CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Wunsch
(2016)
Wünsche sind gedanklich-sprachliche Repräsentationen von abwesenden Dingen oder Zuständen, deren Anwesenheit für den Wünschenden erstrebenswert – 'wünschenswert, wünschbar' – ist. Dabei ergibt sich eine enge Verbindung von Wünschbarkeit und Zukünftigkeit: Es gehört zum Charakteristikum vieler Wünsche, dass in ihnen das Erwünschte als 'noch nicht' anwesend, aber als in Zukunft erreichbar vorgestellt wird. Ein solches Herbeiwünschen eines zukünftigen Zustands kann auf möglichst vollständige Befriedigung abzielen, etwa wenn das Aussprechen eines Geschenkwunsches – oder auch seine Niederschrift auf einem Wunschzettel – dafür sorgen soll, dass man später genau die gewünschte Gabe erhält. Am theoretisch namhaftesten findet sich diese Reduktion des Wünschens auf den Augenblick seiner Erfüllung in Sigmund Freuds Deutung des Traums als einer „Wunscherfüllung“, die „bequem“ und „vollkommen egoistisch“ gewährt werden könne.
Kafkas Romanfragment "Das Schloß" wird üblicherweise nicht mit einem persönlichen Handlungsspielraum oder Emanzipation in Verbindung gebracht. Und doch lohnt es sich, den Roman neu zu betrachten und die Frage zu stellen, ob man sich K. nicht auch als einen glücklichen Menschen vorstellen kann, dem sich durchaus ein Raum für Agency öffnet. Zwar ist die Schlosslandschaft, in der K. sich bewegt, alles andere als frei, und doch wird der Roman durch zahlreiche Ereignisse bestimmt, in denen K. auf eigentümliche Weise frei wirkt. [...] K.s Agency zeigt sich demnach vor allem dann, wenn man sich nicht so sehr auf seine absurde Unfreiheit, sondern eher auf seine absurde Freiheit konzentriert. Dieser Perspektivwechsel soll mit Hilfe des Konzepts des Institutionenromans vorgenommen werden. Es eignet sich nicht nur dazu, K.s Gefangensein auf dem Schlossterritorium zu analysieren, sondern ebenso, seinen geschickten Befreiungskampf in den Blick zu bekommen, indem man das Zusammenspiel von Arbeit und Müßiggang in unterschiedliche institutionelle Kontexte einordnet. K.s Freiheit taucht so in unübersichtlichen Schichtungen und Zusammenhängen auf und K. versteht sie zu nutzen, indem er sich, wie Kant es fordert, mit Entschlossenheit und Mut seines eigenen Verstandes bedient. Aufgrund der Gegenmacht des Schlosses kommt es aber auch zu 'Bedienungsfehlern' des Verstandes. Deshalb erzählt der Roman neben K.s Erfolgen auch von den Widerständen und Rückschlägen beim optimistischen Gebrauch der Kant'schen Aufklärungsformel. Den theoretischen Rahmen meiner Untersuchung bilden Konzepte, welche die Unterdrückung (Campe), Aushebelung (Vogl) und Förderung subjektiver Agency (Rancière) zum Thema haben.
Frühe Leser von Kafkas Erzählung 'In der Strafkolonie' verwarfen ihre schockierende, perverse Offenheit. Wie Hans Beilhack schon 1916 schrieb, sei Kafkas Erzählung sadistisch, und ihr Autor sei ein "Lüstling des Entsetzens". Otto Erich Hesse ging einen Schritt weiter, indem er behauptete, Kafka und seine Leserschaft seien "Ekel erzeugen[de]" sexuelle Scheusale, die "sich an derartigen Quälereien erlustier[en] und aufgeil[en]." Selbst Kafkas Bewunderer fühlten sich verpflichtet, sich von den sexuellen Exzessen zu distanzieren, wie auch von der Beschuldigung, daß sie perverses Vergnügen aus ihr zögen. Kurt Tucholsky, der erste öffentliche Verteidiger der Erzählung, befürchtete, Kafkas Beschreibungen von Nadeln, die einen nackten Körper durchdringen, würden Vergleiche zu den allgemein bekannten sadomasochistischen Schriften des "parfümierten Salonsadisten" Hans Heinz Ewers ziehen. Doch Tucholsky betonte, daß man weder Kafka noch den Protagonisten seiner Erzählung, einen Offizier, korrekterweise als einen "Sadist[en]" bezeichnen könne. Zwar mag der Text einem perverse sexuelle Phantasien ins Gedächtnis rufen, aber das eigentliche Thema von In der Strafkolonie ist politischer Natur: Es geht um die Schilderung eines militärischkolonialen Regimes, das Amok läuft.
In seinen Schriften, insbesondere seinen späten des letzten Lebensjahrzehnts, prägte Stéphane Mosès die Begriffe der normativen und der kritischen Moderne innerhalb der jüdischen Tradition. Er erklärt, wie diese beiden Tendenzen im jüdischen Denken des 20. Jahrhunderts fast zeitgleich entstehen, nämlich in und nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, und wie zwei parallele Stränge nebeneinander bestehen. [...] Der Dialog von Benjamin und Scholem über Kafka gehört zu den bedeutenden Briefwechseln der Literaturgeschichte, vergleichbar demjenigen von Lessing und Mendelssohn über das Trauerspiel, der erst im 20. Jahrhundert, lange nach seinem Entstehen, wirklich bekannt und rezipiert wurde. Es ist ein großes Verdienst von Stéphane Mosès, diesen Briefwechsel von Benjamin und Scholem kommentiert und uns die Positionen der beiden Denker lebendig vor Augen geführt zu haben. Ich habe meinerseits versucht, im Sog dieses Briefwechsels das Wesentliche hervorzuheben, um Benjamin in die jüdische Moderne einzubetten. Dabei scheinen mir die Gedanken des "Zerfallsprodukts der Weisheit" und des "Gerüchts von den wahren Dingen" sowie auch der einer "theologischen Flüsterzeitung, in der es um Verrufenes und Obsoletes geht" die Diagnose vom Traditionszerfall in der jüdischen und nicht jüdischen Moderne äußerst prägnant zu begleiten.
Queste note su memoria e oblio prendono le mosse da due fenomeni noti, pur nella loro enigmaticità, e apparentemente opposti come il déjà-vu e il jamais-vu. Accade qualcosa e si ha l'impressione che si stia ripetendo un evento già vissuto, oppure ci si trova in un luogo praticato da anni e, a un certo punto, letteralmente, non lo si riconosce più, percependolo come nuovo ed estraneo. Si tratta di sentimenti che, pur facendo parte dell'esperienza più comune, conservano un alone di opacità. Sia nella "familiarità estranea" sia nella "estraneità familiare" si ha a che fare con uno spaesamento, una vertigine emotiva che sulle prime fa retroagire la nostra comprensione. In entrambi i casi lo stupore si accompagna all'inquietudine: la portata dirompente del nuovo strappa fuori dal riparo delle proprie certezze, dall'impalcatura delle proprie conoscenze. Sono i momenti di interferenza di livelli temporali diversi, in cui alla finitudine dell'evento vissuto si giustappone l'illimitata dimensione del ricordo. La simultaneità delle sfere contrapposte, il loro cortocircuitare e sovrapporsi, dà luogo a uno spaesamento, che talvolta assume un carattere demonico, perturbante (unheimlich), per dirla con Freud. Il senso dell'Unheimlichkeit fa tutt'uno con il sentimento di angoscia o di terrore che si genera nella conversione dell'opposto, quando il noto diventa fonte di terrore, quando il familiare si fa estraneo, o anche quando l'estraneo appare come familiare. Il ritorno del rimosso, sotto forma di paure o desideri inconfessabili, rinvia ai conflitti dell'infanzia e alle fase arcaiche della vita umana. In questo senso rappresenta una "promessa" che il presente non ha saputo esaudire, e che sopravvive in tutta la sua carica sovversiva.
