolle – Typ I : Kulturwissenschaftliche und kultursoziologische Zusammenhänge
(2013)
LiTheS Nr. 9: Person - Figur - Rolle - Typ I präsentiert u. a. die Ergebnisse der im Rahmen der LiTheS-Tagung gleichen Titels im Mai / Juni 2013 an der Universität Graz geführten und davon angestoßenen Diskussionen. Gefördert vom Vizerektorat für Studium und Lehre, vom Vizerektorat für Forschung und Nachwuchsförderung, vom Dekanat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens- Universität Graz, vom Land Steiermark und der Stadt Graz.
Person – Figur – Rolle – Typ II : Kulturwissenschaftliche und kultursoziologische Zusammenhänge
(2014)
LiTheS Nr. 11: 'Person - Figur - Rolle - Typ II' präsentiert u. a. die Ergebnisse der im Rahmen der LiTheS-Tagung gleichen Titels im Mai / Juni 2013 an der Universität Graz geführten und davon angestoßenen Diskussionen. Gefördert vom Vizerektorat für Studium und Lehre, vom Vizerektorat für Forschung und Nachwuchsförderung, vom Dekanat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens- Universität Graz und vom Land Steiermark.
Am Zentralinstitut für Literaturgeschichte (ZIL) der Akademie der Wissenschaften der DDR arbeitete seit 1976 eine von Peter Weber geleitete Arbeitsgruppe an einem "Kunstperiode" genannten Projekt, dessen Ergebnisse 1982 in einem Sammelband der vom ZIL im Akademie-Verlag herausgegebenen Reihe Literatur und Gesellschaft publiziert wurden. Den einzelnen Studien zur deutschen Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts der ProjektmitarbeiterInnen - zu Beziehungen von Ökonomie, Staatskritik und Kunstidee in der Rezeption von Adam Smith (Anneliese Klingenberg), zur frühen geschichtsphilosophischen Konzeption von Friedrich Schlegel (Gerda Heinrich), zu Goethes Theatralischer Sendung und Lehrjahren (Hans-Ulrich Kühl) und zu Problemen der Jean-Paul-Interpretation (Dorothea Böck) - war eine "Einleitung: 'Kunstperiode' als literarhistorischer Begriff" des Projektleiters vorangestellt, die in den Mittelpunkt einer vergleichsweise breiten Diskussion in der Fachöffentlichkeit geriet. Sie wurde nicht nur dadurch ausgelöst, dass Weber, der am Band 7 1789 bis 1830 der offiziellen Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart "[v]erantwortlich für den Teil 1789 bis 1794" mitgeschrieben hatte, für "die deutsche Literaturentwicklung zwischen ausgehender Aufklärung und Vormärz", für die "kein eigentlicher Periodenbegriff gebräuchlich" sei, einen Periodisierungsvorschlag machte: Kunstperiode, sondern auch durch dessen methodologische Begründung. Insbesondere diese erwies Weber als Vertreter einer der beiden Richtungen, in die sich die DDR-Literaturwissenschaft in den 1970er Jahren differenziert und auch polarisiert hatte mit "zwei verschieden akzentuierte[n] Literaturbegriffe[n]", die Wolfgang Thierse und Dieter Kliche in einer in den Weimarer Beiträgen 1985 publizierten, zunächst internen Auftragsarbeit zur Entwicklung der "Positionen und Methoden" der "DDR-Literaturwissenschaft in den siebziger Jahren" konstatierten: "ein historisch-funktionaler und ein an 'Dichtung' orientierter, denen jeweils unterschiedliche methodische Konsequenzen für die Literaturgeschichtsschreibung immanent sind". In diesem Papier erscheint der "Band 'Kunstperiode'" nach Arbeiten von Rainer Rosenberg zum Vormärz und zur literarischen Kultur der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert
Pfeilzeichen sind im Alltag des postmodernen Menschen mindestens ebenso präsent, wie es die Pfeile im Leben unserer jagenden Vorfahren gewesen sein dürften. Sie übernehmen wichtige Funktionen bei der Orientierung im Raum, bei der Bedienung von Geräten und bei der Tradierung von Wissen. Pfeilzeichen finden sich draußen wie drinnen, in gedruckten wie in digitalen Medien, sie sind Bestandteile von Bildern, Texten und mathematischen Formeln und vermitteln in vielfältiger Weise zwischen Text, Bild und Zahl. Im Laufe der Zeit hat sich das Pfeilzeichen zu einer hochflexiblen Zeichenfamilie mit einem breiten Spektrum an Formen, Bedeutungen und Funktionen entwickelt. Diese "semiotische Karriere" des Pfeilzeichens möchten wir im folgenden Abschnitt an ausgewählten Beispielen aus Kunst, Literatur und Alltag nachzeichnen, um uns anschließend der erneuten Ausdifferenzierung des semiotischen Potenzials in den neuen Medien zuzuwenden. Die Pfeilzeichen dienen uns dabei als Beispiel, um drei Thesen über Prozesse semiotischen Wandels zu belegen: 1. Neue Zeichenfunktionen und -bedeutungen bilden sich stets auf der Basis bereits vorhandener Funktionen und Bedeutungen heraus. Dabei werden alte Bedeutungen in den seltensten Fällen ersetzt; vielmehr handelt es sich um Prozesse semiotischer Ausdifferenzierung, bei der "ältere" Funktionen und Bedeutungen mit verändertem Stellenwert erhalten bleiben. 2. Die Ausdifferenzierung erhöht die potenzielle Ambiguität von Zeichen und Zeichenkomplexen, sodass deren Interpretation den Zeichenbenutzern immer mehr abverlangt. Gerade am Beispiel der Pfeilzeichen lässt sich sehr gut zeigen, dass deren Funktion und Bedeutung in hohem Maße kontext- und mediengebunden ist und in neuen Medien oft neu erlernt werden muss. 3. Grundlegend für die semiotische Ausdifferenzierung des Pfeilzeichens ist der Stellenwert des Pfeils in einem komplexen Handlungsrahmen, auf den wir mit dem Ausdruck "Pfeil-Szenario" Bezug nehmen. Darin dient der Pfeil als Geschoss einer Waffe, z. B. eines Pfeil-Bogens, seltener auch einer Armbrust oder eines Blasrohrs. Der Pfeil ist ein Element der gesamten Waffe, die sich aus Pfeilspitze, Schaft, Federn (und Ritze) zusammensetzt.
This essay is concerned with the state of the concept of »work« in the realm. of literature. Around 1800, "work" becomes a central reflective category in the field of literature, as well as in philosophical and literary aesthetics. In the last two decades of the 18th century, especially within Goethe's and Schiller's classicist concepts of literature, "work" and "art"/"poetry" are generally considered unconnected, as is an economic and aesthetic attitude towards nature. Where the spheres of "art"/"poetry" and "work" are linked to each other this relationship is defined as one of opposition, as can be seen especially in Goethe's novel Wilhelm Meisters Lehrjahre and in Schiller's essay Über die ästhetische Erziehung des Menschen. This changes significantly with the re-conceptualization of literature by the German Early Romantics. Not only does the sphere of "work" - now regarded as something meaningful - become at this moment in the course of the· evolution of the literary system an eminent topic within literature and literary aesthetics, the poetic activity itself becomes - suddenly - conceptualized as "work" and the writer thought of as a "worker". This essay first raises the question of what cultural changes might follow the approaching end of the "working society" in Western societies before proceeding to this important turning point in the self-conceptualization of the literary system in relation to the modem concept of "work".
