CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (1935)
- Part of a Book (1516)
- Review (465)
- Part of Periodical (351)
- Book (183)
- Conference Proceeding (66)
- Report (51)
- Working Paper (21)
- Preprint (14)
- Periodical (9)
Language
- German (3786)
- English (524)
- Portuguese (139)
- French (68)
- Turkish (42)
- Multiple languages (39)
- Spanish (11)
- Italian (8)
- Polish (3)
- Hungarian (2)
Keywords
- Literatur (481)
- Rezension (301)
- Rezeption (197)
- Vergleichende Literaturwissenschaft (184)
- Deutsch (181)
- Übersetzung (177)
- Geschichte (163)
- Benjamin, Walter (153)
- Ästhetik (152)
- Begriff (150)
Institute
- Extern (200)
- Neuere Philologien (5)
- Universitätsbibliothek (3)
- Präsidium (2)
- MPI für empirische Ästhetik (1)
- Sprach- und Kulturwissenschaften (1)
Die am 6. August 1953 gegründeten Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar (NFG) waren eine privilegierte wissenschaftliche und kulturelle Einrichtung der DDR. Dies entsprach der großen Wertschätzung des "kulturellen Erbes" in diesem Staat. Die Weimarer Klassik sollte "Gemeingut der ganzen Gesellschaft" werden. Das galt, bei allen konzeptionellen Wandlungen, für die Geschichte der DDR von ihrer Gründung im Goethe-Jahr 1949 bis zu ihrem Ende im Herbst 1990 und ist nur ein Beispiel für den Versuch, die Werke der Weltkultur den Bürgern im Geiste des Marxismus-Leninismus nahezubringen und für den Aufbau des Sozialismus produktiv zu machen.
Die Stiftung Weimarer Klassik (SWK) wurde als Nachfolgerin der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar (NFG) in zwei Schritten errichtet: 1991 durch Erlass des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft und Kultur als "unselbständige", 1994 durch Gesetz als "rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts". Schon im ersten Dokument sind die "Bewahrung und Erhaltung", "Erschließung und Erforschung" sowie "Vermittlung und Verbreitung" der überlieferten Traditionsbestände als Aufgaben dieser Institution festgeschrieben. Und im 'Thüringer Gesetz über die Errichtung der Stiftung Weimarer Klassik' vom 8. Juli 1994 ist als Stiftungszweck formuliert, "die Stätten und Sammlungen der klassischen deutschen Literatur in Thüringen in ihrer Einheit zu erhalten, zu bewahren und zu ergänzen, sie in geeigneter Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Erschließung, Erforschung sowie die Präsentation, Vermittlung und Verbreitung dieses kulturellen Erbes zu fördern." Demnach sind "Bewahrung und Erhaltung", "Erschließung und Erforschung" und "Vermittlung und Verbreitung" als untrennbare Einheit zu begreifen. Doch dürfte genauso klar sein, dass die bewahrenden und erschließenden Funktionen prioritär zu verwirklichen sind, denn ohne die vollständige Erfüllung dieser vorrangigen Aspekte des Stiftungszweckes könnte sich die Institution den weiteren wissenschaftlichen und kulturellen Pflichten überhaupt nicht erfolgreich zuwenden. Daher hat sich das vordringliche Interesse der SWK darauf zu richten, die überlieferten Bestände einerseits in ihrer materiellen Substanz (Bauwerke, Bücher, Handschriften, Kunstsammlungen etc.) zu bewahren und zu sichern und andererseits zu erschließen. Nur bei unbedingter Beachtung dieser Voraussetzung ist es möglich, die kulturellen Traditionen durch Ausstellungen, Tagungen und künstlerische Inszenierungen in ihrer gegenwärtigen geistigen und ästhetischen Bedeutsamkeit zu vermitteln, mit welcher Konzeption und in welchen Proportionen dies auch immer sein mag. Es ist also zu klären, inwieweit die einzelnen Elemente des Stiftungszweckes in den ersten Jahren nach Errichtung der SWK zur Geltung kamen, welche kurzfristigen, vor allem aber langfristigen Schwerpunkte sie setzte und durchsetzte.
