Maniculae
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Maniculae Jahrgang 2 (2021)
(2021)
Das Fragment gehörte offenbar zu einer Version der 'Begegnung der drei Lebenden und der drei Toten'. Dieses Sujet ist etwa zwischen der Mitte des 13. und dem Ende des 16. Jahrhunderts vielfach und vielsprachig in Literatur und bildender Kunst variiert worden: Drei in Blüte stehende Lebende werden durch ebenso viele halbverweste Tote, die wunderbarerweise das Wort an sie richten, drastisch an das allem Menschlichen bestimmte Ende gemahnt.
Zwar werden erst weitere Untersuchungen erweisen können, ob und inwieweit die neu entdeckten Fragmente ein neues Licht auf die Textfassung und Geschichte der Handschrift, aus der sie stammen, werfen können oder gar auf die allgemeine Text- und Überlieferungsgeschichte des deutschen 'Lucidarius'. In jedem Fall aber hat dieser Heidelberger Neufund die aus der Einband- und Provenienzanalyse gewonnenen Überlegungen zum ursprünglichen Trägerband der von Mone entdeckten 'Lucidarius'-Fragmente vollauf bestätigt. Die Frage, wo bzw. in welchem Buch Franz Joseph Mone die zuerst entdeckten Teile der Göttinger 'Lucidarius'-Handschrift gefunden hat, kann nun als geklärt gelten.
Der kleine Roman 'Die Heidin II' ist mehrfach überliefert, darunter auch in vier Fragmenten von unterschiedlichem Umfang. [...] In den einschlägigen Katalogen der besitzenden Bibliotheken finden sich keine Hinweise auf eine mögliche Zusammengehörigkeit der Fragmente. [...] Erst im Rahmen der Vorbereitung der neuen Ausgabe der 'Heidin II' im DFGProjekt "Edition und Kommentierung der deutschen Versnovellistik des 13. und 14. Jahrhunderts" (2009–2017) wurden endlich Digitalisate aller vier Fragmente angefertigt, sodass sie direkt nebeneinandergelegt und verglichen werden konnten. Dabei wurde sehr schnell klar, dass die vier Bruchstücke eindeutig aus demselben Codex stammen müssen.
Im Katalog "Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters" und bei seinen Ergänzungen, die regelmäßig in der Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte erscheinen, werden neben Handschriften und Fragmenten auch Hinweise auf Handschriften aufgenommen, die so unbestimmt sind, dass sie auf Anhieb keinem bekannten Textzeugen zuzuordnen sind. Diese Hinweise sollen es erlauben, neu aufgefundene Handschriften einzuordnen, wie im vorliegenden Beitrag gezeigt wird.
Im Zuge der systematischen Erfassung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtbücher Deutschlands werden durch die Mitarbeiter des DFG-Langfristvorhabens 'Index Librorum Civitatum' gelegentlich interessante Funde von makulierten Inkunabeln und Handschriften gemacht. [...] Im Stadtarchiv Heringen (Helme) befinden sich 66 Bände, die als "Rechnungen des Raths zu Heringen und Manuale über Einnahme und Ausgabe" bezeichnet werden und eine Laufzeit von 1600 bis 1764 aufweisen. [...] Zwischen den einzelnen Heften fanden sich immer wieder ältere Pergamentblätter, die als Einbände der ursprünglichen Einzelrechnungen gedient hatten. Zumeist handelte es sich dabei um liturgische Handschriften wie Hymnarien oder Gradualien. Im Band mit der Signatur XV. wurde jedoch ein hinter dem Buchblock liegendes, loses Pergamentblatt aufgefunden, das nicht mit einem lateinischen, sondern einem mittelhochdeutschen Text beschriftet war, wobei der Name Willehalm sofort ins Auge fiel. Eine anschließende Textbestimmung ergab, dass es sich bei dem aufgefundenen Fragment um eine Textpassage aus dem 'Rennewart' Ulrichs von Türheim handelte.