Anwaltliche Argumentation mit den Wendungen "Gute Policey" (1557) und "natürliche Freiheit" (1653) am Reichskammergericht

  • Beinahe hätte die sachlich begrüßenswerte Entscheidung, den Michael Stolleis gewidmeten Band nur Beiträgen zur Wissenschaftsgeschichte des Öffentlichen Rechts vorzubehalten, mich um die Freude gebracht, mich daran beteiligen zu können, denn die Wissenschaftsgeschichte des Öffentlichen Rechts war niemals mein Thema, sondern immer nur die Rechtspraxis. Aber die theoretische Beschäftigung mit dem Recht diente und dient sowohl der Erfassung des Rechts zu seinem besseren Verständnis als auch der Verbesserung der Rechtspraxis. Insofern gibt es Berührungspunkte zwischen Rechtswissenschaftsgeschichte und der Geschichte der Rechtspraxis, nämlich dort, wo Rechtspraktiker theoretische Argumentationen und Topoi aufgreifen, um sie im rechtlichen Diskurs der pragmatischen Handlungsebene zu verwenden. Am deutlichsten wird dies, wenn Gerichte ihren Entscheidungen neue rechtswissenschaftliche Überlegungen zugrunde legen. In diesem Sinne hat Jürgen Weitzel in Relationen von Reichskammergerichtsassessoren seit der Mitte des 18. Jahrhunderts freiheitsrechtliche Argumentationen ermittelt. Ob und wie weit dies mit dem Wirken des Illuminatenordens in Wetzlar zusammenhängt, ist umstritten. Aber auch Anwaltsschriftsätze können solche Argumentationsmuster aus der Wissenschaft übernehmen. Da der Anwalt das Gericht überzeugen wollte, sind Formulierungen von Anwaltsprozessschriften als Teil des rechtspragmatischen Diskurses ebenso ernst zu nehmen wie entsprechende Wendungen in Relationen von Richtern. Man kann an ihnen erkennen, wie schnell theoretische Überlegungen in der Rechtspraxis akzeptiert wurden. Wolfgang Schmale hat in diesem Sinne diese Quellengattung intensiv für seine Analyse genutzt, indem er Prozessakten burgundischer wie kursächsischer Provenienz aus der Mitte des 17. Jahrhunderts im Vergleich ausgewertet hat. Ich hoffe, dass dieser rezeptionsgeschichtliche Aspekt auch das Interesse des Adressaten dieses Bandes finden wird. ...

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Metadaten
Author:Bernhard Diestelkamp
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-526988
DOI:https://doi.org/10.12946/rg19/052-057
ISSN:2195-9617
ISSN:1619-4993
Parent Title (Multiple languages):Rechtsgeschichte = Legal History
Publisher:Klostermann
Place of publication:Frankfurt, M.
Contributor(s):Thomas Duve
Document Type:Article
Language:German
Year of Completion:2011
Year of first Publication:2011
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2020/01/13
Volume:19
Page Number:7
First Page:52
Last Page:57
Note:
Dieser Beitrag steht unter einer Creative Commons cc-by-nc-nd 3.0
Institutes:Rechtswissenschaft / Rechtswissenschaft
Dewey Decimal Classification:3 Sozialwissenschaften / 34 Recht / 340 Recht
9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 940 Geschichte Europas
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoCreative Commons - Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 3.0