Ist von Polyglossie oder Multilingualität die Rede, so kann damit Verschiedenes gemeint sein: Erstens die literarische Mehrsprachigkeit einzelner Autoren oder Kulturgemeinschaften, die in verschiedenen Sprachen kommunizieren und Texte verfassen – ohne dass ein und derselbe "Text" notwendig mehrsprachig sein muss. Dabei handelt es sich um ein traditionsreiches Phänomen: Man denke nur an das jahrhundertelange Nebeneinander von Volkssprache und Latein in mehreren europäischen Kulturen zwischen Spätantike und Früher Neuzeit, an das Französische als Konversationssprache unter Adligen und Gebildeten bis ins 19. Jahrhundert hinein, an die Konkurrenz von indigenen und offiziellen Sprachen in kolonialen Kontexten sowie an Regionen und Nationen wie die Schweiz, Belgien und Kanada, in denen bis heute mehrere Sprachen gleichberechtigt oder aber qua Trennung von Schrift- und Umgangssprache in Gebrauch sind. Zählt man auch dialektale Varianten dazu, so gibt es wohl keine monolingualen Nationen und auch keine monolingualen Nationalliteraturen. Neben solchen regionalspezifischen und sprachpolitischen Konstellationen gibt es außerdem verschiedenste individualbiographische, aus denen mehrsprachige Autoren hervorgehen, die in mehreren Sprachen schreiben und publizieren – diese Sprachen aber nicht unbedingt in einem Text vermischen.
Untersuchungen über das Verhältnis von Musik und Sprache sowie über Literaturverfilmungen haben sich zu einer regelrechten Mode entwickelt. Erstere wurden dabei besonders durch die Veröffentlichungen von Stephen Paul Scher angeregt, um dessen Begriff der 'verbal music' es im folgenden gehen soll: An Hand zweier Beispieltexte und ihrer Verfilmungen - Thomas Manns "Doktor Faustus" und Robert Schneiders "Schlafes Bruder" - wird die Darstellung musikalischer Werke im Text und die Umsetzung dieser Schilderungen in das Medium Film beleuchtet. Welchen Gesetzlichkeiten gehorcht die Schilderung in Sprache und welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Eigenheiten und Vorgaben in bezug auf eine nochmalige Übertragung in ein fremdes Medium, nämlich das des Films?
Obwohl mit dem "Personenkult" um Josef Stalin (1878−1953) vor allem die Inszenierungen seiner Macht und sein Führungsstil bezeichnet werden, ging der Kult um seine Person über den Rahmen des Politischen hinaus: Stalin wurde mit der Zeit zunehmend zu einer kulturstiftenden Figur, ja gar zu einem kulturellen Symbol stilisiert, das eine ganze Epoche prägte. Wenn überhaupt von einem "Gesamtkunstwerk Stalin" (Boris Groys) die Rede sein kann, dann bezeichnet dieser Begriff gleichermaßen die Epoche Stalins wie ihren Hauptprotagonisten, dessen Selbstinszenierungen als ein Kulturphänomen, ein 'Kunstwerk' der Zeit betrachtet werden können. In diesem "Gesamtkunstwerk" erscheint er sowohl als ein demiurgischer Herrscher als auch als ein prometheischer Heros - als Befreier und Kulturstifter. Der "Führer", der die sowjetischen Völker zum Siege führt, ist zugleich der "Lehrer", der lehrt was richtig und was falsch ist. [...] Er ist eine Figur der Revolution, berufen, sein Land aus dem Chaos zu führen und eine neue Ordnung herzustellen. Diese neue Ordnung reicht über das Machtpolitische hinaus ins Kulturelle: Der revolutionäre Heros ist ein Kulturstifter, dessen Mission eine prometheische Tat, und zwar die Erschaffung eines neuen Menschen ist. Die Herrscher, die als Kulturheroen inszeniert werden, sind vor allem nationale Heroen und werden mit einer Nation identifiziert, die sie vertreten. Im Falle Stalins ist dieses Modell komplizierter, denn er steht an der Spitze des Vielvölkerstaates, der sich als eine "Völkerfamilie" darstellt. Daher muss er als Heros für alle Völker der UdSSR gleichermaßen gelten. Zugleich ist er aber ein Georgier und diese Tatsache beschert seinem Geburtsland eine symbolische Sonderstellung, sie verleiht Stalin als kulturheroischer Figur gewissermaßen zwei Gesichter: das allgemeinsowjetische und das national-georgische.