Ein rascher Blick in die einschlägigen Tertiärdarstellungen bestätigt: Kaum ein Autor von Rang, der sich nicht im Laufe seines Schreiblebens mit Kafka beschäftigt, kaum ein (Leit-)Gedanke, der nicht mit und an dem Prager Klassiker auf literarische Weise reflektiert ist - mit enorm vielgestaltigen Resultaten. Da wird Kafka, in einer für das Ende der 1990er Jahre erstaunlich anachronistisch anmutenden Geste, als notwendig unbestimmbares Originalgenie erkannt und verdrängt zugleich, ein andermal wiederum recht rigoros der eigenen Weltsicht vereinnahmt oder gar selbstbewusst vervollkommnet, dann wieder doppelsinnig getötet, zuletzt im Gestus theatralischer Bewältigungsarbeit beerdigt - und dergleichen mehr. Es scheint weniger, als lähme Kafka die Schriftsteller, wie Imre Kertész vermerkt, sondern als treibe er im Gegenteil zu emsigen, ja fieberhaft anmutenden Bezugnahmen an, die kaum unter einem gemeinsamen Nenner zu vereinen sind - nimmt man die verhandelten Themen, Motive und Topoi ins Visier. Überblickt man die Rezeptionen hingegen in ihrer generellen Fragestellung und zugrundeliegenden Motivation, können durchaus übergeordnete Strukturen festgestellt werden, wobei meiner Ansicht nach diejenige These besonders erfolgversprechend ist, nach welcher die so vielgestaltigen Bezüge zu Leben und Werk hintergründig stets das Originelle verhandeln: So bestimmt die schon frühzeitig einsetzende, vor allem vom Freund Max Brod geförderte und weiterhin außer Frage stehende Behauptung geradezu genialisch anmutender Originalität Kafkas den Rezeptionsdiskurs nachhaltig.
The article shows, through a close reading of the two first chapters of Kafka's novel "The Trial", that the irruption of the extraordinary and inexplicable in Kafka's text is demonstrated above all in a shift of the spatial order. The disturbance of K., the derangement of his habitual surrounding becomes readable not through his interiority, but rather in a literal de-rangement of interior spaces and of their objects that are presented in their exteriority.
Im Folgenden werde ich auf Texte von zwei Autoren eingehen, in denen das genaue Hinhören und das leise Rauschen zentrale Motive sind und zum Anlass für Schock und nervlichen Zusammenbruch werden. Es sind Erzählungen von Poe und Kafka, in denen das leise Ticken und Rauschen einer technisierten Moderne die Protagonisten heimsucht. Es ist wichtig für meine vergleichende Diskussion der beiden Texte, dass hier Geräusch nicht nur auf der Plotebene eingebettet ist, sondern auch in beiden Fällen an den medienhistorischen Kontext anschließt; in ihm sind das Ticken und Pochen in Poes Texten und das Rascheln und Rauschen in Kafkas Erzählungen zu verorten.
Wenn es in Franz Kafkas Erzählung 'Eine kaiserliche Botschaft' (1919) gegen Ende heißt: "Niemand dringt hier durch und gar mit der Botschaft eines Toten", so ließe sich dies als das Scheitern eines erwünschten Nachlebens verstehen, erwünscht in Form einer nach dem eigenen Tod bei jemandem ankommenden Botschaft; als das Scheitern einer erwünschten Souveränität, die einen Toten, und sei er auch Kaiser gewesen, offenbar nicht länger auszeichnet. Am Ende der folgenden Überlegungen aber wird eine andere Lektüre stehen: Sie resultiert aus der Frage nach den Bedingungen, Praktiken und Effekten eines Schreibens, das die Idee der Souveränität in bestimmter Weise verfolgt, nämlich hinsichtlich der Organisation des Nachlebens, des Sich-Heranschreibens an die Grenze des Todes, des Sich-selbst-Überlebens - ein testamentarisches Schreiben also. Damit ist zunächst eine juristisch relevante Form bezeichnet: das Testament, das heißt eine konkrete Praxis der Adressierung an die Nachwelt. Diese Praxis ist sowohl institutionalisiert als auch individualisiert, und ihr eignet eine grundlegende Literarizität, nicht nur in formalästhetischer Hinsicht, sondern auch bezogen auf ihren Imaginations- und Fiktionalitätsstatus, der aus der Schreibhaltung des "ich bin tot" herrührt. Dies sei im Folgenden anhand eines etwas grob verfahrenden Cursus entwickelt, dessen erster Teil zum "Testament als Medium der Souveränität" zunächst im antiken römischen Recht einsetzt und dann zu Jean Paul springt; dessen zweiter Teil sich "das testierende Ich" vornimmt; und dessen dritter Teil sich den theoretischen und literarischen 'double binds' eines Testaments und eines "desire to speak with the dead" widmet.
Indem Benjamin die "Umkehr" als zentrales Element herausgreift – also das Verwandeln von Leben in Schrift und nicht von Schrift in Leben -, löst er Kafka aus einer nur auf das Judentum beschränkten Bedeutung und zeigt dessen Relevanz für das Verständnis von Geschichte überhaupt. Die Form des Kafka’schen Werks enthalte "Hinweise auf einen Weltzustand". Insofern tut sich in der Auseinandersetzung zwischen Benjamin und Scholem bezüglich der Frage von Heiligkeit und Schrift etwas Neues auf: Wie wahre Hoffnung nur für die Hoffnungslosen ist, so erscheint das Verständnis echter Heiligkeit als rein theologischer Kategorie durch die Erkenntnis der nicht mehr heiligen Schrift bedingt.
This chapter proposes the scar as a productive image to conceptualize the relation of speakers to the particular language otherwise called mother tongue, native or first language. Thinking of this relation in terms of a scar avoids the biopolitical implications of concepts derived from the context of family and birth that have, throughout the nineteenth and twentieth century, come to present language as basis of a nation state. The image of the scar also avoids the biographical normalization and linguistic hierarchization implied in the term first language, as both are equally important biopolitical strategies of forming individuals and communities. Thinking of the mother tongue in terms of a scar emphasizes the intensity of lasting formation and identification entailed by acquiring this particular language, and it highlights the violence inherent to these processes that tends to be covered up by the naturalizing and family-related imagery of native or mother tongue as well as by the favour implied in the term first language.
In Menschenobhut können junge von Menschenhand aufgezogene Dachse sehr zahm werden. Daher kennt man eine Eigenheit der Dachsheit, auf die es mir hier ankommt: Man kann Dachse nur bedingt erziehen. Sie reagieren nämlich nicht auf negative Verstärker, wie man im Fachjargon all jene Bestrafungstechniken von Ausschimpfen, Futterentzug über Prügel bis zu Elektroschocks nennt, die immer noch die Grundlage fast jeder Dressur, sei es im Zirkus, im Pferdesport oder Hundespektakel bilden. Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist an dieser Eigenheit des Dachses im Falle seines von Hand aufgezogenen zahmen Dachses schier verzweifelt, bis er erkannte: Dass es Tiere gibt, die die Reaktion auf den negativen Verstärker nicht in ihrem Verhaltensprogramm haben und somit undressierbar sind. Eibl mochte seinen Dachs aber trotzdem, und nachdem er es aufgegeben hatte, dem Dachs das freie Geruchsmarkieren im Haus verbieten zu wollen, gestaltete sich das Zusammenleben auch wieder ohne Verzweiflung. Damit bin ich bei meinem Titel angekommen: Reden wie ein Hund - Pfeifen wie eine Maus - Lernen wie ein Dachs. Über abgebrochene Serien des Tier-Werdens in Kafkas Erzählungen. Das Vorhaben ist der Versuch, anhand dreier Erzählungen Kafkas - nämlich die 'Forschungen eines Hundes', 'Josefine, die Sängerin' und 'Der Bau' - eine Art Entwicklungslinie im Tier-Werden Kafkas aufzuzeigen, die mit dem unerziehbaren Dachs abbricht, aber damit nicht, wie man Kafka oft unterstellt hat, im unentschiedenen Nichts landet, sondern einen Ausweg zeigt, mit dem man leben kann. Das hoffe ich zum Ende deutlich machen zu können.