Wer von Graciáns allegorischer Kunst reden möchte, muss zunächst einmal klären, welchen Begriff des Allegorischen er dabei eigentlich genau zugrunde legen möchte, denn der Gebrauch des Wortes "Allegorie" ist traditionell unscharf und überwölbt mehrere Problemfelder, die zwar miteinander verknüpft sind, aber keineswegs identisch. Erstens ist da die Allegorie als eine Technik der Personifikation, mit der abstrakte Eigenschaften oder Entitäten sinnlich anschaulich gemacht werden können wie z. B. in der Darstellung des Prinzips der Gerechtigkeit durch eine Göttin, die eine Wage in ihrer Hand hält. Diese Spielart der Allegorie kann – wegen ihres geradezu technischen Charakters – sicher am leichtesten gehandhabt werden, weshalb sie auch die einzige ist, die noch heute in der pädagogischen Praxis des Schulunterrichts Verwendung findet. Historisch setzte diese – mit Ausnahmen, die umso schwerer wiegen – im Grunde bis heute anhaltende Verkürzung des viel umfangreicheren allegorischen Komplexes auf die Technik der veranschaulichenden Personifizierung in der Ästhetik des 18. Jahrhunderts ein und war wohl Voraussetzung für eine im Zeichen der Aufklärung betriebene Diskreditierung der Allegorie als einer ebenso geistlos-mechanischen wie "unnatürlichen" Darstellungsform.
Im Folgenden sollen drei Beispiele für Migrationsprozesse skizziert werden, bei denen sich Wanderbewegungen von musikalischen Fachbegriffen und den in diesen verdichteten musikalischen Prozessen mit semantischen Transformationen verbinden. Angesiedelt sind die Beispiele in unterschiedlichen kulturellen Räumen, und sie migrieren zwischen verschiedenen räumlichen Bezugssystemen auf jeweils eigene und besondere Art. Auch unterschiedliche Zeitbereiche werden angesprochen, wenngleich alle drei Fallbeispiele in der Frühen Neuzeit angesiedelt sind.
Weltschmerz
(2018)
"Nur sein [Gottes] Auge sah alle die tausend Qualen der Menschen bei ihren Untergängen - Diesen Weltschmerz kann er, so zu sagen, nur aushalten durch den Anblick der Seligkeit, die nachher vergütet." Und so kommt er in die Welt, dieser eigentümliche Schmerz, der im Kontext seiner literarischen Geburt zunächst ein rein göttliches Befinden auszudrücken scheint, als 'Genitivus objectivus' vielleicht aber auch den Schmerz der Welt postuliert. Sein Schöpfer Jean Paul (1763−1825) hat den Begriff im Text nicht eigens markiert, ihn weder formal noch erklärend als Neuschöpfung konstituiert. Der Weltschmerz tritt eher beiläufig auf (das "so zu sagen" im Zitat bezieht sich auf das göttliche Aushalten desselben); er fügt sich in den Text, als wären Autor und Leser gleichermaßen vertraut mit ihm. Und tatsächlich wird der 'Weltschmerz' im Nachhinein als eine Art Begriffsvehikel für ein weitgehend älteres Befinden gedeutet - eine innere Zerrissenheit und Trauer über die Unzulänglichkeit der Welt -, das keiner zusätzlichen Erläuterung bedurfte und in der Spätromantik lediglich ein neues sprachliches Gewand erhielt.
