Praesens Verlag
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Vom 15. bis 16. November 2018 fand in Prag die erste internationale Fachtagung mit dem Titel "Wie schreibt man transkulturelle Literaturgeschichte?" statt. Veranstaltet wurde sie von der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik anlässlich der Gründung der Germano-bohemistischen Forschungsgruppe 2017.
Am Beispiel von zwei Ausstellungskatalogen historischer Ansichtskarten aus Troppau (Opava) vor 1945 geht der Aufsatz der Frage nach, wie in diesen beiden Medien regionale Kontinuitäten repräsentiert werden können. Die Verwendung deutscher neben tschechischen Ortsbezeichnungen sowohl auf den Karten selbst wie in den Kataloglegenden erweist sich dabei als Indikator für Brüche in der Identität, deren angemessene Repräsentation nicht trivial erscheint. Ansichtskarten als Medium sollen eine lokale oder auch nationale Identität über Räume und Zeiten hinweg vermitteln; sie müssen Sprache und Bild verbinden, welche aber unterschiedlich anfällig für Identitätsbrüche sind. Es wird versucht, die Problematik mit Hilfe von H.U. Gumbrechts Begriffsprägung einer erweiterten Chronotope zu beschreiben. Das erweist sich aber gegenüber der traditionellen historischen Methode bestenfalls partiell als Erkenntnisgewinn.
Vom 20. bis 22. September 2017 fand an der Philologischen Fakultät der Universität des Baskenlandes die nunmehr dritte internationale Fachtagung zu literarischen Repräsentationen von Heimat statt. Unter dem Motto "Unheimliche Heimaträume" widmeten sich die Referentinnen und Referenten mehrheitlich der deutschsprachigen Literatur seit 1918. Dennoch gab es auch dieses Mal eine Sektion zur baskischsprachigen Literatur.
Der 'hybriden' Gattung Biographie, zwischen Literatur und Wissenschaft verortet und changierend, wird oftmals Theorieferne vorgeworfen. Der Umstand, dass das Genre Biographie ohne (Regel-)Poetik seine Leserinnen und Leser findet, wird ihm auch heute noch von der germanistischen Literaturwissenschaft angekreidet. Bemühungen jüngerer Zeit, sowohl die ausgelagerte theoretische Reflexion zu würdigen und zu erweitern, als auch die in biographischen Werken enthaltene gattungstheoretische Konzeption aufzuspüren und zu systematisieren, werden unter dem Zeichen der theoretischen Mängelbeseitigung verfolgt. Der Beitrag analysiert die Verknüpfung biographischer Praxis mit Subjekttheorien und stellt die Frage, wie sich aus der Perspektive der Literaturwissenschaft Konzeptionen von Subjekt bzw. Individuum auf die Strukturen biographischer Darstellungen auswirken und inwiefern Biographien zur Verfestigung bzw. Subversion von 'authentischer' und 'konstruierter' Individualität bzw. von Gruppen und Gesellschaften beitragen.
Der Aufsatz beschäftigt sich mit der Bedeutung der Überreste der ehemaligen deutschen Orte in Tschechien in der zeitgenössischen tschechischen Populärkultur. Es wird zuerst das steigende Interesse an den Ruinen sowie die Verwandlung ihrer Semantik in der Erinnerungskultur skizziert. Daraufhin wird die Problematik der Ruinen als Erinnerungsorte aus einer theoretischen Perspektive erfasst und im Kontext der ästhetischen Theorie der Ruine gedeutet. Schließlich konzentriert sich der Aufsatz auf die Krimiserie "Vzteklina" (Tollwut), an deren Beispiel die Funktion der Ruinen in den gegenwärtigen Repräsentationen der Vertreibung veranschaulicht wird. Das Ziel des Aufsatzes ist, die Ambivalenzen im Prozess des kollektiven Erinnerns und Vergessens aufzuzeigen.
Der Beitrag thematisiert den Umgang mit der Zwangsaussiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung in zwei Städten - in Chomutov (Komotau) und Brno (Brünn). Im Rahmen der Erforschung der Erinnerungskultur als Sammelbegriff für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Umgangs mit Geschichte in der Öffentlichkeit analysieren die Autorinnen die Aushandlung der problematischen/problembeladenen Geschichte in den zwei ausgewählten Städten nach 1989. Untersucht werden Strategien verschiedener Akteur/innen in diesen Städten und Narrative, die in offiziellen Publikationen und bei offiziellen Veranstaltungen anlässlich der historischen Ereignisse vermittelt werden. Durch den Vergleich von Komotau und Brünn zeigt der Beitrag Parallelen und Unterschiede im Umgang mit diesem Thema und trägt so zum besseren Verständnis verschiedener Wege der Erinnerungskultur bei.
Im Beitrag wird die Frage des korporativen Gedächtnisses erörtert, wie es sich 1949–1951 in betriebsinternen Zeitschriften als Basis für eine neue korporative Identität der volkseigenen Textilunternehmen gestaltete. Hierbei wird besonders mit den betriebsinternen, von Arbeiter/innen oder den Gewerkschaften verfassten Zeitschriften "Naše pětiletka" (Unser Fünfjahresplan) des Vlnap-Konzerns und "Mosilana píše" (Mosilana schreibt) des Mosilana-Konzerns gearbeitet. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf dem Umgang dieser Zeitschriften mit ihrer korporativen Vergangenheit bzw. mit der Vergangenheit der tschechoslowakischen Textilbranche generell. Trotz der schon 1949 dominierenden Ideologisierung des korporativen Gedächtnisses im Sinne des kommunistischen Regimes zeigen sich vor allem in der Auseinandersetzung darüber, welche Art von Kritik in den neuen Konzernen wünschenswert wäre, durchaus auch nicht machtkonforme Kontinuitäten mit der kapitalistischen Ära. Diese verflüchtigen sich jedoch spätestens im Laufe des Jahres 1951.
Die Vertreibung der Deutschen aus dem Riesengebirge wirkte sich auch auf die Überlieferung der Rübezahl-Sage aus. Im tschechischen Kontext wurde an die Tradition der Vorkriegszeit angeknüpft, in der Rübezahl als Symbol der Region diente, das einerseits die Regionalidentität stärkt, andererseits als eine allgemein verständliche Marke genutzt wird. In diesen Kontexten konnten auch einige Denkmäler der deutschböhmischen Kultur in den tschechischen Kontext inkorporiert werden. Erst in den 70er Jahren setzte sich unter dem Einfluss der Massenmedien die prototypische Darstellung Rübezahls als Märchenheld durch. Zur Stereotypisierung tendierte auch das Bild des Berggeistes in der Erinnerungskultur der Vertriebenen, die sich der alten, sagenhaften Tradition des launischen Dämons bedienten. Beide identitätsbildenden Stereotype standen miteinander in einem Konflikt, der erst nach der Wende schrittweise überwunden wurde. Rübezahl gewann eine zentrale Rolle im touristischen Marketing, wobei breite Darstellungsmöglichkeiten synkretisch variiert werden.
In diesem Beitrag werden Raumkonzepte untersucht, die der Autor Erwin Guido Kolbenheyer in seiner Erzählung "Begegnung auf dem Riesengebirge" (1928) entwickelt. Es wird gezeigt, dass der belletristische Text neben einer ästhetischen Qualität zugleich eine beunruhigende politische Aussage beinhaltet. Sie wird ersichtlich, wenn die verschiedenen Raumpräsentationen analysiert werden. Es werden die vom Autor entworfenen Raumordnungen und seine Grundlagen vorgestellt und im Kontext der Zwischenkriegszeit verortet. Dabei wird auf die Kontinuität der großdeutschen Raumvorstellung von Zentraleuropa hingewiesen. Theoretisch geht der Beitrag von Henri Lefebvres theoretischen Überlegungen zum Raumverständnis aus.
Der Aufsatz befasst sich mit dem Einfluss der Grenze auf die Entwicklung in den deutsch-tschechischen Grenzgebieten. Er zeigt diesen am Beispiel der Daten aus der Befragung, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 unter Bürgermeistern von ausgewählten tschechischen Gemeinden der Euroregionen Böhmerwald/Bayerischer Wald/Mühlviertel und Neiße durchgeführt wurde. Ziel der Befragung war festzustellen, wie sich die Bürgermeister zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit stellen, wie sie die Grenzlage beurteilen und welche Positiva und Negativa sie in der heutigen Europäisierungsphase der grenzüberschreitenden Kooperation sehen. Denn es sind gerade die Bürgermeister, die die Kontakte anknüpfen und pflegen, die über gegenwärtige Probleme informiert sind und die sie auch bewältigen können. Die Erhebung wird von der Theorie der regionalen Entwicklung umrahmt, konkret wird die Entwicklung innerhalb der Nationalstaaten berücksichtigt. Es wird von der Theorie der 'learning regions' ausgegangen, deren Autoren auf die Veränderungen der Bedingungen für die Entwicklung von Regionen in den letzten 20 Jahren reagiert haben.