CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Durch neue Kommunikationsformen im Internet und in anderen Medien, aber auch durch gewandelte gesellschaftliche Bedingungen haben sich die Untersuchungsgegenstände, Methoden und Ziele von Textlinguistik und Stilistik tiefgreifend verändert. Doch nicht nur die neuen Medien stellen beide Disziplinen vor methodische und empirische Herausforderungen, sondern bekanntlich sind auch die traditionellen Forschungs- und Anwendungsbereiche beider Disziplinen in ständigem Wandel. Insofern ergeben sich zahlreiche neue Forschungsfragen und -ansätze, denen sich beide Disziplinen annehmen können und müssen. Der vorliegende Band der "Aussiger Beiträge" soll ausgewählte Einblicke in diese Entwicklungen gewähren. Dabei wird auch berücksichtigt, dass Textlinguistik und Stilistik sich nicht nur mit gegenwartssprachlichen Fragestellungen befassen, sondern dass auch historische Themen selbstverständlich zum Untersuchungsbereich von Textlinguistik und Stilistik zählen. Die Beiträge offenbaren die besondere Praxisrelevanz, die beiden Disziplinen zukommt, und zwar insbesondere im didaktischen Bereich. Einen besonderen Schwerpunkt der Beiträge bilden vor allem bislang wenig erforschte Fragestellungen.
Franz Fühmann gehört zu den profiliertesten deutschsprachigen Schriftstellern aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen seines Gesamtwerkes nimmt das Thema 'Griechenland' - namentlich die Zeit der Okkupation - einen beträchtlichen Raum ein; ja, Fühmann ist sogar derjenige DDR-Autor, der sich am intensivsten damit befasst hat.
Die Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg ist ein Thema, das gerade im Kontext der krisenhaften Erschütterungen in der Europäischen Union und der mannigfachen Spannungen innerhalb des deutsch-griechischen Verhältnisses im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts von erheblicher historisch-politischer Brisanz ist; ihre literarischen Gestaltungen sind wichtige Dokumente zeitgenössischer Reflexion und sollten Anregungen geben für das Problembewusstsein späterer Generationen. Zugleich aber sind diese Gestaltungen Teil eines schriftstellerischen Gesamtwerkes, und im Falle Franz Fühmanns ist insbesondere zu fragen, ob sich das Erlebnis Griechenlands – über seine Bedeutung für die Auseinandersetzung mit Krieg und Faschismus in den Erzählungen bis 1965 hinaus - auch im Schaffen der Folgezeit niedergeschlagen hat.
Franz Fühmann wurde am 15. Januar 1922 in Rochlitz an der Iser (Rokytnice nad Jizerou) im Riesengebirge geboren und starb am 8. Juli 1984 in Berlin. Anfang der fünfziger Jahre war er zunächst als Lyriker, ab 1955 auch als Erzähler bekannt geworden. Seit Mitte der sechziger Jahre wandte sich der Schriftsteller der antiken Mythologie zu (der Nacherzählung der Homerischen Epen unter dem Titel Das Hölzerne Pferd, dem 'mythologischen Roman' Prometheus sowie mehreren Erzählungen und dramatischen Texten) und schrieb eine Anzahl programmatischer Essays - darunter Das mythische Element in der Literatur (1974).
Im Zentrum der vorliegenden Studie steht Benjamins Konzeption der Politik der "Entstaltung". Dabei soll gezeigt werden, dass diese vor allem einer "Gesellschaft des Spektakels" Paroli bietet, in welcher alles, selbst die Politik sich als Zurschaustellung und Aufführung inszeniert. Die Politik der "Entstaltung" zielt hingegen darauf ab, mit der gesellschaftlichen Inszenierung und Repräsentierbarkeit radikal zu brechen und jenseits dieser eine Politik des Nicht-Repräsentierbaren als wirkliche Demokratie zu ermöglichen. Sie setzt dort an, wo eine konstitutive Lücke in der Gesellschaft sichtbar wird. Sie ist in erster Linie nichts anderes als die Sichtbarmachung und Zurschaustellung einer solchen konstitutiven Lücke in der gesellschaftlichen Ordnung. Die Lücke ist das Moment, in dem die gesellschaftliche Repräsentation und Darstellung, das heißt die Mimesis endet und die Performanz als das radikal Undarstellbare ansetzt. Diese Lücke heißt bei Benjamin im Anschluss an Brecht "Zustand". Die Politik der Entstaltung hält daher an "Zuständen" (GS II, 521) fest, die noch inhaltsleer sind und als Orte des Übergangs fungieren.
Die vorliegende Studie verortet den Begriff der Entstaltung im Kontext der Theorien der Gestalt bei Goethe, Mach, Ehrenfels und in der Gestaltpsychologie. Benjamins Begriff der Entstaltung ist demnach als ein antimetaphysisches Gegenkonzept zur Gestalt aufzufassen. Diese Studie führt den Gegensatz von Gestalt und Entstaltung auf die Divergenz zwischen Goethe und der Romantik zurück. Sie verfolgt die These, dass die Phantasie als "Entstaltung des Gestalteten" (GS VI, 114) in Benjamins Konzeption der Politik eine wesentliche Rolle spielt.
Der vorliegende Sammelband ist wichtigen Aspekten der sprachwissenschaftlichen Phraseologieforschung gewidmet; er enthält sowohl theoretische Ausführungen zu Struktur, Definition, Semantik, Pragmatik oder syntaktischer Verwendung von phraseologischen Strukturen als auch Beobachtungen zum alltäglichen Sprachgebrauch in konkreten Kommunikationssituationen. Der Band basiert auf der Tagung zum Thema 'Phrasenstrukturen und -interpretationen im Gebrauch', die vom 25. bis 27. September 2014 stattfand und die Tradition von germanistischen Konferenzen am Institut für Germanische Philologie der Universität Wrocław fortsetzte.
[Der] Status des Rechts [ist] in der Odyssee grundsätzlich ambivalent [...]: Auf der einen Seite grenzt sich Odysseus unter Berufung auf eine allgemeine "rechtliche Ordnung" (thémis) und die öffentliche Versammlung (agorá) von der rechtlosen Welt der Kyklopen ab, auf der anderen liegt Interpretation und Durchsetzung von Recht im Konfliktfall beim Einzelnen: Was "Recht" ist, wird zu einem großen Teil von Macht, Einfluss und Ansehen der Parteien bestimmt. Dennoch hieße es die Komplexität der in der Odyssee beschriebenen Ordnung zu vereinfachen, wollte man sie auf ein rohes Recht des Stärkeren zurückführen – Odysseus wird in seinem Epos schließlich gerade nicht durch Verbindlichkeit durchsetzende Stärke, sondern durch wendige, ja unverbindliche Listigkeit charakterisiert. Doch wie ließe sich dann die zuguterletzt wiederhergestellte rechtliche Ordnung differenziert beschreiben? Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst eine Reflexion auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen Recht und Epos vorzunehmen. Sie soll in den folgenden Abschnitten in der Diskussion einiger maßgeblicher rechtshistorischer Ansätze am Beispiel der Ilias geleistet werden. Im zweiten Hauptteil dieses Textes wird dann eine Lektüre der Odyssee unter dem Aspekt epischer Verbindlichkeit im Vordergrund stehen; sie wird in die Frage münden, in welchem Verhältnis die formale Geschlossenheit des Epos zur Herstellung von Ordnung steht. Die Problematik der epischen Form wird ihrerseits abschließend zum Verhältnis von Epos und Recht zurückführen, wobei nun allerdings das Epos als Gegenstand von mündlicher Überlieferung und (mythischer) Gesetzgebung im Zuge der pólis-Werdung Athens im Mittelpunkt steht.