Die Weltschmerzorganisation (IASP) definiert Schmerz als "ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis", das als 'drückend', 'scheußlich', 'heiß' oder als '7' auf einer Skala dargestellt werden kann. Er lässt sich als erhöhte neuronale Aktivität beschreiben und kann mittels bildgebender Verfahren in spezifischen Hirnarealen 'sichtbar' gemacht werden. Und doch bleibt der Schmerz ein rein subjektiv erlebtes Phänomen, das sich strikten Messungen entzieht. Wann also wird ein Reiz zum Schmerz? Der Vortrag spürt der Wandlungsfähigkeit des Schmerzerlebens anhand von Beispielen aus Wissenschaft, Kultur und Geschichte nach.
Kaum ein Text von Johannes R. Becher hat in der Weimarer Republik für so viel Furore gesorgt wie sein zweiter Roman "(CHCl=CH)3As (Levisite) oder Der einzig gerechte Krieg (1926)", stand er doch im Mittelpunkt des gegen den Autor eingeleiteten Hochverratsprozesses, der den öffentlichen Protest verschiedener Schriftsteller gegen die Unterdrückung freier Meinungsäußerung zur Folge hatte. Als Levisite 1926 erschien, ermittelten die Behörden bereits einige Zeit gegen den Kommunisten Johannes R. Becher. [...] Da die Forschungsarbeiten zu Becher schwerpunktmäßig aus der DDR-Germanistik stammen, kritisieren die vorliegenden Studien oftmals die Form, in der die ideologische Botschaft artikuliert wird. Geprägt von der Skepsis gegenüber experimenteller Sprachgestaltung, wie sie in der Formalismusdebatte am deutlichen zum Ausdruck kommt, bemerken sie im Buch einen "krasse[n] Widerspruch zwischen dem sprachexperimentellen Charakter der Dichtung und den politischen Intentionen des Dichters", der die Arbeiterklasse als Leserschaft daher eher abschrecke. Dabei ist der Roman aus dieser Perspektive nur sehr schwer zu fassen. Hierfür ist ein Ansatz vonnöten, der in der Lage ist, die ästhetische Form und den Inhalt zusammenzudenken, und der das Werk zudem im Kontext des Hochverratsprozesses gegen Becher beleuchtet. Denn "Levisite" ist als bewusster Skandalroman angelegt und in dieser Weise als performativ-politisches Statement, das im fiktionalisierten Rückbezug auf den Autor dessen Entscheidung für den Kommunismus legitimiert. Das Problem, wie man Kunst und Leben zusammenbringen soll, beschäftigt die Frühe Moderne seit den naturalistischen Manifesten. Becher selbst vertritt Zeit seines Lebens ein Konzept, nach dem beide Dimensionen unmittelbar ineinander übergehen oder sich gegenseitig befruchten. Bechers Werk wird also nur verständlich, wenn man die Selbstinszenierungsstrategien seines Autors mit in den Blick nimmt. Dies gilt auch für die einer solchen Egozentrik scheinbar eher abträgliche politisch-engagierte Literatur der 1920er Jahre, wie sich am Beispiel von "Levisite" besonders gut zeigen lässt. Im Gegensatz zum konventionellen Bild der proletarisch-revolutionären Literatur, das vom Sozialistischen Realismus und der Arbeiterliteratur geprägt ist, erinnert der Roman den heutigen Leser daran, dass es eine kommunistische Avantgarde auch außerhalb der Theaterexperimente eines Erwin Piscator oder Bertolt Brecht gab. Er zeigt eine kommunistische Bewegung, die noch auf der Suche nach dem idealen Weg ist, um die politischen Machtstrukturen durch Kunst verändern zu können. Bechers Antwort auf diese Frage hat viel mit ihm selbst zu tun, weil sich die intendierte Wirkung des Buchs nicht unbedingt dadurch entfaltet, dass sich der Leser die Protagonisten zum Vorbild nimmt. Der Roman ist vielmehr das wichtigste Instrument Bechers, die Wahrnehmung seiner eigenen Person in der Weimarer Republik zu beeinflussen und sich selbst als Exempel des politisch verfolgten Schriftstellers zu inszenieren, womit der Inhalt der Romanhandlung in der Realität Bestätigung findet.