Kafka war in der DDR kein Gegenstand der Poesie und Literaturwissenschaften allein. Spätestens seit der berühmten Kafka-Konferenz im tschechischen Liblice, im Mai 1963, war sein Werk ein Politikum, das kurioser Weise zeitweise sogar das Verhältnis zwischen den 'sozialistischen Bruderparteien' entzweite. In theoretischer Hinsicht war insbesondere der Versuch einiger tschechischer und westlicher Teilnehmer brisant, die Marx'sche Entfremdungsproblematik unter Inanspruchnahme des Prager Dichters auf den Sozialismus selbst zu beziehen. Insofern war es schon erstaunlich, dass Wolfgang Heise nur zwei Jahre später seinen, den Entfremdungsbegriff auf die DDR beziehenden Aufsatz 'Über die Entfremdung und ihre Überwindung' sogar in der 'Höhle des Löwen', nämlich in der Deutschen Zeitschrift für Philosophie veröffentlichen konnte. Rückblickend gesehen stehen verschiedene Themen und Thesen Heises ganz im Einklang mit den in Liblice diskutierten: etwa dem von Ernst Fischer modifizierten Begriff des Realismus und der Hervorhebung "des Künftigen, des Möglichen, des wie ein Schimmer oder Schatten in die Gegenwart Fallenden, [einer] mitunter tiefere[n] Wirklichkeit als die mit Händen zu greifenden sogenannten Tatsachen". Folgt man Camilla Warnke, so hat es in der DDR keinen anderen Theoretiker gegeben, "der so eindringlich und so konsequent wie Heise seine Kritik am realen Sozialismus im Rückgriff auf das Marxsche Entfremdungskonzept formuliert hat und seinen Implikationen unter den neuen, nicht mehr privateigentümlichen Verhältnissen nachgegangen ist." Auf Kafka hatte Heise in seinem Aufsatz nur kurz, aber an signifikanter Stelle verwiesen: "Kafka hat an den Gittern der Ohnmacht gerüttelt".
In Carl Barks' 1963 comic strip "The Invisible Intruder", the bed becomes the main theme of the story. We get to know how Uncle Scrooge became a creative and successful entrepreneur. Since his parents were too poor to provide a proper sleeping place for their son, Scrooge had to sleep in a cabinet drawer. Therefore, Scrooge's only aim was to buy himself a bed. His capitalist creativity is, as he himself admits, driven by the "desire for a better bed." With the economic growth of his company, his bed becomes bigger too. But in the end, he throws out his enormous mattress because it is too sensitive to the vibrations caused by the money rammer in the money bin; and moreover, the investigation into the cause of the vibrations became far too expensive. Eventually, Scrooge is returning to his childhood bed: the cabinet drawer. What is striking about this story is not the idea that objects of everyday culture play a leading role within a narrative; it is the fact that the usual cultural function of furniture is altered in a significant way. The misapplication of the drawer draws attention to the object of everyday culture as signifier of the everyday experience in capitalist societies. The function of the bed is no longer defined by criteria of good sleep but of economic calculation. The bed thereby becomes an agency within the narrative that questions the stability of the cultural and linguistic semantics of the everyday. In the following, I will press the point that the representation of the bed in literary texts from Homer to Kafka can be read as an implicit linguistic theory of cultural signification.
Peter Weiss'ın Direnmenin Estetiği romanı tematik kurgusu içinde geçmişteki direnişleri belgeleyen sanat ve edebiyat eserlerini yeniden yorumlayan bir çizgi izlemektedir. Sosyalizmin pratiklerini içeriden eleştiren bu roman sosyalist gerçekçiliği de konu etmektedir. Bu kapsamda işçi perspektifinden yazılmış bir roman olan Klaus Neukrantz'ın Wedding Barikatları ile - sosyalist gerçekçilik çizgisinin dekadan (yozlaşmış) yazar kabul ettiği - Franz Kafka'nın Şato romanı arasında bir yakınlık ilişkisi kurmakta, Şato için 'işçi sınıfının romanı' ifadesini kullanmaktadır. Bu bağlamda Peter Weiss'ın sosyalist gerçekçiliği nasıl yorumladığı, sosyalist iktidarların sanat ve edebiyat üzerindeki denetimlerine itiraz etmesine rağmen sosyalist gerçekçilikte hangi değeri gördüğü ve Kafka’nın Şato romanına 'işçi sınıfının romanı' derken nasıl bir bağlantı kurduğu çarpıcı bir soru haline gelmektedir.
Bu makale, adı geçen iki eserin özelliklerini ve düzen karşısındaki konumlanmalarını karşılaştırmalı olarak incelemektedir; Direnmenin Estetiği'nde bu iki romanla ilgili bölümlerde, romanın genel kurgusu ve yaklaşımı dikkate alınarak değerlendirilmektedir. Bu incelemeyle, Peter Weiss'ın sosyalist gerçekçiliğe bakışındaki özgünlüğü ve bu bağlamda nasıl bir Kafka yorumu yaptığını göstermek amaçlanıyor. İncelemenin vardığı sonuç: Peter Weiss; Kafka'nın, mücadelenin hedefini gösteren sosyalist gerçekçiliğin eksik bıraktığı şeyi yaptığını, yani ezilenlerin kendi içsel yaşantılarını bulmalarını sağladığını düşünmektedir. Yine Direnmenin Estetiği'nde izlerine rastlandığı gibi, Peter Weiss hayatının önemli bir bölümünde kendini Kafka’nın dünyasında hissetmiştir. Bu da Kafka'yı Peter Weiss için önemli kılan bir başka unsurdur. Bu anlamda Direnmenin Estetiği romanı Franz Kafka, Klaus Neukrantz ve Peter Weiss'ın ortak noktalarının izini süren, üç kurgusal metnin iç içe geçtiği bir üst metin olarak görülebilir.
Através da ideia de quimera, esse ensaio tentará compreender a constituição aberta do personagem Odradek, da narrativa curta "A preocupação do pai de família" de Franz Kafka. O interestante nessa construção literária seria o deslocamento (inclusive das possibilidades de expressão de gênero nas línguas) que Odradek impõe ao esforço constante do narrador (representante de grupos sociais específicos) em categorizá-lo e, por consequência, do leitor, que tentaria encerrá-lo num tipo fechado de interpretação. Odradek parece um tipo de ser incapturável pelas principais categorias, sejam elas literárias, biológicas ou sociais, que ajudaram a fundar a ideia de Modernidade.
Erst in seinen letzten Lebensjahren in Berlin hat Kafka sich intensiver in Kursen der 'Hochschule für die Wissenschaft des Judentums' mit dem Talmud befasst: "Er hört in der Präparandie Professor Torczyner und Professor Guttmanns Vorträge über den Talmud. Er liest leichtere hebräische Texte. Nur dieser Kurse wegen kommt er regelmäßig aus dem stillen Vorort nach Berlin." Aus dieser Erfahrung heraus schrieb Kafka Ende 1923 an Robert Klopstock: "Daß Sie in die Iwriah gehen wollen, ist sehr gut, vielleicht nicht nur in die Hebräischkurse, sondern auch zu der Talmudstunde (einmal wöchentlich!, Sie werden es nicht ganz verstehn, was tut es? Aus der Ferne werden Sie es hören, was sind es sonst, als Nachrichten aus der Ferne)." Was aber heißt bei Kafka 'aus der Ferne'? Wäre nicht auch 'Eine kaiserliche Botschaft', hätte sie den Adressaten erreicht, aus der Ferne gekommen?