"Wer trägt heute noch Trainingsanzüge in der Öffentlichkeit?", titelt die "Stilkritik" der Süddeutschen Zeitung im Mai 2010. Sportler jedenfalls nicht. Der aktuelle Bundestrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft kleidet sich - "modisch top", "Stilikone" - selbst im Stadion in Designer-Anzüge. Dabei waren Sportler ursprünglich die einzige Zielgruppe des Ende der 1920er Jahre in den USA erfundenen 'tracksuit'. Die Kombination aus locker sitzender Hose mit Gummizug und Beinbündchen sowie Blouson mit Reißverschluss oder Sweatshirt sollte sie vor und nach ihren Aktivitäten wärmen. Ein Einsatz von Trainingsanzügen außerhalb des Sports war lange Zeit undenkbar. Die Modifizierung des Trainingsanzugs begann erst fünf Jahrzehnte nach seiner Erfindung.
Welche 'Sprache' sprechen heute eigentlich die Medien? Auf diese Frage können verschiedene Antworten gegeben werden, die aber alle um mindestens zwei Gravitationsfelder kreisen. Jedenfalls hat man heute den Eindruck, dass in der Sprache weder die begründende Rede (logos), noch die gemächlich erzählende Rede (mythos), sondern ein ontologischer Imperativ waltet, der alle Sprache konfisziert. Ein Imperativ, der in seinen absolutistischen Wahrheitsansprüchen die Räume des Anderen, Andersdenkenden und -handelnden immer mehr einengt und abdichtet, so dass die imperative Befehls-Sprache die auf ein Wahrheits-, Meinungs- und Herrschaftsmonopol vereidigt ist, sich in sich selber abschließt und dann keine Argumentation mehr zulässt. Diese Inbeschlagnahme der Sprache kann man heute an Phänomenen wie etwa der Ukraine, Griechenland oder dem Islam medial beobachten. So hieß es neulich im Spiegel: "Ich will also mein Deutsch-Sein zurück, und zwar, in loser Reihenfolge, von: Julian Reichelt, Béla Anda, Kai Diekmann, Ernst Elitz, Frank Plasberg, Günther Jauch, Markus Söder, Arnulf Barin, ach, die Liste ist zu lang. [...] Das populistische Dauersalbadern hat dabei schon länger die politische Diskussion ersetzt: Wo es früher mal, theoretisch jedenfalls, um Ursache und Wirkung ging, geht es heute nur noch um Wirkung. [...] Es ist eine politischmediale Verfallsgeschichte, Ergebnis von jahrelanger, jahrzehntelanger Entpolitisierung, die ein Vakuum der Gedanken geschaffen hat, eine galoppierende Prinzipienlosigkeit, einen wurschtigen Relativismus. [...] 'Um eine rationale Debatte zu vermeiden', kritisierte der Philosoph Slavoj Zizek gerade, 'begeben sich deutsche Medien immer stärker auf das Niveau der Boulevardpresse'."
Ein neuer Tonfall herrscht also in Europa. Überall hallt es wider von Losungen und Aufrufen, deren geistige Schlichtheit sich mit dem emotionalisierten Auftreten der Anhänger des kapitalistischen und nationalistischen Kultus verbindet und dabei nicht mehr an modernen Parteikämpfen, an Argumenten, Analysen, Vernunft und Aufklärung, sondern an atavistische Religions-, Stammes- und Nationalkriege erinnert.
Das Leder des Schuhs
(2015)
Schuhe - schwere, wetterfeste Stiefel ebenso wie luftige, filigrane Sandalen - wurden lange Zeit aus Leder gefertigt. Robuster und langlebiger als Leinen, Seide oder Bast, aber wesentlich anschmiegsamer als das Holz rustikaler Pantinen, war Leder ein geradezu ideales Material für den Schutz der Füße vor den Widrigkeiten der Straße, vor Steinen, Schmutz, Staub, Kälte und sogar Nässe. Seine Eigenschaften lassen das Leder des Schuhs zugleich zu einem unheimlichen Material werden, speichert es doch Informationen über seinen Gebrauch und kommuniziert damit Gewohnheiten und Präferenzen seiner TrägerInnen.
Der vorliegende Artikel befasst sich mit der Herausforderung der Geschichtswissenschaft durch die sog. Postmoderne. Um ein besseres Verständnis über die Begrifflichkeit und die konkreten Herausforderungen zu gewinnen, konzentrieren sich die Ausführungen auf jene theoretisch konsistente Theoriebildung, wie sie von Jean-François Lyotard in seinen zwei maßgeblichen Werken "Das postmoderne Wissen" und "Der Widerstreit" formuliert wurde. Die Postmoderne ist für Lyotard durch eine Skepsis gegenüber den großen Erzählungen gekennzeichnet, welche jegliche Form des Wissens legitimieren. Im Vergleich zu anderen Fachdisziplinen steht die Geschichtswissenschaft in einem besonderen Verhältnis zu diesen Erzählungen, was zugleich die Chancen wie auch die Schwierigkeiten anzeigt. Die entscheidende Herausforderung der Geschichtswissenschaft betrifft dabei jedoch weniger die narrative Darstellung historischen Wissens, als vielmehr den Status der Geschichte als Wissenschaft.
Ziel des Artikels ist es, die Produktivität der Transformationstheorie, die am Berliner SFB 644 "Transformationen der Antike" zur Analyse kulturellen Wandels entwickelt wurde, zu belegen. Zu diesem Zweck werden Phänomene des kulturellen Wandels in den Wissenskulturen des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit untersucht. Aus der Sicht der Berliner Transformationstheorie ist ein hervorstechendes Charakteristikum kulturellen Wandels seine allelopoietische Struktur: Jede kulturelle Transformation setzt sich aus bidirektionalen, interagierenden, reziproken Phänomenen des Wandels in einer Aufnahmekultur und einer oder mehreren Referenzkulturen zusammen. Der Artikel behandelt deshalb soziale, epistemische und lehrende Praktiken und bezieht sich dabei zuvorderst auf 'convivia' und Akademien, Autopsie als besondere wissenschaftliche Methode und Disputationen und Deklamationen als akademische, universitäre Praktiken im 16. Jahrhundert. In all diesen Bereichen werden die Transformationen in einem andauernden Kampf um kulturelle und soziale Geltung verwirklicht, die durch die 'agency' einer Vielzahl vielfältiger Akteure und Agenten (wie Medien, Gattungen usw.) beeinflusst werden.
Bohemian and Moravian archives and libraries represent a rich resource of medieval texts on the plague. Advice, recommendations and recipes for avoiding the plague (prophylaxis), as well as instructions on how to treat it (therapy), can be found in many manuscripts from the 14th–16th centuries. An example of a varied approach to this topic can be found in the plague tractates contained in the Křivoklát manuscript I. b. 25 and the Olomouc manuscript M. I. 650. This article describes the origin and presentation of the information in the manuscripts, as well as the graphic arrangement of the text.
The article deals with Thomas Mann' s attitude to Stefan George and his work. The first part reproduces and comments on Mann's statements about George. It transpires that Thomas Mann's attitude to George was highly contradictory. This fact is mainly due to the self-searching of the North German author against the background of historical events. The article also contains an analysis of two short stories by Thomas Mann ('At the Prophet's' and 'Death in Venice') that have some relation to George (or his disciples) and thus clarify the issues in question.
Monologic dialogues and dialogue structures in Wedekind's 'Frühlings Erwachen' A drama presents a plot which is constituted through dialogues between the characters. This article therefore attempts to explore several instances of dialogue from Wedekind's 'Frühlings Erwachen' by conversationalanalytical means; such an approach facilitates a clear description of the characters' failures in their interactions. This in turn reveals the specific features of literary dialogues from this period, which are constituted in writing and thus precisely planned; an author not only imitates acts and actors via a play's dialogues, but fundamentally creates and moulds the characters through dialogue.
This article focuses primarily on three areas: First the article deals with Alfred Döblin's concept of the novel and the function of the montage technique from his perspective. Secondly, the article draws attention to the fact that Alfred Döblin, a neurologist by profession, who later dedicated himself exclusively to his writing, used the montage technique intensively in his great city novel Berlin Alexanderplatz. The technique, which operates at different levels of language, narrative technique and plot, is demonstrated by selected examples from the novel. In each case the intention of the novelist is discussed. The article considers whether individual accumulating elements accord with the wholeness of the novel, and if so, how this interesting synthesis occurs. The final focus is on his efforts to use the montage technique to portray the big city. In the case of Berlin Alexanderplatz, this effort ultimately ends with a big city epic. In this study, we consider how Döblin used the montage technique in Berlin Alexanderplatz, which was central, and new for German literature at that time. Additionally, narrative styles and techniques as parables, paraboles, sound associations, word and rhyme repetition and relevant passages are supported by quotations from the novel.