Dieses Buch untersucht Konzeptionen der Mimesis und des Mimetischen in der Kontaktzone zwischen Ethnologie und (post-)surrealistischer Avantgarde im Paris der 1930er Jahre: bei Georges Bataille, Roger Caillois, Michel Leiris und im außerakademischen Forschungskollektiv Collège de Sociologie. In den Texten und Projekten der drei Autoren kreuzen sich ästhetische und ethnologische Diskurse - mit dem Ergebnis einer umfassenden 'Entgrenzung' der Mimesis und des Mimetischen. Die künstlerischen, wissenschaftlichen und politischen Praktiken, die im Zentrum von Batailles, Caillois' und Leiris' Überlegungen standen, sind nicht auf die optische imitatio oder die bloß poietische Neuschaffung der Welt beschränkt. Sie sollten vielmehr umfassende Transformationsprozesse initiieren, die nicht zuletzt das mimetisch agierende Subjekt selbst erfassen. Eine Studie über die Einschreibung des sogenannten 'Primitiven' in die künstlerischen und literarischen Diskurse zu Beginn des 20. Jahrhunderts, über die Faszination der Avantgarde für 'primitive Denkweisen' und den Wunsch, sich diese Denkweisen auf mimetische Art und Weise anzueignen - und über die umfassenden ästhetiktheoretischen Revisionen, die daraus folgten.
Proletarier
(2018)
Der These des Begriffshistorikers Werner Conze – enthalten schon im Titel seines Aufsatzes von 1954: "Vom 'Pöbel' zum 'Proletariat'. Sozialgeschichtliche Voraussetzungen für den Sozialismus in Deutschland" - hat der radikale Sozialhistoriker Ahlrich Meyer bescheinigt, im Gewand "neutraler" Begriffsgeschichte im nachhinein bloß ein sozial-eliminatorisches Programm zu sanktionieren, dessen letzte Konsequenzen erst die Nazis endgültig exekutiert hätten - mit tatkräftiger "wissenschaftlicher" Unterstützung von Historikern wie dem Conze-Freund Theodor Schieder oder eben Conze selbst. Die "postnazistische" westdeutsche Geschichtswissenschaft habe letztlich bloß das alte "nazistische Programm der staatlichen Integration der deutschen Kernarbeiterklasse auf die Geschichte projiziert". Wie dem auch sei - auch hier wird einmal mehr deutlich, dass Begriffsgeschichte von Begriffspolitik nicht zu trennen ist. Aber zurück zum Vormärz: Wie immer man die "Conze'sche Integrationsthese" (Meyer) einschätzen mag, mit dem 'Pöbel' und dem 'Proletariat' stehen sich zwei sozialhistorische Protagonisten gegenüber, deren Begriffsgeschichte im Deutschen allemal problematisch ist.
System
(2022)
Das 'System' erregt starke Gefühle. Das gilt, nach wie vor, in der Wissenschaft, das gilt aber auch im Bereich des Politischen, wo 'das System' (früher) von links und (heute) von rechts abgelehnt wurde und wird. Auch wenn der Kampf gegen das 'Schweinesystem' dem Hass auf 'Systemparteien' und 'Systempresse' Platz gemacht hat - kühl abwägend oder unbefangen neugierig steht dem System niemand gegenüber. Es gehört zur Aufgabe einer theorie- und begriffshistorischen Annäherung an den Systembegriff, auch die starken Gefühle zu verstehen, die dieser hervorruft.