Als Stanisław Lem am 27. März 2006 im Alter von 85 Jahren in Krakau starb, schien sein Stern bereits im Sinken zu sein. Seine Bücher hatten Millionenauflagen erzielt und er war neben Ryszard Kapuściński der weltweit erfolgreichste polnische Autor, mit Übersetzungen in mehr als 40 Sprachen. Aber angesichts des Zusammenbruchs des Realsozialismus, einer krisenhaften neuen Weltordnung sowie der sich abzeichnenden Klimakatastrophe wirkten seine Spekulationen über die fantastischen Irrungen der Menschheit seltsam anachronistisch. [..] Die unzähligen Veranstaltungen, Publikationen und Projekte zu seinem 100. Geburtstag am 12. September dieses Jahres wollen seinen Stern noch einmal zum Strahlen bringen. [...] Abseits aller tagespolitischen Konflikte und globalen Krisen bietet das Jubiläum Anlass, noch einmal grundsätzlich über das Verhältnis von Mensch und Maschine, Geist und Materie, Wissenschaft und Kultur, Technologie und Gesellschaft, Zufall und Fortschritt nachzudenken.
Quantitative Textanalyse wird oft mit empirischer Literaturwissenschaft verwechselt oder als Wörterzählen verniedlicht. Gerade in den Anfängen der Romanistik, als Linguistik und Literaturwissenschaft noch wesentlich enger verknüpft waren, wurde jedoch auch in der Textanalyse literarischer Werke mit Konkordanztabellen und anderen äußeren Strukturmerkmalen von Texten gearbeitet. Heute wird im Kontext der Digital Humanities in der Literaturwissenschaft versucht, Erkenntnisse aus dem Bereich der forensischen Linguistik und Autorschaftsattribution auch zur literarischen Stil- und Gattungsdiskussion zu verwenden. Die Methode der Stilometrie nutzt dabei vor allem das leicht zugängliche Tool stylo für das Statistikprogramm R, das von der Gruppe computational stylistics entwickelt wurde.
Der Workshop setzt sich aus folgenden Teilen zusammen:
1. Einführung in die quantitative Textanalyse im Kontext der Digital Humanities
2. Erläuterung der Funktionsweise von Stilometrie: mathematische Distanzmaße und statistische Verteilung
3. Anwendungsbeispiel mit stylo für R
Wenn es Ziel des literarischen Realismus ist, die Wirklichkeit darzustellen, dann stellt Theodor Storms Novelle 'Der Schimmelreiter' (1888) ein paradigmatisches Beispiel für diese Bewegung dar. Der Text ist nicht nur darin exemplarisch, dass er ein überlegenes Niveau an sozialer und psychologischer Wirklichkeitsnähe erreicht, sondern auch dadurch, dass er die eigentlichen Vorgänge und Begrenzungen, die jeder Darstellungsgeste eigen sind, dramatisch inszeniert. Storms Novelle legt die Sehnsüchte bloß, die Frustrationen und Opfer, die jeden Versuch, vorsprachliche Erfahrungen in sprachliche Form zu verwandeln, zwangsläufig begleiten. Anhand der unvergesslichen Schilderung seines Protagonisten, Hauke Haiens, der nahezu eigenhändig den Dorfbewohnern mehr bewohnbares Land verschafft, macht Storm die überzeitliche, mythische Konfrontation des Menschen mit dem unbändigen Meer zur Allegorie für das realistische Projekt. Vermittels eines allegorischen Schemas wird Hauke Haiens hydrotechnische Arbeit mit Storms literarischen Bemühungen parallelisiert. Diese miteinander verbundenen Aufgaben sind beide geographisch, insofern sie Einschreibungen in die Erde durch technē sind und das im doppelten Sinne des Wortes: als Technik und Kunst. Genauso wie der Deichgraf dem Meer mehr ertragreiches Land für seine Nachbarn entreißt, integriert der Schriftsteller mehr Wirklichkeit für seine Leser; genauso wie das neue Land durch den sorgfältigen Deichbau gesichert wird, ist die Erzählung durch eine Reihe vielschichtiger Rahmen geschützt; und genauso wie die erworbene Siedlung von Überschwemmungen bedroht bleibt, schließt die Geschichte, um beständig zu sein, ein widerspenstiges Element in sich ein, welches das ganze Unternehmen motiviert wie aber auch gefährdet. Dieser letzte Punkt wirkt sich vernichtend auf das realistische Darstellungsprojekt aus, das ja einen Sinngehalt artikulieren will, also eine Artikulation anvisiert, die sich direkt auf das Bild der Küste bezieht, genauer auf die Linie, welche Land und Meer voneinander trennt.
Der Begriff des Rahmens hat in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichsten Kontexten Konjunkturen erlebt: in der Anthropologie und der Soziologie als kontextsensibler Handlungsrahmen, in den Theaterwissenschaften als Inszenierungsrahmen, in der Literaturwissenschaft als paratextuelle Rahmung, in der Linguistik als kognitiver Repräsentationsrahmen respektive als Skript – und, nicht zu vergessen, in der Kunstwissenschaft als Bildrahmen. Dabei steht jede "Aufmerksamkeit für Rahmungen" in einem Spannungsverhältnis zwischen einem Interesse für explizite, sprich: materielle und insofern sichtbare Formen der Rahmung einerseits und einem Interesse für implizite, konzeptionelle, sprich stillschweigend vorausgesetzte Interpretationsrahmen andererseits. Zugespitzt formuliert könnte man sagen: Das Problemfeld 'Rahmen' wird durch das Verhältnis von phänomenaler Rahmenwahrnehmung und funktionalem Rahmenwissen bestimmt, wobei sich in der Verhältnisbestimmung zugleich die Rahmenbedingungen von textuellen, theatralen, pikturalen und technischen Konfigurationen zeigen.
Bilder von Gesichtern sind immer interpretiert und entworfen. Sie setzen weniger die konkrete Person in Szene als vielmehr das, was an ihr als bedeutsam erachtet wird. Seit Jahrhunderten konzentrieren sich auf dem Gesicht vielfältigste Deutungen, Ansprüche, Wünsche und Zuschreibungen, die einer bündig entwickelten Geschichte des Gesichts im Wege stehen. Das Buch betrachtet religions-, wissens-, literatur- und kunsthistorische Zäsuren, in denen sich ein je neuartiger Bezug von Gesichtszeichen und Bildgebung formiert. Im Fokus stehen Positionen, die das Gesicht demonstrativ ausstellen, es verstellen oder vermeiden und aussparen. Gelöschte, geleerte, verschattete, fragmentierte, verdrehte, rückansichtige Gesichter rühren epistemologisch und ästhetisch an den Rand des Erkennbaren. Sie sind noch als Gesichter erfassbar, als lesbare Oberflächen werden sie jedoch prekär und gehen nicht länger in Gewissheit und Wiedererkennung auf.
Die folgenden Ausführungen verstehen sich deshalb als erste Erkundungen im Bereich einer Frage, die weitaus weniger 'unzeitgemäß' ist, als sie auf den ersten Blick anmutet. Sie schlagen den Bogen zurück zum 'grundlegendsten' und 'universalsten' Theorieprogramm, welches das abendländische Denken lange zu bieten hatte: zur Ontologie. Im Lichte der perennierenden Problemhorizonte des ontologischen Denkens soll im Folgenden die Frage nach einer ontologischen Bestimmung der schönen Literatur erneut aufgeworfen werden - und trotz der Probleme dieser Frage anhand einer möglichen Antwort nachgewiesen werden, warum dieses Theorieprogramm auch literaturtheoretisch nicht einfach aufgegeben werden sollte.
Die Beziehung von res und verba ist ihrem Grunde nach eine sprachphilosophische. Sie handelt von jenen Dingen, die überhaupt der Sprache zugänglich sind, bzw. von jenen Gegenständen, welche durch ihre Artikulation erst zu Dingen der Sprache werden. Der Fokus der Überlegungen konzentriert sich auf die Organisation des Verhältnisses von res und verba, für das über Jahrtausende hinweg in erster Linie die Rhetorik zuständig gewesen ist. Diesem liegen allerdings tatsächlich zwei sprachphilosophische Annahmen zugrunde, die von gegensätzlichen Voraussetzungen ausgehen.