Mauscheln
(2018)
Der Begriff 'Mauscheln' ist paradox: er existiert in keiner anderen Sprache als im Deutschen und ist unübersetzbar. Als Fremdwort wird er zumindest im Englischen gebraucht, doch aus dem deutschen Wortschatz ist er heute verschwunden, zumindest soweit dieser ein öffentlicher ist. 'Mauscheln' ist verpönt, obwohl der Begriff seit dem 17. Jahrhundert weit verbreitet war. Als Ausdruck des "Verhältnisses zwischen Juden und Christen in Deutschland" haften ihm antisemitische Stereotypen über den betrügerischen Juden an. Seine Geschichte hält die Erfahrung fest, dass die "Verfolgung und Vernichtung der Juden durch sprachliche Agitation vorbereitet" wurde. Sie geht allerdings nicht in dieser Erfahrung auf.
In der Literatur jüdischer Autoren des letzten Jahrhunderts steht die Darstellung des Martyriums in drei spezifischen, sehr unterschiedlichen Kontexten: in Werken der literarischen Moderne, die die Übernahme der religiösen Traditionen verhandeln - hierzu gehört wohl auch noch Philip Roths Erzählung - im Umkreis der Literatur in und nach Auschwitz und in literarischen Texten zur Geschichte oder Befindlichkeit des Staates Israel. Am Beispiel eines literarischen Bezugs auf die Märtyrertradition aus jedem dieser Umfelder - im Werk Franz Kafkas, Nelly Sachs' und David Grossmans - gilt es nunmehr, jeweils die Korrelation von Verschriftung und interreligiösem Subtext herauszulesen.
Wie keine andere kulturelle Handlung spiegelt das Tätowieren eine intentionale Ästhetisierung des menschlichen Körpers, zwischen individueller (und damit hoch-persönlicher) Schönheitsvorstellung auf der einen und öffentlicher (Selbst-)Inszenierung auf der anderen Seite schwankend. Die Haut wird dabei – quasi lebenslang beschrieben – zum Medium der Erinnerung. Zwar wurde bereits in der Antike 'tätowiert', der heutige Begriff sowie die 'Wiederentdeckung' dieser Praxis geht allerdings auf die Forschungs- und Entdeckungsreisen des 18. Jahrhunderts zurück, in denen Europäer mit fremden Kulturen in Kontakt kamen, die solche Verfahren mit einem ästhetischen oder rituellen Hintergrund praktizierten. So übernahm James Cook in seinen Aufzeichnungen den samoanischen Begriff "tatau", etymologisch die Grundlage für "to tattoo" und das deutsche "tätowieren". Inzwischen gilt die Modifikation des eigenen Körpers durch eine Tätowierung längst nicht mehr als 'verrucht' und stellt ebenso auch keine Ausnahmeerscheinung mehr dar, was sich vor allem an der explosionsartig gestiegenen Zahl von Tattoo-Studios in der Bundesrepublik ablesen lässt – und so trägt in Deutschland heute (konservativ geschätzt) etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung und 23 Prozent der 16- bis 29-Jährigen mindestens ein Tattoo auf der Haut. Aber längst nicht jede Tätowierung ist auch der Ausdruck des eigenen Schönheitsempfindens oder eine vom Träger intentional auf dem Körper eingeschriebene Botschaft. Denn bereits in der griechischen Antike wurde das Verfahren auch dazu benutzt, Sklaven zu markieren, Besitzverhältnisse und damit ihre Unfreiheit auf der Haut einzuritzen; diese entpersonalisierende Markierung setzt sich mit der Häftlingstätowierung in Gefängnissen und schließlich den nationalsozialistischen Konzentrationslagern fort, die vor allem in literarischen Texten des Shoah-Diskures aufgegriffen und verhandelt wird.
Menschliches Leben vollzieht sich notwendigerweise mit Hilfe des Gebrauchs von Dingen. Versteht man unter Dingen - in bewusster Umgehung aller definitorischen und philosophischen Abgrenzungsprobleme - alle natürlichen und artifiziellen Entitäten, die unbelebt, sprachlos und mobil sind, dann kann man insgesamt vier Bereiche von Dingen identifizieren, die für menschliche Handlungen zentral sind: 1. der Bereich des Körpers (hierher gehören die Unterbereiche von Wohnen, Kleiden, Essen und Sport mit Dingen wie Möbeln, Essgeschirr und etwa Schlägern und Bällen), 2. Kommunikation und Verkehr (hierher gehören neben Autos, Telefonen und Büchern auch Spiele, Musikinstrumente, Bilder und Kunst), 3. Krieg (Waffen) und 4. schließlich die Arbeit (mit der ganzen Fülle von Instrumenten und Werkzeugen). Selbstverständlich gibt es Mischformen, Steine etwa können zum Wohnen gehören, wenn aus ihnen die Wände der Häuser gebaut werden, zum Krieg, wenn eine Steinschleuder zum Einsatz kommt, oder zur Arbeit, wenn Mauern oder Pyramiden gebaut werden oder einfach alle Werkzeuge aus Stein sind, wie in der Steinzeit.
After studying the way in which various modern interpretations (political, psychoanalytic, traumatological) of Homer analyze the emotions aroused and/or conveyed by the song of the sirens, we will look at the "self-reflexive" interpretation that Maurice Blanchot ("Le Livre à venir", 1959) proposes of "Odyssey's" "Song XII". We will see that this interpretation can provide an excellent reading grid for modern rewritings of the episode, which overinvest one of the emotional aspects of the sirens' song - that is, the emotion of the language that goes out of itself in order to become music (in Joyce - "Ulysses", 1918-1920) or silence (in Kafka - "Das Schweigen der Sirenen", 1917).
Der historische Kontext eines literarischen Textes, so lautet eine Kernthese jeder Hermeneutik in rekonstruierender oder dekonstruktiver Absicht, ist das Andere der ästhetischen Struktur dieses Textes: Er verstellt, mit anderen Worten, den Zugang zum literarischen Text als Kunstwerk. Dieser These wird hier am Beispiel der 'chinesischen' Erzählungen Franz Kafkas widersprochen. Der Beitrag führt vor, wie gerade aus der kalkulierten Einfügung eines Erzähltextes in den kulturellen Kontext seine spezifische ästhetische Form gewonnen wird.
Kafka und die Weltliteratur
(2005)
Tagungsbericht zum internationalen Symposion an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken, vom 20. bis 23. September 2004
Die Veranstalter des Saarbrücker Symposions 'Kafka und die Weltliteratur', Manfred Engel (Saarbrücken) und Dieter Lamping (Mainz), wußten, daß sie mit ihrer Tagung die vielfältigen Differenzen innerhalb der Kafka-Forschung nicht würden ausräumen können. Wohl aber hofften sie, die schmale Konsensbasis der Kafka-Forschung durch einen neuen Zugangsweg zu vergrößern: Statt den Autor, wie schon so oft, als (bewunderten) Einzelgänger innerhalb der klassischen literarischen Moderne zu betrachten und alle Anstrengungen auf eine Deutung der Einzeltexte zu konzentrieren, ging es in Saarbrücken erstmals darum, Kafkas Dichtungen in komparatistischer Hinsicht zu kontextualisieren.
The present essay engages with the short story 'The Burrow', written by Franz Kafka between 1923 and 1924, a few months before his death. The ambiguity of the original title, 'Der Bau', which defies translation by pointing at the same time at a construction and an excavation work, anticipates the multilayered image of the burrow itself. While both nature and function of the burrow are hard to pinpoint (is it a dwelling, a shelter, a fortress, a labyrinth, a ruin?), the initially reported success of its construction is revealed as illusory, thus prompting the ongoing first-person narration of the incessant builder's work. Similarly unsuccessful is any attempt of the reader to attain metaphorical closure. In the light of other impossible, i.e., unfinished, bound-to-fail, ruinous, or selfdismantling structures portrayed by Kafka, as well as on the background of coeval texts by Paul Valéry and Georg Simmel, the essay investigates the wide and deep significance of the burrow’s countering the classical ideal of architectural wholeness.
Franz Kafka'nın Dava'sının Melih Cevdet Anday'ın İsa'nın Güncesi adlı romanına etkisi açık olmakla birlikte, incelenen romanlar arasındaki ilişki, basit bir esinlenmenin ötesinde, eserlerin kaleme alındığı dönemlerdeki toplumsal ve hukuki sorunların özüne ilişkin benzerlikle dikkat çekmektedir. Romanların karşılaştırmalı analizi, modernitenin, toplumsal farklılıklar ve iki roman arasındaki altmış yıla rağmen, değişik kültürlerde hukuk felsefesine ilişkin benzer sorunlara yol açtığını göstermektedir. Ulus devletlerinin kurulması ve demokrasinin gelişmesiyle ortaya çıkan kriz kalıcı olmuş, dünya savaşları ve askeri darbeler arasında olağan hâle gelen olağanüstü hâl modern dönemin hukuki durumu hâline gelmiştir.
Kafka war gewiß kein Verkünder des nervösen "Fin de siècle" (dazu war es um 1911 bereits zu spät) und auch wenn er wie viele intellektuelle Zeitgenossen dem Modethema Nervosität einige Aufmerksamkeit schenkte, so war er doch in erster Linie: ein nervöser Patient. Und als solcher begab er sich in ärztliche und heilpraktische Behandlungen, wo man ihm sehr bald das zugehörige Krankheitsbild bestätigte - Neurasthenie. Die nervöse Karriere des Schriftstellers und Unfallversicherungsbeamten Franz Kafka ist aus den gängigen Biografien bekannt. Sie bietet reichlich Einblicke in die Szenarien gesellschaftlicher Heilpraxis nach 1900, in die Diskussionen um Krankheit, pathologische Zustände und Minderwertigkeit, aber auch in die individuelle Verfassung des Autors Kafka, seine Selbstwahrnehmung und seine Schreibobsessionen. Doch zunächst: Was bedeutete eigentlich Neurasthenie? Die Frage führt uns in nuce in die Aporien ihrer Beantwortung; dennoch muß sie gestellt werden, um die Tragweite ihrer Formulierung zu bestimmen. Wir wohnen der begrifflichen Auseinandersetzung eines Krankheitsbildes bei, das in den Jahren Kafkas eine erstaunliche Entwicklung nahm. Joachim Radkau spricht im Zusammenhang der Jahre 1880-1914 von der "Epoche der Nervosität".
In einem nachgelassenen Heft Franz Kafkas fand ich folgende Fabel: "Von Prometheus berichten vier Sagen: Nach der ersten wurde er, weil er die Götter an die Menschen verraten hatte, am Kaukasus festgeschmiedet, und die Götter schickten Adler, die von seiner immer wachsenden Leber fraßen. Nach der zweiten drückte sich Prometheus im Schmerz vor den zuhackenden Schnäbeln immer tiefer in den Felsen, bis er mit ihm eins wurde. Nach der dritten wurde in den Jahrtausenden sein Verrat vergessen, die Götter vergaßen, die Adler, er selbst. Nach der vierten wurde man des grundlos Gewordenen müde. Die Götter wurden müde, die Adler wurden müde, die Wunde schloß sich müde.
Blieb das unerklärliche Felsgebirge. - Die Sage versucht das Unerklärliche zu erklären. Da sie aus einem Wahrheitsgrund kommt, muß sie wieder im Unerklärlichen enden."
Schließt Kafka damit die Akten über den Fall Prometheus? War das Resultat der großen Rebellion kein anderes, als wäre nichts gewesen? Oder formuliert dieser fast nüchterne Bericht im Paradox die Sehnsucht, jene Erinnerung ins Künftige zu retten? Spricht hier ein gekreuzigter Prometheus, ein Prediger des Schlosses oder dessen letzter Untertan? Rollt hier ein Prozeß der Trivialisierung ab, der Verwandlung der heroischen Tragödie ins Nichtige - wer erleidet und wen entlarvt und verlacht diese Komik: Gegenstand, Richter oder Opfer des Prozesses, das Publikum oder alle miteinander?
Ist die Sage, die vergangenes Geschehen mythisch berichtet, nur Illusion? Kapituliert hier historische Erinnerung vor der stummen, unbegreiflichen, immerwährenden Natur des Felsgebirges? In der alten Sage wurde Prometheus, der Helfer der Menschen, von Herakles befreit. Ist hier keine Hoffnung mehr?
A fortuna crítica sobre Franz Kafka é pródiga em relacionar o modo de o escritor construir sua narrativa e algo dos próprios temas com a produção kleistiana. Como uma forma de refletir sobre isso, atentarei para dois críticos que expuseram aspectos desta relação em solo brasileiro: Otto Maria Carpeaux e Luiz Costa Lima. Distados várias décadas, os dois parecem, contudo, possuir certas linhas de confluência na abordagem kleistiana da obra de Franz Kafka. Após expor aspectos da relação Kleist-Kafka nos recortes da crítica brasileira, buscarei referências a Kleist em textos não literários de Kafka com a finalidade de encontrar neles um fundamento para o que é afirmado pelos críticos tratados neste ensaio.
In the concentration on his text, the author Franz Kafka is often reduced to the phantom of a deadly sick and Oedipus-struck inventor of abstract labyrinths in an absurd bureaucratic universe. This talk intends to reintegrate him into the landscape of various conterts of modernicy at the beginriing of the 20Ih century such as: the movement of life-reform, intellectual debates, academic research in the field of industrial accidents, changing erotic relations and the enthusiasm for new technical products. As a result, the author claims that Kafka could well be imagined as a member of the pre-war-society described by Thomas Mann in the "Magic Mountain".
Franz Kafka Almanca yazılan edebiyat içinde dünyada en çok okunan ve eserleri en çok yorumlanan yazarlardan biridir. Farklı dillere çevrilerek uluslararası büyük yankı bulan Kafka'nın eserlerinin Türkçe'ye çevrilmesi Türkiye'de 1950'li yıllarda başlar. Türkiye'deki Kafka alımlanmasının temelini oluşturan bu çevirilerin aynı zamanda Türk Edebiyatı ve entelektüel dünyanın gelişimini devamlı etkilediği görülür. Türkiye, kültürel ve toplumsal yapısı itibarıyla Franz Kafka'nın doğup büyüdüğü ve sosyalleştiği ortamdan birçok açıdan farklılık gösterir. Bu farklılığa bağlı olarak ortaya çıkan alımlanma şartları Kafka ve eserlerini anlama ve yorumlamada da farklılıkları beraberinde getirir. Bu kapsamda bu makalede amaç Franz Kafka ve eserlerinin Türkiye'deki alımlanmasını, alımlanma süreci ile birlikte Kafka'nın eserlerinin Türk okuyucusu ve Modern Türk Edebiyatı üzerine etkisi, ülkenin tarihsel, kültürel, toplumsal ve siyasi gelişimleri de dikkate alınarak incelemektir.
The reception of Franz Kafka’s work is normally seen from the perspective of human condition, the labyrinth, the bureaucracy that imposes itself over the individual and so on. There is no doubt about the importance of this perspective for the study of Kafka’s work. Nevertheless, the objective of the present paper is to point out another aspect in Kafka’s work, which is the relation to the visual medium Kaiserpanorama in his fictional writings. The starting points of this discussion are the books “Kafka goes to the movies” by Hanns Zischler published in 1996 and “Kafka und der Film: über kinematographisches Erzählen” by Peter-André Alt published in 2009. Thus, based on these publications this study intends to analyse the importance, that this optical medium may have had over Franz Kafka and in which ways it is possible to identify this new perception in his literary work, specially in the tale “An imperial message”. The main topic is constructed around the profundity of the 3D-image as seen through a Kaiserpanorama, and its statical plasticity.
Exil und Migration : minoritäres Schreiben auf Deutsch im 20. Jahrhundert - von Kafka bis Zaimoglu
(2012)
Die Begriffe 'Exil' und 'Migration' miteinander in Beziehung zu setzen erscheint zugleich zwingend und erklärungsbedürftig. Zwingend ist es aus systematischen Gründen, denn wer freiwillig oder gezwungenermaßen seine Heimat verlässt um ins Exil zu gehen, der wandert aus und wird zum Migranten. Für viele der nach 1933 vor den Nationalsozialisten Geflohenen begann mit der Flucht oder Vertreibung eine fundamental unsichere Zeit des Unterwegsseins, die in dem Maße wie sich der nationalsozialistische Herrschaftsbereich ausdehnte immer neue Ziele und Aufenthaltsorte bedeutete. Fast alle Migrantinnen und Migranten haben nach der Vertreibung, dem Verlust ihres bisherigen Daseins, extrem schwierige Arbeits- und Lebensbedingungen vorgefunden. Den Kunstschaffenden, vor allem den Schriftstellern, fehlte mit einem Schlag das muttersprachliche Umfeld und ein entsprechendes Publikum, was viele in ihrer intellektuellen und wirtschaftlichen Existenz bedrohte.
Das alles ist bekannt. Erklärungswürdig ist die Rede von 'Migration' gegenüber dem in der Forschungstradition häufigeren Begriff 'Emigration'. 'Migration' betont den Prozesscharakter des Auswanderns, was historisch plausibel ist und, darum soll es im Folgenden gehen, neue literaturgeschichtliche und literaturtheoretische Anschlussmöglichkeiten eröffnet. Die Beschäftigung mit den Texten, die unter den schwierigen Bedingungen des Exils entstanden sind, hat in der Nachfolge der Pionierarbeit von Walter A. Berendsohn innerhalb der Germanistik einen eigenständigen Forschungszweig hervorgebracht, dessen Institutionalisierung fortwährend von Methodendiskussionen begleitet worden ist.
Im Folgenden sollen zwei literarische Freundschaftsgeschichten fokussiert werden, deren Kern in einer gewissen Zufälligkeit des Freundschaftsbundes besteht. Freundschaft erwächst bei so unterschiedlichen Autoren wie Baudelaire und Kafka aus einer Ethik der Täuschung, die im Zeichen des Bösen zu stehen scheint. Dem allgemeinen Verständnis nach beruht Freundschaft auf Gemeinsamkeit, auf Geschichte, auf Erinnerung. Die Protagonisten bei Baudelaire und Kafka kennen nichts von dem: Der Freund, von dem sie je erzählen, erscheint als zufälliger Einbruch in die Welt des literarischen Subjekts.
Schon bei einer rein lexikalisch orientierten Lektüre von Kafkas Erzählung 'Das Urteil' drängt sich die Hypothese auf, dass die Semantik des 'Verkehrs' das Sinnzentrum dieser Novelle bildet: Kumulativ und mit einer geradezu pointenhaften Zuspitzung verdichtet sich der Kern des narrativ gestalteten Konflikts in diesem Wortfeld und lädt zu einer Analyse ein, die Rekurrenz als Varianz (im Sinne einer metamorphotischen Wiederkehr des Verdrängten) verstehbar macht. Eine Analyse der 'Verkehrs'-Semantik in Kafkas Urteil, die in der Forschung bislang noch nicht unternommen wurde, scheint daher lohnend. Stehen das leitmotivisch wiederholte mot-clé 'Verkehr' bzw. seine Synonyme doch offenbar für das Sinn-Zentrum der Erzählung und erfüllen damit jene Funktion, die dem 'Falken' im Rahmen der traditionellen Novellen-Typologie zugeschrieben wird: die kognitive Funktion, eine zunächst verborgene oder verschlüsselte Botschaft verstehbar zu machen. Dabei ist es keineswegs damit getan, die übliche Semantik des Wortes 'Verkehr' lexikologisch aufzufächern, vielmehr ergibt sich - so meine These - die 'Bedeutung' dieses Wortes im Urteil erst aus dem Zusammenspiel affiner und assoziativ vernetzter bzw. kontaminierter Semantiken, die für diesen und nur für diesen Einzeltext charakteristisch sind.
Franz Kafka hat als Angestellter einer Versicherungsgesellschaft auf abstrakter Ebene immer wieder mit Odradeks zu tun, womit die Verunfallten gemeint sind, welche die Grenzen jeder Statistik sprengen und nicht mehr auf herkömmliche Weise in ein Muster übersetzt werden können. Kafkas Behörde, der AUVA, ist es darum zu tun, diesen Ausfall aus dem Sinngefüge nachträglich einzureihen und zudem vorausgreifend in verhütender Manier zu verhindern - womit zu Kafkas Zeit ein gesellschaftspolitisches Programm formuliert wird, welches zwar schon länger im Diskurs pendelt, sich nun aber in der Alltagswelt zu etablieren beginnt: "Die AUVA war in Habsburg das Prunkstück [...] eines Staates, in dem Krankheit und Unfall als gesellschaftsbildend gelten, weil sie, einmal als soziale Übel erkannt, zur Solidarität zwingen; eines Staates, [...] der 'Vorsorge' betreibt und seinem immer drohenden Ruin zuvorkommt, indem er präventiv tätig wird und zur Prävention verpflichtet; und der schließlich sämtliche Individuen versichert, um sich ihrer zugleich zu versichern - der sie also allesamt in ein statistisches Feld der Normen und Abweichungen integriert." Ein schwieriges Unterfangen, denn wie ist ein Unfall, der als ein solcher per se im toten Winkel stattfindet oder diesen gar erst etabliert, mit statistischen Mitteln überhaupt zu beschreiben, wie einzuordnen - dies die Fragen, die ein soeben erst entstehender Versicherungsdiskurs sich stellt und die Kafka dann am heimischen Schreibtisch in Form seiner Schreibprojekte immer wieder künstlerisch dekliniert, um sie ins Allgemeine zu heben. Hat Kafka doch begriffen, dass die Tagesarbeit im Amt eine statistische Denkart zu entfalten beginnt, die bald schon jeden Bereich menschlichen Lebens zutiefst prägen sollte und sich spätestens Mitte des letzten Jahrhunderts vom Staat abkoppelt und zunehmend verselbständigt; seitdem werden die Verfahren vor allem zur ökonomisch begründeten Sondierung potentieller Konsumenten genutzt, ist es in einer Marktwirtschaft doch zu einer existentiellen Notwendigkeit geworden, den Menschen als Kunden so gut wie möglich zu kennen und hierzu eine Art "Kunden-Genom" zu extrapolieren. Bis sich infolge des "computational turn" die faktisch gegebene Möglichkeit etabliert, Statistiken zu entwickeln, die eigentlich keine mehr sind: "Because in the era of big data, more isn't just more. More is different."
Literatur ist revolutionär. Nicht im Sinne einer "littérature engagée", sondern als Äußerung, als Sprechakt, als eine bestimmte Konfiguration von Sprache. In ihrer Studie "Kafka. Pour une littérature mineure" entwickeln Gilles Deleuze und Félix Guattari diesen Gedanken einer Kleinen Literatur. Sie setzen dabei bei einigen Tagebucheinträgen Kafkas an, in denen dieser Skizzen zu einem Konzept einer kleinen Literatur entwickelt. Als deutschsprachiger Jude in Prag gehörte Kafka einer doppelten Minderheit an: der der Deutschsprechenden und der der Juden. Daher stellt sich für Kafka die Frage, in was für einer Sprache er schreiben soll: auf Tschechisch, Deutsch oder Jiddisch? Kafka hat sich bekanntermaßen für das Deutsche entschieden. Doch wie kann man auf Deutsch, der Sprache der übergroßen Literaturdenkmäler Goethe und Schiller, schreiben? Auf welche Art und Weise nähert man sich als Minderheitensprecher einer solchen Sprache? Schließlich ist das Deutsche eine große Sprache, eine Sprache einer Mehrheit, in der literarische Wege vermeintlich vorgezeichnet sind. Beispielsweise durch die oben genannten Vorbilder, die man in Zuspitzung der These für die ganze Literatur nehmen kann und die damit zur Imitation auffordern. In diesem Kontext entwickelte Kafka jenes Konzept der kleinen Literatur, deren drei Pfeiler Deleuze und Guattari folgendermaßen benennen: "Les trois caractères de la littérature mineure sont la déterritorialisation de la langue, le branchement de l'individuel sur l'immédiat-politique, l'agencement collectif d'énonciation" (K, 33). Dieser Essay soll diese drei Punkte verknüpft mit Deleuze's Konzepten der Sprache und des Werdens genauer ausführen. Zunächst muss jedoch der Begriff der Minderheit im Deleuze'schen Sinne konkretisiert werden.
Alfred Kubin und Franz Kafka begegneten einander des Öfteren in Prag, in von Künstlern und Schriftstellern frequentierten Lokalen. In Kafkas Tagebüchern finden sich mehrere Einträge mit Beobachtungen und Kommentaren zur Person des sechs Jahre älteren Künstlers und Autors. Am 26. September 1911 berichtet er, Kubin habe ihm ein Abführmittel gegen Verstopfung empfohlen; vier Tage später kommt Kafka noch einmal auf diese Begegnung zurück, die ihn offenbar ein wenig verstört hatte - ob der Grund in der Persönlichkeit Kubins lag oder im mangelnden Ernst, mit dem das Thema Verstopfung behandelt worden war, ist schwer auszumachen. Kubin wird bei der ersten Erwähnung als "Zeichner" ins Tagebuch eingeführt. Auch später deutet nichts darauf hin, dass Kafka die 1909 erschienene 'Andere Seite' gelesen hatte und Kubin auch als Schriftsteller wahrnahm. Trotzdem ist eine solche Lektüre nicht ausgeschlossen; sie ist sogar eher wahrscheinlich. Im Juli 1914 schrieb Kafka an Kubin eine Postkarte, auf der er ihm zunächst für die Karte dankt, die er von ihm erhalten hatte. Kafkas kurzes Schreiben schließt mit der Bemerkung: "Sie sind gewiß in der Ruhe Ihres schönen Besitzes versunken und arbeiten. Vielleicht gelingt es mir, doch noch einmal zu sagen, was mir diese Ihre Arbeit bedeutet." Der schöne Besitz ist das Schlösschen Zwickledt in Oberösterreich, und es ist kaum daran zu zweifeln, dass Kafka sich auf Kubins zeichnerische Arbeit bezieht. Wieviel ihm diese tatsächlich bedeutete, ist schwer zu sagen. Man kann vermuten, dass ihn die groteske, unheimliche oder phantastische Motivik im bildnerischen Bereich anzog, während er im literarischen Bereich dazu Distanz hielt und sie selbst nur sparsam einsetzte (etwa in der Verwandlung, die Peter Handke als "Alt-Prager Groteske" bezeichnete).
Asmodai in Olmütz
(2004)
"Spunda hat sich sowohl als magischer Dichter als auch als Theoretiker und Verkünder der magischen Substanz einer neuen Dichtung in seinem Essayband "Der magische Dichter" (1923) deklariert. Seine Vorstellung von der magischen Dichtung ergab sich aus einer Steigerung und Metamorphose des Expressionismus. [Immerwieder hat es ihn] zu längeren Aufenthalten nach Olmütz, zur Suche nach magischen Phänomenen, [gezogen]. Durch [ihre] geheimnisvollen Kräfte [gab die Stadt] dem Dichter Spunda einen magischen Wink, den er der Öffentlichkeit weitergab:Fort mit der Unterdrückung, fort vom Krieg, fort von der Gewalt. Dieser Wink wirkt wie ein Friedensmanifest, inmitten des Zweiten Weltkrieges."
Rolf Schneider gehörte zu jenen DDR-Schriftstellern, deren Romane um 1970 überwiegend in der Bundesrepublik herauskamen. Auch war er Teil der Gruppe von Autoren, die von 1978 bis 1981 langfristige Visa erhielten und zwischen Ost- und Westdeutschland hin- und herpendelten. Es ist anzunehmen, dass der Umstand, gleichsam zwischen den Stühlen zu sitzen, Schneiders Autorschaft in hohem Maß bedingte. Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, in welcher Weise dies der Fall war. Im Beitrag soll dem anhand der 1965 erschienenen Erzählung Metamorphosen nachgegangen werden. Sie bietet sich hier deshalb als Textgrundlage an, da sie eine intertextuelle Relation zu Die Verwandlung von Franz Kafka aufweist, dessen Werk von den Kulturfunktionären der DDR bis in die 70er Jahre hinein abgelehnt und aus dem offiziellen "Erbe"-Kanon ausgeschlossen wurde. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die in Metamorphosen enthaltenen Anspielungen auf den Kafka-Text Schneider zur Inszenierung seiner regimekritischen Autorschaft dienten. Wie dies im Einzelnen aussah, ist Gegenstand der Untersuchung, die sich den intertextuellen Bezügen von verschiedenen Seiten annähern wird, um so die Aspekte zu beleuchten, die für die literarische Selbstdarstellung Schneiders maßgeblich sind.
This essay aims at making a survey of Kafka’s reception in Brazil. After justifying the importance of this study, I show how intermittently Kafka’s work was translated into Brazilian Portuguese in the very beginning of his reception, that is to say, 1956. The first text published in Brazil was "Die Verwandlung", which was written in German in 1915. However this text was not translated from the German, but from the English. Other texts were translated from the French. Translations from the German only appeared in 1983, among them the one with the 'short stories' "Kleine Fabel", "Der Geier", "Gibs auf!" and "Vor dem Gesetz". It is interesting to notice that essays and other articles in newspapers on Kafka and his work preceded the translations. For example, the first essay on the author was written by Otto Maria Carpeaux in August 1941 in the newspaper "Correio da Manhã". Nowadays Kafka’s work is object of considerable research in Brazil.
Rezension zu Petra Renneke: Poesie und Wissen. Poetologie des Wissens der Moderne. Heidelberg (Winter) 2008 (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, Bd. 261). 382 S.
Die Germanistin Petra Renneke legt mit ihrer Monographie 'Poesie und Wissen. Poetologie des Wissens der Moderne' die Buchfassung ihrer an der Universität Paderborn eingereichten Habilitation vor.
Odradek? Was evoziert dieser Name nach einem ersten, flüchtigen Blick auf den Titel der großformatigen Fotografie 'Odradek, Taboritska, Prag, 18. Juni 1994' des kanadische Künstlers Jeff Wall? Steht er für eine konkrete Person, ein Lebewesen, ein Ereignis, einen Ort; ist er eine rätselhafte Chiffre für etwas, das im Bild entziffert werden kann oder bloß ein Wort aus einer slawischen Sprache, derer viele nicht mächtig sind? All diese Fragen liefen zunächst ins Leere oder zögen uferlose Spekulationen nach sich, wenn der Titel nicht einen entscheidenden Bezugspunkt preisgeben würde. Der Name Odradek stammt nämlich aus der Erzählung 'Die Sorge des Hausvaters' von Franz Kafka.
Am Fall Husserl soll aufgezeigt werden, wie das wiederholte Von-vorn-Beginnen unweigerlich in eine bestimmte Form des Philosophierens mündet. Dies zu verfolgen erfordert aber weniger eine philosophische als eine poietologische Perspektive. Die konstante Beschäftigung mit dem Anfang führt zu besonderen Schreibformen und entwirft ganze Lebensentwürfe. Dem entspricht ein Lektüremodus, der besonderen Wert auf diejenigen "höchst artistische[n] Volten und Manöver" legt, die im Umgang mit Anfangs- und Ursprungsszenarien zu beobachten sind, und der die daraus erwachsenden praxeologischen Bestimmungen und poetologischen Entwürfe als notwendiger Bestandteil dieser Bemühungen versteht. Es geht also weder darum, die philosophischen Aporien rund um den richtigen Anfang zu lösen, noch darum, ein Theoriemodell des Anfangens zu entwerfen, das in der Literaturwissenschaft aufzunehmen und anzuwenden wäre. Im Fokus stehen soll vielmehr das Zusammenspiel von Epistemologie und Po(i)etologie, das sich über das Anfangsproblem präsentiert und für das sich die "unendliche Aufgabe" von Husserls Phänomenologie, aufgrund der Ernsthaftigkeit ihres Rückfragens und der daraus resultierenden Denk- und Schreibpraxis, besonders eignet. Um die textuellen Konsequenzen der Anfangsaufgabe herausarbeiten zu können, soll in einem zweiten, sich von Husserl lösenden Schritt auf einen Autor zurückgegangen werden, der in der literaturwissenschaftlichen Forschung bereits vielfach als ein ständig neu beginnender und nie zum Schluss kommender beschrieben wurde: Franz Kafka. [...] Im Folgenden sollen also diese beiden Sachverhalte untersucht werden: Zum einen: Welche poetologischen Perspektiven auf das Anfangsproblem schlagen sich in Husserls vielfältigen Fragestellungen und Reflexionsfiguren nieder (III)? Zum anderen: Inwiefern kann Kafkas Form des ständigen Neubeginnens als konsequente Fortführung der Husserl'schen Problemstellung verstanden werden (IV)?
"Eine gewichtige Pranke" : Walter Benjamin und Giorgio Agamben zu Erzählung und Gesetz bei Kafka
(2014)
In seinem Brief an Gershom Scholem vom 11. August 1934 nennt Walter Benjamin das Gesetz den "toten Punkt" in Kafkas Werk. In seinen Notizen zu diesem Brief spricht Benjamin abfällig von Kafkas "stete[m] Drängen auf das Gesetz" und bezeichnet es als "Schublade des Geheimniskrämers" und als "Begriff, mit dem [er sich] nicht einlassen möchte" (BK, 154). Aus den darauf folgenden Sätzen wird allerdings deutlich, dass Benjamin die Auseinandersetzung mit dem Gesetz bei Kafka nur insofern scheut, als dieses auf den 'Begriff' gebracht werden soll, denn, so Benjamin weiter, "sollte er in Kafkas Werk dennoch eine Funktion haben [...] so wird auch eine Interpretation die von Bildern ausgeht - wie die meinige - auf sie führen" (ebd.). Die Unterscheidung zwischen begrifflicher Festlegung, die Benjamin ablehnt, und bildlicher, also im weiteren Sinne metaphorischer Darstellung, die er einigermaßen billigt und praktiziert, weist auf die auffallende, wenn auch schwer deutbare Bildsprache hin, mit der Benjamin sich der Bedeutung des Gesetzes bei Kafka annähert. Tatsächlich befasst Benjamin sich, im Widerspruch zu seiner angekündigten Weigerung, ebenso in seinem großen Essay "Franz Kafka. Zum zehnten Jahrestag seines Todes" (BK, 9-38) wie in seinem Briefwechsel mit Scholem ausführlich mit Fragen des Gesetzes im Werk des Prager Autors. Diese Ausführungen gilt es im Folgenden mit den zahlreichen Betrachtungen zu diesem Thema in den Schriften Giorgio Agambens, der sich gerade in Bezug auf Kafka häufig explizit auf Benjamin als Vorlage beruft, zu vergleichen. Dabei sollen ebenso die Gemeinsamkeiten wie die Unterschiede der beiden Denker und deren ideeller Horizont herausgestrichen werden, um Einsicht in die Ausrichtung des 'Nachlebens' von Benjamins Gedankengut bei einem seiner bedeutendsten heutigen Erben zu gewinnen.
Franz Kafka's (1883-1924) "Die Brücke" is one of the less well-known texts by one of the most prolific authors of literary modernity. However, this short prose text embodies prevalent questions of literary modernity and philosophy as it reflects the crisis of language in regard of identity, communication, and literary production. Placed in the context of fin-de-siècle's discourse of language crisis, this article provides a dialogue between Kafka's "Die Brücke" and Hannah Arendt's (1906-1975) philosophy of thinking and speaking in "The Life of the Mind". Contrary to Arendt's understanding of the metaphor as "a carrying over" between the mental activities of the solitude thinker and a reconciliation with the pluralistic world shared with others, this article argues for a deconstructionist reading of "Die Brücke" as a tool to reevaluate Arendt"s notion of a shared human experience ensured through language and illustrates the advantages of poetic texts within philosophical discourses.
Die labyrinthische Organisation des Erzählraums, die bisweilen dem Prinzip der Assoziation durch Josef K. zu folgen scheint, korrespondiert historisch mit der desorientierten Wirklichkeitserfahrung der Moderne - einem "Gefühl der 'Ohnmacht' und der 'Entfremdung' des 'modernen Menschen'". Nicht ohne Grund wird "Der Proceß" so in der verbreiteten sozialgeschichtlichen (und vor allem sozialkritischen) Lesart zur literarischen "Gestaltung der verwalteten Welt, der vielfältigen Einengungen und Bedrohungen, die das Individuum heute durch anonyme Mächte erfährt, zur Anklage des Kapitalismus, zur prophetischen Vorwegnahme der totalitären Regime des 20. Jahrhunderts oder, aktueller und à la Foucault, zur Verbildlichung der das Begehren unterdrückenden 'Macht'". Der vorliegende Beitrag unternimmt den Versuch, diese sozialgeschichtliche Lesart unter Hinzunahme des in der Kafka-Forschung bislang nur randläufig berücksichtigten Paradigmas der 'Biopolitik' bzw. 'Biomacht', wie es insbesondere von Michel Foucault analysiert wurde, noch einmal produktiv zu erweitern. [...] Franz Kafkas literarisches Werk befasst sich zweifellos immer wieder mit modernen Machtverhältnissen und Normierungsprozessen sowie auch mit den Individuen, die vor der (scheinbaren) Wahl stehen, sich zu assimilieren oder von eben jenen verschüttet zu werden. Dieser Beitrag wird erstens zu zeigen versuchen, wie das Gericht in Der Proceß durch seine Raumordnung als Metapher für eine breitere Machtökonomie der diegetischen Gesellschaftsordnung lesbar wird. Zweitens wird er der Frage nachgehen, inwieweit die Kategorie des Angeklagten als Schnittpunkt gelesen werden kann, der zwar intradiegetisch einen eigenen institutionellen und epistemologischen Stellenwert hat, auf der Metaebene allerdings der Logik des modernen Zusammenspiels bio- und disziplinarpolitischer Interventionen und Prozesse nachspürt.