Verrufenes historisieren
(2019)
Idee und Ideologie des Fortschritts wurden im 19. Jahrhundert nicht zuletzt von den historischen Wissenschaften hervorgebracht und durch die enormen Fortschritte der Wissenschaften ungemein plausibilisiert. [...] Vielleicht müssen wir rabiat werden, wenn wir den uns immer noch selbstverständlichen ideologischen Komplex von Fortschritt, Zeit und Historisierung verstehen und überwinden wollen; Immanuel Wallerstein hat dafür einmal die sprachlich gewöhnungsbedürftige Formel eines "Unthinking the 19th Century" ins Spiel gebracht. Vielleicht müssen wir unsere begrifflichen und rhetorischen Routinen - die auch in Deckbegriffen wie der Moderne, der Gesellschaft oder der Wissenschaft noch wirksam sind - irritieren, etwa durch 'illegitime', 'unwissenschaftliche' oder verrufene Formen des Historisierens.
Der Beitrag von Patrick Eiden-Offe schließlich verlässt den Komplex der Wissenschaftssprache und untersucht Deutsch als Literatursprache in der Hymnik Friedrich Hölderlins. Man könne Hölderlins Werk mit gutem Recht auf die Frage festlegen, "wie und ob überhaupt das Deutsche eine Sprache der Dichtung sein oder werden kann". Ähnlich wie die Wissenschaft und ihre Sprache werde Deutsch von Hölderlin dabei nicht als eine "Gegebenheit", sondern als eine "Aufgabe" betrachtet, die die eigene Lyrik maßgeblich (mit) zu realisieren habe. Hölderlin lasse dieses Projekt in eine komplexe geschichtsphilosophische Reflexion ein, die seine hochartifizielle Sprache der 'Natur' gerade wieder (oder überhaupt erst) nahebringen solle. Dass ein solches literarisches Programm strukturelle Affinitäten sowohl zur Grimm'schen Sprachwissenschaft als auch zum (system-)philosophischen Bemühen um Verständlichkeit und Popularität birgt, ist evident.
Am 6. August 1975 lädt der Verlag Roter Stern in Frankfurt am Main zu einer Pressekonferenz ins Hotel Frankfurter Hof. Hier präsentieren der Verleger KD Wolff, ehedem Bundesvorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, und der ehemalige Werbegrafiker D.E. Sattler den Einleitungsband ihrer neuen Hölderlin-Ausgabe. Die zwanzigbändige Edition soll in fünf Jahren abgeschlossen sein; tatsächlich erscheint der letzte Band 2008. Aufsehenerregend war die neue Ausgabe vor allem wegen ihrer Editionsprinzipien: Alle Handschriften werden im Faksimile wiedergegeben, eine "typographische Umschrift" bildet die Schriftbildlichkeit der Handschriftenblätter ab, eine "Phasenanalyse" macht den zeitlichen Charakter des Entwurfsprozesses nachvollziehbar. Aufsehenerregend war aber auch, dass die Frankfurter Hölderlin-Ausgabe (FHA) von Anfang an unter einem politisch-aktivistischen Stern stand: "Roter Stern über Hölderlin" oder "Liest Marx jetzt Hölderlin?" lauteten einschlägige Überschriften in der Presse.
Der Einsicht, dass die Zeitschrift kein simpler "cargo truck" für intellektuelles Frachtgut ist, wird inzwischen auch in der Forschung Rechnung getragen. Damit wird nachgeholt, was für die 'history of books' schon längst selbstverständlich ist: Zeitschriften weisen Eigenlogiken auf, die kultur- und wissensgeschichtlich untersucht werden können und sollten. Nicht zuletzt sind sie immer auch Interventionen in eine spezifische historische Situation. [...] Periodika sind in der Geschichte der Ideen und Theorien, der Künste und der Wissenschaften der Neuzeit allgegenwärtig, und gerade deshalb sind sie theoriebedürftig. Der Arbeitskreis Kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung hat sich 2017 als Initiative von und für Nachwuchsforscher*innen gegründet, die über Perspektiven auf diesen selbstverständlich-unselbstverständlichen Gegenstand nachdenken.