Black Humor, Brimstone Grotesque and A Terrifying Scenery in the work of Thomas Bernhard named "The Painter". Thomas Bernhard (1931-1989) is one of the most important writers of the Austrian postwar literature. All of his works reflect the characteristics of that period. "Bernhardesque" literature (just as the "Kafkaesque") always shapes the language and brings it out forcing the maximum limits of the semantics and stylistics expression facilities of the language. Bernhard generally figures out the inner world of the modern people psychologically disturbed and represents their wholly technological, noncommunicative and hostile environment in his works, especially features ironic, absurd, and grotesque and a little bit comic elements. Thomas Bernhard, a worldwide famous writer, poet and playwright, wrote a prose novel entitled "Ereignisse" (Events) that includes thirty-one extraordinary stories in 1957. These are the stories can be read both independently from each other and also in coherence. This study is aimed to analyses one of these works, the twelfth one in the light of eclectical way, mostly involves 'black humor' which is named "Der Anstreicher" (The Painter). The term Black Humor is generally defined for the works characterized by a desperate, sardonic humor intended to induce laughter as the appropriate response to the apparent meaninglessness and absurdity of existence. This short story of Bernhard tells about an "Event" derived its theme from the daily life and can be thought as a simple work accident but it brings a death to his main character. Narrator narrates this fatal and ordinary event with a horrific, grotesque and agonizing absurdity and as we try to figure out in this study; The Painter includes 'Black Humor' in this context.
Else LaskerSchüler (1869-1945), among the significant expressionist woman writers, did not only suffer from being both a woman and author, but also had to struggle under difficulties of being a hebrew. In this paper, especially the letter novel titled "Der Malik : Eine Kaisergeschichte" has been handled in the light of Homi K. Bhabha's 'Third Space Theory'. In regard to this, the "Third Space", which is defined by postcolonial theoretician Homi K. Bhabha as an extra place where minorities and outcast groups can express themselves in his work "The Location of Culture", is adapted to the literary "Orient" and defined once again in Else Lasker-Schüler's novel as it was never approached and interpreted before. In this sense, this supports the relevance to analyze her mentioned works in terms of the "Third Space Theory". Else Lasker-Schüler constructed a new world for herself through literature; her works were her life and her life was her works.
Selbstverständlich wird für die Verwirklichung der posthumanen Welt vorausgesetzt, dass der humanistisch-anthropozentrische Menschenbegriff bzw. seine Geschichte zu einem Ende gelangt sind. Denn die Idee des Posthumanen beinhaltet im wörtlichen Sinne eine Vorstellung des Menschen, der nach dem humanistischen Menschen kommt. Daher muss der posthumane Diskurs nicht im Kontext der apokalyptischen Weltanschauung als das Verschwinden der Menschheit oder als eine 'Auslöschungsfantasie' betrachtet werden, sondern in der kommenden historischen Phase als ein neues Ethos, wodurch man den neuen Menschen definieren kann.
Diese Ansicht wird im dritten Roman von Christian Kracht, Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten (2008), verdeutlicht: Der Roman wurde seit seinem Erscheinen zwar hauptsächlich als ein dystopischer Roman, eine Geschichte von der Endzeit aller Zivilisation gelesen, kann aber ebenso dahingehend verstanden werden, dass das Verschwinden der humanistischen Welt, die in Europa entwickelt worden ist, die Voraussetzung für den Anbruch eines neuen Zeitalters bzw. Menschen bildet. Im Folgenden werde ich mich zuerst den neuen Menschenbildern, die mit der Technik verbessert und zusammengeschlossen werden, annähern und einen Überblick über verschiedene Ausprägungen des Posthumanismus geben.
1896, kurz nach dem Tod Paul Verlaines, veröffentlicht der tschechische Künstler Karel Hlaváček seinen Gedichtband 'Pozdě k ránu' ('Spät, gegen Morgen'). Hlaváček wirkt im Kreis Arnošt Procházkas und Jiři Karásek ze Lvovices, Begründer und Herausgeber der Literaturzeitschrift 'Moderní Revue', die mit ihrer dezidiert europäischen Ausrichtung ein Gegengewicht zum nationalistisch-patriotischen Literaturbetrieb in Prag um 1900 bildet. Durch seine Verbindungen zum eher national konservativ orientierten Sokol ist das Verhältnis zu Arnošt Procházka zeitweilig angespannt, wenngleich die Missstimmung weniger konträren politischen Überzeugungen der beiden Männer als den divergierenden Attitüden von 'Moderní Revue' und Sokol geschuldet ist. Seit der Gründung der Zeitschrift 1894 entwirft der junge Hlaváček mehrere Cover für die 'Revue' und ist vorrangig an der Illustration des Blattes beteiligt. Das Oeuvre des mit 23 Jahren früh an Tuberkulose verstorbenen Tschechen ist überschaubar: neben Literaturkritiken und kürzeren Essays und den genannten Gedichtbänden sind 'Mstíva kantiléna' ('Die Rache der Kantilene') und die posthum veröffentlichen 'Žalmy' ('Psalme') seine einzigen Werke. In 'Pozdě k ránu' findet sich das Prosagedicht 'Subtilnost smutku', das nicht nur in einzigartiger Weise eine Auseinandersetzung der in Westeuropa beliebten Topoi und Schreibverfahren der Décadence darstellt, sondern darüber hinaus als kritischer Kommentar zum intellektuellen Milieu im Prag des ausgehenden 19. Jahrhunderts betrachtet werden kann. Der Wahnsinn fungiert in diesem Text im gleichen Maße als komplexe Metapher wie als strukturierendes Leitmotiv und stellt einen Knotenpunkt der verschiedenen Disziplinen, in denen der Begriff "Décadence" im Fin de siècle ungeheure Popularität erlangt, dar. Wenn der Kritiker Herben mit seiner polemischen Kritik versucht, Hlaváček als geisteskrank zu diskreditieren, so verfehlt er seine Absicht dergestalt, dass er nicht nur die Antihaltung des Künstlers befeuert, sondern er identifiziert darüberhinaus das Element, welches sich als Schlüssel zur Dechiffrierung der Stellung von 'Subtilnost smutku' in einem europäischen Rahmen erweisen soll.
Die folgenden Ausführungen widmen sich der von Müller zur Steigerung der sinnlichen Erfahrbarkeit und zur Einübung in die ethnologische Perspektive genutzten ästhetisch-literarischen Verfahrensweisen. Neben die durch die Briefform vorgebebene, breit angewandte und von der Forschung bereits untersuchte Leseransprache, mit der er das Gesehene vergegenwärtigte, fügte Müller Originaldokumente ein, die Authentizität und Anschaulichkeit garantierten und den reizvollen Charakter des Fremden transportierten. Den Charakter der Anschaulichkeit seiner Darstellung unterstützte Müller, indem er immer wieder auf die bekannten und in weiten Kreisen auch außerhalb Italiens kursierenden Darstellungen des römischen Alltagslebens durch den Kupferstecher und Maler Bartolomeo Pinelli (1781-1835) rekurrierte. Auf ihr spannungsvolles Verhältnis zu den beschriebenen Volksszenen und den gesammelten Originaldokumenten möchte ich zunächst das Augenmerk legen, bevor mit den 1825 erschienenen 'Scenen aus Rom' des Spätaufklärers Christian August Vulpius ein gänzlich anderes Verfahren vorgestellt wird, das den Leser ebenfalls möglichst nah an das italienische Volksleben heranzuführen beabsichtigt.
Der Wald ist eines der wichtigsten Landschaftselemente im Kulissenfundus der Literatur - mit entsprechender Bedeutungsvielfalt: Die christlich-abendländische Tradition sieht ihn als Ort der Finsternis, der durch das göttliche Licht erhellt werden muss. In den berühmten Eingangsversen der 'Divina Commedia' erscheint er als rauer, wilder und dunkler Raum, Dantes "selva oscura" ist Stätte des Verwirrtseins und Zeichen irdischer Sündhaftigkeit. Aufgrund seiner transzendenten Unermesslichkeit jenseits rein geographischer Dimensionen kommt Gaston Bachelard in seiner 'Poetik des Raumes' zu dem Schluss: "Der Wald ist ein Seelenzustand". Als Metapher für die Seele des Menschen ist der Wald nicht nur in der Romantik beliebt, als Ausdruck des kollektiven Unbewussten interessiert er auch die Psychoanalyse, etwa in Gestalt der Archetypenlehre C. G. Jungs. In seiner Studie 'Masse und Macht' rechnet Elias Canetti den Wald zu den "Massensymbolen", mit durchaus unangenehmen Konnotationen für das Individuum. Da jeder einzelne Stamm, aus denen sich dieser zusammensetzt, fest verwurzelt und unverrückbar in der Erde stehe, sei "der Wald zum Symbol des Heeres geworden: ein Heer in Aufstellung, ein Heer, das unter keinen Umständen flieht; das sich bis zum letzten Mann in Stücke hauen läßt, bevor es einen Fußbreit Boden aufgibt". In diametralem Gegensatz zu diesem Szenario der Bedrohung des Einzelnen durch die Masse zusammengerotteter Bäume erscheint der Wald jedoch gleichermaßen als Ort der Freiheit, als Abbild der ursprünglichen Natur jenseits der einengenden menschlichen Zivilisation, als fruchtbare Wildnis, in der sich das Individuum frei entfalten kann. In dieser Bildtradition stehen zwei Texte, die ungefähr im Abstand von 100 Jahren und auf zwei verschiedenen Kontinenten entstanden sind: Henry David Thoreaus 'Walden' (1854) und Ernst Jüngers 'Der Waldgang' (1951). Wenn diese beiden in ihren historischen Voraussetzungen so unterschiedlichen Essays im Folgenden miteinander verglichen werden, so geschieht dies deshalb, weil sich in den Werken Jüngers und Thoreaus die einschlägige Rede von der Freiheit des Waldes mit einer dezidiert individualanarchistischen Programmatik verbindet, die dieser Raumsymbolik eine neue Bedeutungsdimension verleiht, die bisher in der einschlägigen topologischen Forschung unterbelichtet geblieben ist.
Dass Max Aubs Biographie über den Maler Jusep Torres Campalans einer fiktiven Person gilt, dass nicht nur die hier gebotenen Informationen zum Leben und Wirken dieser Figur fingiert sind, sondern auch das im Zusammenhang damit präsentierte 'OEuvre' des Künstlers von Max Aub selbst stammt, sieht man dem Buch Aubs zunächst einmal nicht an; auf den zweiten Blick mögen sich Auffälligkeiten ergeben (wie etwa nicht zueinander stimmende Detailangaben), aber dergleichen kann ja auch Nachlässigkeiten bei der Recherche, beim Lektorieren oder bei der Drucklegung geschuldet sein. Der Roman wird in Form und Ausstattung nach dem Vorbild einer Künstlerbiographie gestaltet. Dazu gehören neben den biografisch-narrativen Teilen des Buchs diverse Abschnitte, die den Duktus faktografischer Darstellungen imitieren; so ein chronikalischer Teil, der JTCs Leben und Wirken in Form einer annalistischen Tabelle in das zeitgenössische historische und kunsthistorische Umfeld einordnet, ferner auch ein umfangreicher Anmerkungsteil, der die Ausführungen weiter historisch und forschungsgeschichtlich kontextualisiert. Und dazu gehören insbesondere auch Reproduktionen und Beschreibungen angeblicher Werke des fiktiven Protagonisten, welche die Suggestion der Existenz dieses Malers schon insofern verstärken, als hier Beschreibung und Beschriebenes, Bildteil und Katalog gemeinsam präsentiert werden. Bilder, die man sieht, so die immanente Logik der Suggestion, sind evidenterweise ‚wirkliche‘ Bilder. Und wenn man, hiervon ausgehend, akzeptiert, dass die Kommentare zu diesen Bildern 'faktografisch' sind, dann ist es nur ein weiterer Schritt zur Akzeptanz auch der übrigen Mitteilungen als 'faktografisch': ein Analogieschluss zwar, aber ein naheliegender.
Im Folgenden soll die besondere Bedeutung von Musik und Geräuschen für den Roman 'Sound' aufgezeigt werden. Es gilt dabei nachzuweisen, auf welchen Ebenen und durch welche Elemente Klang Eingang in den Text findet, aber auch zu zeigen, wie die typographische Gestaltung des Romans zu einer besonderen Rezeptionsweise führt, die beim Leser auditive Prozesse einleitet. In diesem Zusammenhang soll analysiert werden, inwiefern die vom Protagonisten thematisierte Musik, also die Rezeption von Musik im Text, die Rezeption des Textes beeinflusst.
The article analyses three texts which address the same subject (the definition of the word Wort) and aims to demonstrate that it is not only the topic that plays a crucial role in creating the macrostructure and microstructure of a text, but also the communicative situation. The article explores what differences there are in the selection of linguistic means when the same content is being expressed in texts intended for communication at various levels of specialization, and which communication strategies the authors of the texts choose in connection with the text's genre, their intentions and (above all) the communicative situation.
Der Sammelband gehört zu den abschließenden Ergebnissen des Projektes VEGA 1/1161/12 "Zabudnuté texty, zabudnutá literatúra. Nemecké autorky z územia dnešného Slovenska (18.–21. stor.)", [Vergessene Texte, vergessene Literatur. Deutschschreibende Autorinnen aus dem Gebiet der heutigen Slowakei (18.–21. Jhd.)], mit dem man sich am Lehrstuhl für Germanistik der Philosophischen Fakultät der Pavol-Jozef-Šafárik-Universität in Košice im Zeitraum 2012–2014 beschäftigte. Im Einklang mit dem Thema des Projektes erfasst der Sammelband Autorinnen, die vielleicht nicht so bekannt sind, die sich aber auch wesentlich an der Formierung der Kultur im Gebiet der heutigen Slowakei beteiligten. Die thematische Achse des Sammelbandes wird durch folgende Teilthemen gebildet: Emanzipation der Frau, Frau als Schriftstellerin, Werke der Schriftstellerinnen, soziale Hintergründe, interkulturelle Umgebung und deren Einflüsse.
Von häuslicher Gewalt in der deutschsprachigen Literatur zu sprechen, grenzt an sich an eine Übertreibung angesichts der wenigen Beispiele, die der Kanon enthält. Das gilt umso mehr, wenn man vor 1945 sucht, das heißt zu einer Zeit, in der sich jener Bruch mit dem Vaterland noch nicht vollzogen hatte, der auch literarische Brüche mit Vätern, Müttern und auch Kindern nach sich ziehen sollte (ich denke hier an Peter Weiss' 'Abschied von den Eltern' [1961], Ingeborg Bachmanns 'Malina' [1971] oder auch an Elfriede Jelineks 'Die Klavierspielerin' [1983]). Die längste Zeit wurden körperliche Auseinandersetzungen in der Familie nicht wirklich als Gewalt registriert. Wir müssen aber auf den Realismus warten, dass eine breitere literarische Strömung - und nicht nur vereinzelt ein Autor wie Kleist - die noch relativ neue Institution der Literatur für prosaische Alltagsgeschehnisse öffnet und sich damit auch dem Gemeinplatz der Familie kritisch und als ästhetische Herausforderung annähert. Fredric Jameson gab jüngst zu bedenken, dass erst dann ein neuer Zugang zum Realismus möglich sei, wenn man gleichzeitig die Genealogie des Erzählens und ihre drohende Auflösung in literarischen Repräsentationen von Affekten im Auge behalte. Und wirklich präsentieren realistische Texte ganze Archive, um die Komplexität und Rhetorizität von Affekten im Allgemeinen und von Aggressionen im Speziellen zu studieren. Ein bekannter Text des deutschsprachigen Realismus, der das Phänomen der häuslichen Gewalt in dieser Weise reflektiert, ist Adalbert Stifters Erzählung 'Granit' aus der Geschichtensammlung 'Bunte Steine' (1853); jenen, die an den Grenzen des Kanons lesen, wird Theodor Storms Novelle 'Ein Doppelgänger' (1887) in den Sinn kommen; wohl jeder denkt an Gerhart Hauptmanns naturalistische Studie 'Bahnwärter Thiel', die im darauffolgenden Jahr erschien. Und wenn wir noch Robert Walser als späten realistischen Autor ansehen, dann stellt 'Der Gehülfe' (1908) einen der denkwürdigsten Texte zum Thema häuslicher Gewalt dar.
Diese begrenzte, wenn auch in keiner Weise vollständige Beispielreihe zeigt, dass Gewalt in der Familie längste Zeit ein Un-Thema war - was natürlich nicht bedeutet, dass es sie nicht gab oder gibt. Vielmehr kann die Seltenheit ihres literarischen Vorkommens entweder als Zeichen dafür gedeutet werden, dass häusliche Gewalt ein so alltägliches Phänomen darstellte, dass es nicht weiter erwähnenswert war oder aber, dass häusliche Gewalt ein solches Tabu war, dass sie nicht thematisiert werden konnte.
Wenn es Ziel des literarischen Realismus ist, die Wirklichkeit darzustellen, dann stellt Theodor Storms Novelle 'Der Schimmelreiter' (1888) ein paradigmatisches Beispiel für diese Bewegung dar. Der Text ist nicht nur darin exemplarisch, dass er ein überlegenes Niveau an sozialer und psychologischer Wirklichkeitsnähe erreicht, sondern auch dadurch, dass er die eigentlichen Vorgänge und Begrenzungen, die jeder Darstellungsgeste eigen sind, dramatisch inszeniert. Storms Novelle legt die Sehnsüchte bloß, die Frustrationen und Opfer, die jeden Versuch, vorsprachliche Erfahrungen in sprachliche Form zu verwandeln, zwangsläufig begleiten. Anhand der unvergesslichen Schilderung seines Protagonisten, Hauke Haiens, der nahezu eigenhändig den Dorfbewohnern mehr bewohnbares Land verschafft, macht Storm die überzeitliche, mythische Konfrontation des Menschen mit dem unbändigen Meer zur Allegorie für das realistische Projekt. Vermittels eines allegorischen Schemas wird Hauke Haiens hydrotechnische Arbeit mit Storms literarischen Bemühungen parallelisiert. Diese miteinander verbundenen Aufgaben sind beide geographisch, insofern sie Einschreibungen in die Erde durch technē sind und das im doppelten Sinne des Wortes: als Technik und Kunst. Genauso wie der Deichgraf dem Meer mehr ertragreiches Land für seine Nachbarn entreißt, integriert der Schriftsteller mehr Wirklichkeit für seine Leser; genauso wie das neue Land durch den sorgfältigen Deichbau gesichert wird, ist die Erzählung durch eine Reihe vielschichtiger Rahmen geschützt; und genauso wie die erworbene Siedlung von Überschwemmungen bedroht bleibt, schließt die Geschichte, um beständig zu sein, ein widerspenstiges Element in sich ein, welches das ganze Unternehmen motiviert wie aber auch gefährdet. Dieser letzte Punkt wirkt sich vernichtend auf das realistische Darstellungsprojekt aus, das ja einen Sinngehalt artikulieren will, also eine Artikulation anvisiert, die sich direkt auf das Bild der Küste bezieht, genauer auf die Linie, welche Land und Meer voneinander trennt.
Thomas Manns Erzählung Der Erwählte steckt voller Bezüge zu anderen Texten. Spätestens an seinem Ende, noch nach dem "Valete", wird an dem, was in der Terminologie Genettes "Paratext" genannt wird, explizit ersichtlich, dass Der Erwählte eine Vorlage hat; dort steht: "Diese Erzählung gründet sich in den Hauptzügen auf das Versepos 'Gregorjus' des mittelhochdeutschen Dichters Hartmann von Aue, der seine 'Geschichte vom guten Sünder' aus dem Französischen ('Vie de Saint-Grégoire') übernahm.' Der Text ist die Übernahme einer Übernahme, bzw., wieder mit Genette, ein Hypertext auf einen Hypotext, der seinerseits ein Hypertext auf einen Hypotext ist usw., so dass man es hier an jeder Stelle mit Intertextualität zu tun hat. Dieser Tatbestand kann der gebildete Leser/die gebildete Leserin allerdings auch zuvor bemerken, wenn er/sie über Zitate, Plagiate und Anspielungen weiterer Texte stolpert. Das wurde natürlich längst auch schon bemerkt: Daraus besteht die Thomas-Mann-Quellenforschung. War aber beispielsweise Walter Berendsohn 1945 noch eher nett überrascht, bei einem Textvergleich zwischen Thomas Manns Tristan und Richard Wagners Tristan und Isolde zu dem Ergebnis zu kommen, "daß sich der Dichter einen recht ansehnlichen Teil seines Wortmaterials von dort geholt hat", sogar "ganze Sätze", so ist das zwanzig Jahre später im Thomas-Mann-Archiv etwas anders, wie Hans Wysling berichtet:
Als Thomas Manns Arbeitsweise bekannt wurde, war man zuerst ratlos. Es herrschte damals, um es drastisch zu sagen, eine dicke Luft im Archiv. [...] Waren Thomas Manns Werke denn alle ausgestopfte Vögel? War er ein 'arch-deceiver'? [...] Wir suchten nach einem angemessenen Montage-Begriff, wir suchten nach den verschiedenen Bedeutungen, die das Wort 'Quelle' für Thomas Mann hat
"Im Land des Siegers hat man aufgebaut / Den Grabstein ihm, uns aber geht er um", so lauten die ersten beiden Verse eines Gedichts, das der Lyriker und Dramatiker Hans Schwarz 1924 unter dem Titel "Der unbekannte Soldat" veröffentlichte. Schwarz zufolge haben die Siegermächte ihre im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten anhand des - 1921 zeitgleich in London und Paris eingeweihten - Grabmals des 'Unbekannten Soldaten' demnach augenscheinlich zur Ruhe bringen können, während die toten deutschen Soldaten mangels eines vergleichbaren Symbols zu einer Art Gespenst mutieren mussten: "Und alle Nächte bricht die Wunde auf". Nimmt man Schwarz beim Wort, so ließe sich die Obsession, die der Erste Weltkrieg im gesellschaftspolitischen Diskurs der Weimarer Republik darstellte, in erster Linie darauf zurückführen, dass die gefallenen Deutschen real wie imaginär unbeerdigt geblieben waren. Die anhaltende Präsenz des Krieges wäre unter diesem Gesichtspunkt eher ein rituelles als ein im engeren Sinne politisches Problem.
In der Tat konnte sich der 'Unbekannte Soldat' in Frankreich wie in England nach anfänglich durchaus erhitzten Diskussionen bald als zentrales Monument des Totengedenkens durchsetzen, während man sich in Deutschland die 1920er und frühen 1930er Jahre hindurch sowohl über den Zuschnitt als auch über den potenziellen Standort eines vergleichbaren Grab- oder Denkmals notorisch uneinig blieb. Es waren zunächst unbestreitbar sowohl genuin föderalistische Interessenskonflikte als auch ideologische Grabenkämpfe, die der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz eines zentralen Gedenk- und Erinnerungsortes in Deutschland abträglich sein mussten, so dass man für die gesamte Zeit der Weimarer Republik von einem veritablen "Stellungskrieg der Denkmäler" sprechen kann.
Der romantische Liedzyklus ist keiner, denn sein Held kehrt nicht zurück. Ausfahrt, Abenteuer und Wiederkunft, das ist das Modell, das das zyklische Denken der musikalischen Klassik strukturiert. Da geht es als Exposition, Durchführung und Coda in die Logik der Komposition ein. Wenn der romantische Held sich hingegen in die Welt begibt, neugierig, sehnsüchtig oder ausgetrieben aus dem nicht länger Erträglichen, so riegelt er das Heimische ab und treibt von nun an im Anderswo. Adornos Charakterisierung der romantischen Musik als Triumph der Variation über das Thema transponiert dieses Narrativ ins Strukturelle der Form, der nun im Sonatenhauptsatz das finale Glied amputiert wird. Noch bevor die Expressionisten sich des O-Mensch-Pathos von Nietzsches vielleicht bekanntestem Gedicht bemächtigten, hatte es schon ein Komponist für sich entdeckt. Im langsamen 4. Satz von Mahlers 3. Symphonie sträubt sich der misterioso vorzutragende Text gegen den vom Kinderchor gesungenen des darauffolgenden Satzes und produziert einen der Mahler'schen Brüche, die für den Hörer entweder eine neurotische Entgleisung oder eine lustvolle Reibungsfläche darstellen. Die Lektion der Mitternacht, die Dunkel über Tageslicht stellt und damit zum Ewigkeitsbezug führt, scheint nicht allzu weit entfernt von den Hymnen des Novalis, und in der Reihung Dunkel-Lust-Ewigkeit sind auch Tristan und Isolde nicht allzu fern.
Pascal Dusapin, geboren 1955, hat in Paris bei Xenakis studiert und ist anfänglich fasziniert von dessen, letztlich wohl von Edgar Varèse ausgehenden, Operationen mit Klangmassen, die er aber spätestens in den 1990er Jahren für deutlich filigranere Strukturen, die oftmals von Mikrotonalität geprägt sind, aufgibt. In seinen Kompositionen, die auf Textvorlagen zurückgreifen, lässt Dusapin sich wiederholt von der deutschen literarischen Tradition inspirieren. Eines seiner drei jeweils als Requiem bezeichneten Chorwerke aus den Jahren 1992-97 vertont acht mittelhochdeutsche Gedichte von Meister Eckhardt, wobei die sparsame Expansivität des Klangmaterials der intensiven Gottsuche des Mystikers nicht völlig gerecht zu werden scheint.
Ein Rückblick auf die literarischen Hinterlassenschaften von Alfred Andersch könnte helfen, das Politische der Literatur als das Andere der Politik zu begreifen. In unserer Zeit der vermischten Verhältnisse in Kultur, Wissenschaft und Politik haben adversative Konstruktionen wie die einer U- und E-Literatur, ebenso die deklamatorische Gegenüberstellung von autonomer und engagierter Literatur keine Orientierungskraft mehr. Mit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und erst recht nach der Wendezeit der neunziger Jahre beginnt eine Zeit der Revision und Reflexion der Institution Literatur. Zu beobachten ist eine Reorganisation der literarischen Tätigkeit im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit, eine literarische Produktivität, die sich zu behaupten weiß: mit dem, was sie zu sagen hat, auch und gerade dann, wenn sie den Anspruch hat, politisch zu sprechen. Diese Revision in eigener Sache, findet sich in Anderschs Texten vorgezeichnet, persönlich und gesellschaftlich bedingt und eingeschränkt, aber doch vielsagend in dem bei diesem Autor stets aktuellen Bemühen eines "Umschreiben[s] (re-writing) der kleinen Kultur-Nachrichten" aus dem Unmaß an Informationen, punktuell und strukturell komponiert, "verwertet und verwortet" (Arno Schmidt). So könnte das Politische als ein mit der Literatur mögliches Denken und Schreiben erschlossen werden: öffentlich und gemeinschaftlich zu wirken und zugleich in eigener Sache.
In einem Brief an Florens Christian Rang vom 9. Dezember 1923 schreibt Benjamin: "Mich beschäftigt […] der Gedanke, wie Kunstwerke sich zum geschichtlichen Leben verhalten. Dabei gilt mir als ausgemacht, daß es Kunstgeschichte nicht gibt". Dieser schroffen Feststellung folgen zwei Seiten, in denen Benjamin es sich zum Ziel setzt zu erläutern, was er mit diesem Satz meint, wobei er Fragen stellt und Hypothesen liefert. Benjamin hat hier also keinen dogmatischen Text verfasst, sondern es handelt sich um einen problembezogenen Brief, mit dem er sich an den Freund wendet, in der Hoffnung, dass er sich über dieses schwierige Thema äußern wird. Nach der Feststellung, dass er "ohnehin unter einer gewissen Einsamkeit [leidet,] in die Lebensverhältnisse und Gegenstand [seiner] Arbeit [ihn] gedrängt haben", schließt er nämlich: "Sollten Dir diese Überlegungen trotz ihrer Dürftigkeit die Möglichkeit einer Äußerung gewähren, so würde ich mich sehr freuen".
Eine Antwort Rangs ist nicht erhalten. Benjamins Text gibt uns (mit anderen seiner Schriften, in denen die Kunstgeschichte eine wesentliche Rolle spielt) allerdings einige Indizien, um zu verstehen, was ihn bewegte. Wenn Benjamin sagt, dass "es Kunstgeschichte nicht gibt", spricht er nicht vom Nichtbestehen dieses Fachs, sondern er artikuliert seine Unzufriedenheit bezüglich der Art und Weise, in der die Kunstgeschichte bis dato gewirkt hat, und stellt in diesem Sinne eine Forderung: die Forderung, dass die Kunstgeschichte in einer neuen Form beginnen, oder besser gesagt, wieder beginnen möge. Es geht um eine Wiedergeburt der Kunstgeschichte und ihrer Methoden. Wenn wir den Text weiterlesen, verstehen wir, dass nach Benjamin die traditionelle Kunstgeschichte keine nützliche Antwort auf die Frage liefert "wie Kunstwerke sich zum geschichtlichen Leben verhalten", weil sie mit der Histoire und nicht mit der Geschichte zu tun hat.
Eine der konstanten Fragen in Benjamins Werk ist die nach der Wirkung der geschichtlichen Bedingungen auf schriftliche und bildliche Texte.
Friede den Hütten! Krieg den Palästen!
Im Jahre 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am fünften Tage und die Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: 'Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht', und hätte die Bauern und Bürger zumGewürm gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag: sie wohnen inschönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und redeneine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. DerBauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und läßt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen.
Mit dieser rhetorischen Fanfare beginnt der Hessische Landbote, jene politische Flugschrift, die Georg Büchner 1834, noch vor seinen eigentlich literarischen Werken, veröffentlichte. Es ist der Text in Büchners Werk, in dem die biblischen Bezüge am deutlichsten sind, wie in der zitierten Passage nicht nur die explizite Erwähnung der Bibel im ersten Satz und die deutliche Anspielung auf Jesaja 1.7 "Fremde verzehren eure Acker vor euren Augen" zeigt. Auch der gesamte Tonfall, jene Mischung von Vehemenz und Anschaulichkeit, die den Landboten insgesamt auszeichnet, ist biblisch geprägt. Allerdings wissen wir nicht einmal sicher, ob dieser zitierte Anfang von Büchner stammt, denn der Landbote hat zwei Autoren: Georg Büchner und Friedrich Ludwig Weidig, der einen nicht überlieferten Entwurf von Büchner überarbeitet und ergänzt hat, so dass am Ende kaum zu sagen ist, wer hier was geschrieben hat.
Siebenmeilenstiefel gab es einmal in zwei Welten: zum einen im Märchen, wo sie Wunderdinge sind, die übernatürliche Fähigkeiten verleihen; zum anderen wurden die Reitstiefel der Postreiter so genannt, "die nur alle sieben Meilen den Boden berührten, wenn Postreiter oder Gespanne an Stationen die Pferde wechselten". Als literarisches Motiv haben die Siebenmeilenstiefel eine lange Geschichte, die mindestens bis in den griechischen Mythos zurückreicht, wo Perseus von den Nymphen Flügelsandalen erhält - zum Dank dafür, dass er die übelriechenden Graien ins Meer wirft. In der Science-Fiction des 20. Jahrhunderts kehrt das Motiv auf - zeitgemäß - abstrakterer Ebene wieder, in der Figur der Teleportation, also des Reisens durch den Raum ohne zeitliche Verzögerung - und ohne ein bestimmtes Schuhwerk.
Der vorliegende Beitrag versteht sich als Versuch, die interkulturelle Dimension der modernen Metropole von ihrer Kehrseite her zu analysieren. Stellt die 'global city' tatsächlich in allen ihren Bereichen jenen offenen Raum interkultureller Kombinatorik dar, als den sie sich auf ihrer Schauseite der Produktion und Konsumption präsentiert? Oder perpetuiert sie Mechanismen der Ausgrenzung und der Segregation, die unterschwellig wirksam bleiben? Die Analyse erfolgt unter zwei Prämissen. Sie setzt zum einen voraus, dass der Umgang mit dem Müll als kulturelle, d.h. symbolische Praxis begriffen wird. Sie bestimmt Müll nicht als etwas Überflüssiges, sondern als Zeichenmüll, der gelesen werden kann, und schließt somit an kultur- und sozialanthropologische Ansätze zur Erforschung des Abfalls an. Zum anderen werden nicht die symbolischen Praktiken der Müllbehandlung selbst, sondern ihre literarischen Repräsentationen untersucht. Dies geschieht unter der Annahme, dass die Literatur der Moderne ein besonderes Sensorium für die symbolische Ordnung entwickelt hat, die sich im Müll abzeichnet.
Die Analogien zwischen der Barthes'schen Theorie und den Konzepten der deutschen Romantik sind von der Forschung durchaus registriert worden, Beobachtungen in diese Richtung haben aber bislang kaum über die Nominierung des Desiderats hinausgeführt. Das ist sicher überraschend, da in den letzten Jahrzehnten bekanntermaßen eine Vielzahl aktualisierender Romantik-Lektüren vor der Folie postmoderner Ästhetik und Erkenntnistheorie veröffentlicht wurden. Zur Behebung dieses Defizits beizutragen, ist dementsprechend das Anliegen dieses Beitrags. Im Folgenden sind Ansätze zur systematischen Aufarbeitung der vielfachen Bezüge zu konzipieren, die sich zwischen dem Text der Deutschen Romantik und den Arbeiten Barthes' aufzeigen lassen. In methodologischer Hinsicht bewegt sich ein solcher Vergleich allerdings auf nicht eben einfachem Terrain. Das resultiert zunächst aus dem beträchtlichen Volumen der theoretischen Erträge Roland Barthes' sowie der romantischen Autoren, infolgedessen eine strenge Reduktion der Textbasis notwendig wird. Hinzu kommt, dass diese Erträge jeweils in rigoros fragmentierten und hermetischen Schreibweisen codiert sind, die das Paradox und die begriffliche Unklarheit bewusst suchen. Das multipliziert die Zahl der Blickwinkel und wirft die Frage nach der Wahl der interpretativen Zugänge auf. Um diesem Dilemma zu entgehen, rekurriert das Folgende bewusst auf eine einzelne Darstellung romantischer Theorie, die sich durch ihre besondere Prägnanz und ein überdurchschnittliches analytisches Niveau auszeichnet: Walter Benjamins Dissertation zum Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik.
Am 10. Mai 2014 starb, im hohen Alter von 99 Jahren, Elisabeth Frenzel, geborene Lüttig-Niese, in ihrem letzten Wohnort in Berlin. Zu ihrer Beerdigung erschienen, wie ein lesenswerter Nachruf von David Ensikat im Berliner 'Tagesspiegel' berichtet, 15 Menschen. Die Pastorin stellte die Trauerfeier unter das Thema des schwierigen Erbes, der Schuld und den Möglichkeiten der Vergebung. Das war vielleicht nicht im Sinne der Verstorbenen, aber im Sinne der Lebensgeschichte der Verstorbenen sicherlich ein sehr guter Ansatz, um sich von Elisabeth Frenzel zu verabschieden.
Man liest Übersetzungen im Allgemeinen als transparente Stellvertreter eines fremdsprachlichen Ausgangstextes, ohne sich des Prozesses des Übersetzens, bzw. der Übersetztheit des Textes bewusst zu sein. Was aber geschieht beim Übersetzen? Übersetzen ist immer Interpretation, so die brasilianische Translationswissenschaftlerin Rosemary Arrojo. Anhand zweier Erzählungen, "Liebe" und "Die Dame und das Ungeheuer oder die allzu große Wunde", der Autorin Clarice Lispector, ins Deutsche übersetzt von Curt Meyer-Clason und Sarita Brandt, wird nach Übersetzungsstrategien und den sich daraus ergebenden Interpretationen, nach Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Übersetzer und der Übersetzung gefragt, die aus den Zieltexten erkennbar sind, stellt man sie den Ausgangstexten gegenüber.
Walter Benjamin gilt allgemein als "schwieriger" Autor, da er nicht mit vorab geklärten, universell gültigen Begriffen arbeitet, sondern vorhandenen Begriffen wie dem individuellen "Erlebnis" in der Moderne oder der kollektiven "Erfahrung" in der Prämoderne eine besondere Bedeutung verleiht. Dies ist jedoch nur dadurch möglich, dass er diese "Individualbegriffe" in bestimmte Zusammenhänge einbettet. Die Wiederholung solcher Begriffe an der Textoberfläche bewirkt, dass einander als fremd vorgestellte Zusammenhänge in eine unerwartete Beziehung gebracht werden und, ähnlich wie in seiner Geschichtstheorie, zu einem "dialektischen Bild" zusammenfinden.
Die zwei folgenden Vortragsskripte sowie die Transkripte von Kommentar und Diskussion entstammen einem Workshop, auf dem die "Verfahren" der Epigenetik im Fokus der Diskussion standen. Darin wurden die Technologien der Epigenetik innerhalb der Forschung und an ihren Schnittstellen mit anderen Disziplinen und der Öffentlichkeit beobachtet. Leitend war die Frage, wie das Wissen um epigenetische Prozesse in Forschungslabor und Öffentlichkeit zwischen 'techne' und 'logos' greifbar wird, wie es dargestellt, modelliert, angewendet wird. Das schließt ausdrücklich sowohl die geschichtliche Herkunft dieser Verfahren ein, als auch die Art und Weise, wie Epigenetik als Wissenschaft und wie ihre Befunde kulturell verankert und zur Darstellung gebracht werden. Die hier aus diesem Diskussionszusammenhang ausgekoppelten Beiträge werfen einen Blick auf die Konstruktionen von Übertragungsphänomenen in Forschung und Öffentlichkeit. Der Beitrag von Jörg Thomas Richter unternimmt eine kurze Medienschau, die skizziert, welche Relevanz den Befunden dieser Forschung in der breiteren Publizistik beigemessen wird. Vanessa Lux eruiert die konzeptionellen Interferenzen, auf die die Forschung trifft, wenn sie transgenerationelle Übertragung als Vererbung modelliert. Ohad Parnes geht in seinem Kommentar sowohl auf historische als auch systematische Probleme des Vererbungsbegriffs ein, wie er aus der Genetik in die Epigenetik übertragen wird. Dem beigeordnet sind Auszüge aus der Abschlussdiskussion. Sie belegen ihrerseits das faszinierende Schillern, das die Epigenetik umgibt, aber sie suchen darüber hinaus die Spiegel und Splitter zu orten, von denen es möglicherweise ausgeht.
Die Interaktionen von DNA mit Umwelt, die Kopplungen zwischen biologischen Prozessen und mentaler Erfahrung, deren mögliche Vererbbarkeit sowie das Aufzeigen der potentiellen Reversibilität von "krankhaften" Entwicklungen innerhalb solcher Wechselspiele bilden Faszinationen, die jenseits der molekularbiologischen Labore das öffentliche Interesse entzündet haben. Diese Faszinationen sollen hier im Mittelpunkt stehen. Denn fast unvermeidlich verfallen die Forschungsbefunde einem Deutungsanspruch auf Humankultur, auf einen Bereich, der zunächst einmal jenseits der konkreten Forschung liegt und weit über diesen hinaus zeigt. Die folgende Mischung aus Glosse und Essay zur epigenetischen Weltbildproduktion – höher kann der Anspruch angesichts einer unabgeschlossenen, derzeit noch emergierenden Publizistik nicht sein – hat mehrere Teile. Die beiden ersten sind dem Auftritt der Epigenetik in der Öffentlichkeit gewidmet: Zuerst in einer impressionistischen Bestandsaufnahme der diesbezüglichen Publizistik, danach, um einen prominenten Bildbereich festzuhalten, wie er sich in der öffentlichen Diskussion der Epigenetik sedimentiert hat. Die darauf folgenden Teile widmen sich dem Emporkommen einer molekularen Vergemeinschaftungsrhetorik. Abschließend soll kurz die soteriologische Hoffnung erörtert werden, mit welcher der epigenetischen Forschung zumindest in ausgewählten theologischen Diskursen begegnet wird.
Für die stabile Weitergabe von phänotypischen Merkmalen an nachfolgende Generationen über die Keimbahn ist in der Biologie der Begriff der Vererbung reserviert. In diesem ist die Transgenerationalität immer schon mitgemeint, sie muss nicht gesondert angezeigt werden. Dies ist anders im Forschungsfeld der "Epigenetik". Hier werden seit einigen Jahren molekularbiologische Übertragungsprozesse mit dem Wort "transgenerationell" bezeichnet. Das Wort wird sowohl im Zusammenhang mit Übertragung ("transmission") als auch mit Vererbung ("inheritance") verwendet. "Transgenerational epigenetic inheritance" bezeichnet dabei die Weitergabe von epigenetischen Modifikationen von einer Organismen-Generation auf nachfolgende Generationen. Die Bezeichnung wird in Abgrenzung zur Weitergabe epigenetischer Modifikationen von einer Zelle an eine andere Zelle innerhalb somatischer Zellteilung (cell-cell inheritance) verwendet. Transgenerationelle epigenetische Vererbung meint also letztlich die über mehrere Generationen stabile Weitergabe epigenetischer Modifikationen in mehrzelligen Organismen. Dass der biologische Vererbungsbegriff im Zusammenklang mit "epigenetisch" den Zusatz "transgenerationell" benötigt, ist klärungsbedürftig. Hierin zeigt sich, so die These dieses Beitrags, dass der angenommene Übertragungsprozess instabil oder dessen Nachweis prekär ist. Im Folgenden werde ich zunächst drei historische Einschnitte skizzieren, die für diese Konnotation transgenerationeller Vererbung als "prekäre" Übertragung prägend waren: 1. die Verengung des biologischen Vererbungsbegriffs auf die Weitergabe über die Keimbahn und die Theorie der Konstanz des Keimplasmas von August Weismann; 2. die Unterscheidung zwischen Vererbung und kultureller oder psychosozialer Übertragung von Phänotypen in der frühen Entwicklungspsychologie; und 3. die familiale Übertragung psychischer Traumata von Holocaust-Überlebenden. Abschließend werde ich darstellen, wie in epigenetischer Forschung Transgenerationalität modelliert wird, und hieran die Prekarität der Übertragungsannahme diskutieren.
Wir alle wissen ungefähr, was Epigenetik heute ist. Wir haben das Gefühl, dass wir über die gleiche Sache reden und dies auch aus ähnlichen Gründen tun. Die Frage, was epigenetische Vererbung ist, zielt also nicht so sehr darauf, was diese Klasse von Phänomenen, über die wir reden (epigenetische Vererbung, transgenerationelle epigenetische Effekte etc.) ist, sondern darauf, warum wir über sie reden. Die Antwort lautet wahrscheinlich: Weil es in den letzten zehn, zwanzig Jahren zu einem Umbruch gekommen ist, der mit Stichworten wie "New Genetics", "postgenomische Ära" usw. beschrieben wird. Irgendetwas Dramatisches ist passiert, und im Zentrum des zu beobachtenden Umbruchs steht die epigenetische Vererbung - was auch immer das eigentlich ist. Diese mehr oder weniger intuitive Antwort möchte ich infrage stellen: Gibt es überhaupt so etwas wie "epigenetische" Vererbung?
Bu makalede Qurbani'nin "Shahada" (2010) adlı filmi üzerinden Almanya'daki Müslüman öznelerin konumu mercek altına alınmaktadır. Bunun için medyasal kurguların (özünde tüm medya kurgularının) söz konusu kişilerin algılanmasındaki rolü tartışılmaktadır. Makalede Polonyalı Alman dili ve edebiyatı öğrencilerinin adı geçen filmdeki ve Alman medyalarındaki Müslüman imgesine ilişkin görüşlerine yer verilmektedir.
Ausgehend von einer Definition von Themenparks als Heterotopien entwickelt der Beitrag ein vierstufiges Modell geschichtstransformatorischer Strategien, die in Themenparks einen affektiven Zugang zu einer ideologisierten, kommodifizierten und präsentifizierten Vergangenheit ermöglichen. Diese grundlegende Neukonzeption von Vergangenheit, die sich allenfalls punktuell an Maßstäben von Authentizität orientiert, gleichwohl jedoch als ungemein wirkmächtig erachtet werden muss, verortet der Beitrag in einer breiteren ästhetischen und kulturellen Entwicklung der Postmoderne, die als 'affective turn' bezeichnet worden ist. Das Modell der geschichtstransformatorischen Strategien wird in der Folge anhand von zwei Fallbeispielen - Main Street, U.S.A. in Disneyland und Grecia in Terra Mítica - illustriert, wobei besonders auf den historischen und kulturellen Kontext der Parks eingegangen wird, der bei Geschichtstransformationen in Themenparks eine kaum zu überschätzende Rolle spielt.
Der Essay thematisiert eine in der Frühen Neuzeit noch weit verbreitete Praxis des Schreibens: das Abschreiben von Texten. Bei näherer Betrachtung dieser Schreibpraxis im Kontext von Geschichtsschreibung zeigen sich unterschiedliche Motivationen und Funktionen des Abschreibens von Texten. Nach der ersten Fixierung einer Geschichte treten eine Reihe weiterer Schreibertypen in Erscheinung, die die Geschichte durch unterschiedlich starke Eingriffe in den Text, durch Kommentare oder auch durch Fortsetzungen transformieren. Die Praxis des Abschreibens selbst wie auch dessen unterschiedliche Funktionen in einer Epoche auch noch nach Erfindung des Buchdrucks stellen nicht nur eine klare Unterscheidung zwischen legitimer Nachahmung und illegitimem Plagiat in Frage, sondern relativieren auch die heute verbreitete Bewertung von Texten mit Begriffen wie Originalität und Kreativität.
Nachruf auf Eberhard Lämmert
(2015)
Den Erzähler Thomas Mann nannte der Germanist Eberhard Lämmert 'buchtenreich'. Auch sein eigenes OEuvre verdient indes diese Qualifikation: Es ist - natürlich - eines aus zahllosen literaturwissenschaftlichen Büchern, Aufsätzen, Vorworten, Nachbemerkungen, aus offiziellen Reden, öffentlichen Statements, Aufrufen, Gutachten und und und, die Themen sind vielfältig, die Beziehungen zwischen ihnen komplex.
Symbolische Herrschaft
(2015)
Joseph Jurt: Die symbolische Macht der Literatur in Frankreich : ein Sonderfall?. - Joseph Jurt: Die symbolische Macht der Intellektuellen (in Frankreich). - Michael Parzer: Das Ende der ästhetischen Intoleranz? : Musikgeschmack und symbolische Gewalt in der Gegenwartsgesellschaft. - Carsten Heinze: Pierre Bourdieu und der / im Film : Vorüberlegungen zu den Konzepten der »Symbolischen Herrschaft«, der Feld-, Habitus- und Symboltheorie als Deutungsperspektive für die Filmsoziologie und zu Legitimationskämpfen im filmwissenschaftlichen Feld. - Hilmar Schäfer: Symbolische Herrschaft und soziale Iterabilität : Die sprachliche Reproduktion sozialer Differenzen bei Pierre Bourdieu und Judith Butler