Unsere wichtigsten Informationsquellen zur antiken Medizin sind Texte und Artefakte, archäologische und anthropologische Überreste (wie etwa Skelette, mumifiziertes menschliches Gewebe, Nahrungsreste oder Spuren von Lebensgewohnheiten). Im Laufe der Zeit sind jedoch viele dieser Belege durch Feuereinwirkung oder Verfall aufgrund ungünstiger Umweltbedingungen, oder auch, weil die Zeugnisse verlegt wurden und nicht mehr auffindbar waren, verloren gegangen oder stark beschädigt worden. Um herauszufinden, wie Menschen in der antiken Welt über die Seele und den Körper dachten und wie sie es mit Gesundheit und Krankheit hielten, müssen Medizin- und Philosophiehistoriker deshalb Detektivarbeit leisten: Auf der Basis fragmentarischen Materials gilt es, relevante Hinweise aufzuspüren und die Vergangenheit zu rekonstruieren. Vergegenwärtigt man sich dabei, dass einige Quellen mehr als 2.000 Jahre alt sind, ist es erstaunlich, wie genau die vorfindbaren Informationen sein können und wie nahe wir damit an die Vorstellungen antiker Menschen herankommen können.
"Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird, so hat man gesagt, der Analphabet der Zukunft sein" (GS II, 385) - eingängig wie ein Slogan steht diese Formulierung im letzten Absatz von Walter Benjamins 'Kleiner Geschichte der Photographie'. Der Autor dieser von Benjamin derart wiedergegebenen und gleichzeitig durch den Einschub 'so hat man gesagt' rhetorisch abgebremsten Parole ist ursprünglich László Moholy-Nagy, der 1927 in der Avantgardezeitschrift 'i 10' prognostiziert hatte, dass "die fotografie [...] in der nächsten periode ein unterrichtsfach wie heute das abc und das einmaleins" sein werde, denn es sei "der fotografie-unkundige der analfabet der zukunft". Moholy präsentiert hier ein Narrativ, das Marshall McLuhan später in ähnlicher Form als Geschichte vom Ende der Gutenberg-Galaxis erzählen wird und das auch schon Moholys und Benjamins Zeitgenosse Béla Balázs im Rahmen seiner Stummfilmtheorie in ähnlicher Fassung angeboten hatten, indem er die Verschiebung von einer "begriffliche[n]" zu einer "visuellen Kultur", bzw. vom lesbaren zum "sichtbaren Geist" diagnostizierte. In allen drei Fällen handelt es sich um die Erzählung eines Leitmedienwechsels, bei dem eine primär schriftlich-buchstabengestützte Kultur von einer primär technisch-bildlich symbolisierenden und kommunizierenden Kultur abgelöst wird. 'Photographische Alphabetisierung' wäre demnach ein 'visual literacy'-Programm, damit diejenigen, die bisher nur schriftlich geschult wurden, auch die Zeichen, oder vielmehr die phototechnischen Bilder, über die Kommunikation künftig stattfinden wird, zu 'lesen' imstande sind.
Im 15. Abschnitt seiner Aesthetik kommt Theodor Mundt auf den Humor als 'burleske Philosophie' zu sprechen. Als erster deutscher Ästhetiker hatte der von dem berühmt-berüchtigten Verbotsbeschluss des Bundestags vom 10. Dezember 1835 gegenüber dem sogenannten Jungen Deutschland hart getroffene Autor 1837 in seiner Abhandlung Die Kunst der deutschen Prosa systematisch die "zeitgemäße Stellung" der deutschen Prosa und damit deren Vorrangstellung gegenüber der Poesie begründet. [...] Richtete Mundt in dieser Abhandlung den Fokus noch auf die "Emancipation der Prosa", ist es in der Aesthetik nun "das Prinzip der Unmittelbarkeit" als "Philosophie der That". Mundt selbst spricht im Vorwort selbstbewusst von dem "von mir neu aufgestellte[n] Prinzip der Aesthetik". [...]
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet.