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Wie kaum eine andere Machtform ist die autoritative Macht an Personen gebunden: an das Charisma der Autoritäten. Doch kann die "maßgebende Macht" auch ihre "transzendente Legitimation" einbüßen, nicht allein durch den Umsturz einer geltenden Ordnung, sondern vor allem durch den Tod ihrer Vermittler, der Heroen jeweiliger Kulturen. Die Stabilisierung autoritativer Macht bedarf darum hoher Symbolisierungsleistungen, beispielsweise durch Rituale der Kontinuität, die sowohl zwischen Funktion und Person differenzieren, als auch die Übertragung von Autorität ermöglichen sollen. [...] Daher mussten Unterbrechungen der autoritativen Macht - eine Zeitspanne des gefürchteten Interregnums - symbolisch überbrückt werden, etwa durch komplexe Bestattungsrituale. Im Rahmen solcher Bestattungsrituale wurden Wachsmasken und Puppen des toten Herrschers verwendet, wie sie bereits in der römischen Antike eingesetzt wurden. Totenmasken bezeugen das Überleben der Macht. [...] Ein Museum der Totenmasken kann im Dienst der Erinnerung stehen, des Kults der "grands hommes". Im Horizont dieses Kults wurde der Glaube an die persönliche Unsterblichkeit durch die Hoffnung auf Prominenz und ein dauerhaftes Nachleben im Gedächtnis künftiger Generationen ersetzt. Napoleon, Goethe oder Beethoven fungierten als die säkularen Gottheiten jener parareligiösen Strömung, die der Wissenschaftshistoriker Edgar Zilsel in einer 1918 publizierten, hellsichtigen Analyse als "Geniereligion" charakterisierte. Zu den Dogmen dieser Religion zählte die Vorstellung von einer höheren Unsterblichkeit der Genies, die sich gerade daraus ergeben sollte, dass sie zu Lebzeiten "verkannt" werden. [...] Die prominenteste Totenmaske des frühen 20. Jahrhunderts wurde indes keinem Herrscher, Revolutionär oder Genie abgenommen, sondern einer Unbekannten. Schon zur Jahrhundertwende verbreitete sich die Legende von einer unbekannten Selbstmörderin, die aus der Seine geborgen wurde; ihr friedlich und geheimnisvoll lächelndes Gesicht habe einen Mitarbeiter der Pariser Morgue so gerührt, dass er der Toten eine Gipsmaske abnahm.
Seit Jahrzehnten steht eine Gestalt an oberster Stelle des Kanons historisch bedeutsamer Figuren in der Ukraine: der Dichter und Maler Taras Ševčenko (1814−1861). Im Land besteht Einigkeit über seine identitätsstiftende Funktion für die imaginierte Gemeinschaft Ukraine. Er wird über die Regionen hinweg als verbindende Gestalt wahrgenommen - besonders in Zeiten, in denen ein mögliches "Auseinanderbrechen" des Landes intensiv diskutiert beziehungsweise befürchtet wird. Ein Grund dafür ist, dass Ševčenko für die historisch unterschiedlich geprägten Regionen einen gleichermaßen festen Bezugspunkt darstellt: Er lebte im Russischen Reich und stammte aus einem Gebiet, das heute zur Zentralukraine gehört; gleichzeitig konnte und kann man sich in der Westukraine mit der Idee von Ševčenko als einem der wichtigsten Träger ukrainischer Identität identifizieren. In Ševčenko laufen zentrale gesellschaftliche und erinnerungskulturelle Diskussionen und Projektionen über Vergangenheit, den gegenwärtigen Zustand und mögliche zukünftige Entwicklungen des Landes zusammen, und die spannungsreichen Veränderungen und erinnerungskulturellen Widersprüche in der Geschichte der Ukraine drücken sich ganz besonders in der Auseinandersetzung mit Ševčenko aus. Ševčenko ist also auch nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 der Kulturheros schlechthin. Diese Umwertung der Ševčenko-Gestalt wird heute vor allem bei renommierten Wissenschaftlern und Ševčenko-Forschern, aber auch in Reden von Politikern deutlich. Demgegenüber bestehen in der Gegenwartskultur jedoch zahlreiche andere Entwürfe, die die Gleichsetzung Ševčenkos mit der Nation in Frage stellen. Dabei führen die Um- und Neudeutungen zu einer Pluralisierung des Ševčenko-Bildes; und auch wenn Gegenentwürfe als Bedrohung empfunden werden - gerade durch sie wird Ševčenkos Bedeutung aktualisiert und seine Gestalt auch für jüngere Generationen zugänglich und interessant gemacht. Der Kulturheros Ševčenko, der in der Sowjetzeit etabliert und in Folge hoch verehrt wurde, ist weiterhin äußerst populär und ein beliebtes Objekt kultureller, wissenschaftlicher und medialer Auseinandersetzungen in der Ukraine.
Dass Jurij Gagarin mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Weltraumflug noch eine politische Symbolkraft für die zivilgesellschaftliche Opposition entfalten kann, ist auf den ersten Blick höchst erstaunlich und zugleich symptomatisch. Erstaunlich, weil Gagarin Zeit seines Lebens ein Mann des sowjetischen Systems, des Militärs und der Macht war, der alle Privilegien der Nomenklatura genoss und alle Positionen der Herrschenden vertrat, also für jede Oppositionsbewegung eigentlich ein rotes Tuch sein müsste. Symptomatisch aber ist seine exzeptionelle Verehrung zugleich, da er zwar die offiziellen Parolen von Freundschaft und Frieden (Družba i mir) wie kein anderer verkörperte, diese aber in der öffentlichen Wahrnehmung seiner Person gerade nicht mit einer diesseitigen zivilgesellschaftlichen Reform des Alltagslebens verbunden waren. Denn egal welche politischen Positionen er auch vertrat, der Held aller Herzen blieb er aufgrund seines Weltraumflugs, der vor allem maximale ideologische und imaginäre Ferne von den Polen der Macht und der Politik verhieß: Seine leibhaftige Person versprach als "Kolumbus der Sternenozeane" (Kolumb zvezdnych okeanov) und "Himmelssohn" Ausbruch aus dem irdischen Elend und überirdische Erlösung. Schaut man sich diese ambivalente Konzeptualisierung von Gagarin als Gründungs- und Identifikationsfigur einer russischen Zivilgesellschaft jedoch näher an, stellt man fest, dass sie Produkt verschiedener, teils parallel, teils sukzessiv verlaufener Konstellationen und Genealogien ist. Hinter Gagarin als Kulturheros verbergen sich unterschiedliche religiöse, philosophische und kulturelle Konzepte und Muster, was gerade die Attraktivität und Langlebigkeit seines Mythos sicherte. Für die einen stand er noch fest auf dem Boden der sozialistisch-realistischen Heldenkonzeptionen, so wie sie für den Kulturheros der Stalinzeit entwickelt worden sind (Abschnitt 2), für andere war er vor allem der Himmelsbote, der ein höheres – extrapolierendes – Wissen aus den Weiten des Weltraums zur Erde brachte (3). Andere brachten ihm als identitätsstiftender Erinnerungsfigur wiederum eine nahezu kultische Verehrung entgegen (4), während sich sein imaginärer Körper in einer globalisierten Populärkultur zu einer an keine bestimmten kollektiven Zugehörigkeiten und Gesellschaftsprojekte gebundenen Ikone des Fortschritts entwickelte (5). Sein zum geflügelten Wort gewordener Ausruf "Poechali!" - "Los geht’s!", den er kurz vor seinem Weltraumflug äußerste, wurde als Aufbruchssignal in eine ungewisse Zukunft ganz unterschiedlich rezipiert.
Obwohl mit dem "Personenkult" um Josef Stalin (1878−1953) vor allem die Inszenierungen seiner Macht und sein Führungsstil bezeichnet werden, ging der Kult um seine Person über den Rahmen des Politischen hinaus: Stalin wurde mit der Zeit zunehmend zu einer kulturstiftenden Figur, ja gar zu einem kulturellen Symbol stilisiert, das eine ganze Epoche prägte. Wenn überhaupt von einem "Gesamtkunstwerk Stalin" (Boris Groys) die Rede sein kann, dann bezeichnet dieser Begriff gleichermaßen die Epoche Stalins wie ihren Hauptprotagonisten, dessen Selbstinszenierungen als ein Kulturphänomen, ein 'Kunstwerk' der Zeit betrachtet werden können. In diesem "Gesamtkunstwerk" erscheint er sowohl als ein demiurgischer Herrscher als auch als ein prometheischer Heros - als Befreier und Kulturstifter. Der "Führer", der die sowjetischen Völker zum Siege führt, ist zugleich der "Lehrer", der lehrt was richtig und was falsch ist. [...] Er ist eine Figur der Revolution, berufen, sein Land aus dem Chaos zu führen und eine neue Ordnung herzustellen. Diese neue Ordnung reicht über das Machtpolitische hinaus ins Kulturelle: Der revolutionäre Heros ist ein Kulturstifter, dessen Mission eine prometheische Tat, und zwar die Erschaffung eines neuen Menschen ist. Die Herrscher, die als Kulturheroen inszeniert werden, sind vor allem nationale Heroen und werden mit einer Nation identifiziert, die sie vertreten. Im Falle Stalins ist dieses Modell komplizierter, denn er steht an der Spitze des Vielvölkerstaates, der sich als eine "Völkerfamilie" darstellt. Daher muss er als Heros für alle Völker der UdSSR gleichermaßen gelten. Zugleich ist er aber ein Georgier und diese Tatsache beschert seinem Geburtsland eine symbolische Sonderstellung, sie verleiht Stalin als kulturheroischer Figur gewissermaßen zwei Gesichter: das allgemeinsowjetische und das national-georgische.
Zeitgenossen und Nachfolger Wagners griffen die von ihm selbst akzeptierte Inszenierungsstrategie als nationaler Kulturheros auf. Wagners "außerordentliche Verflechtung mit der deutschen Geschichte" war von ihm selbst beabsichtigt und vom Ehrgeiz bestimmt, "mit seinem Werk an der Nationwerdung der Deutschen im 19. Jahrhundert mitzuwirken. Dies ist ihm in einem Ausmaß gelungen, wie es bei keiner anderen Gestalt der deutschen Kulturgeschichte seit Luther festzustellen ist." Das Wagnersche Werk wie seine Selbstinszenierungen wurzeln sowohl in der europäischen Moderne als auch im spezifisch deutschen kulturell-politischen Kontext des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Beide Bereiche verraten allerdings eine gewisse interne Brüchigkeit, wie sie schon Adorno als Wagners Grundmerkmal diagnostiziert hatte. Er konstatierte eine den Wagnerschen künstlerisch-theatralischen und politisch-selbstrepräsentativen Gesten inhärente Tendenz zur Selbstde(kon)struktion. Nachfolgend wird diese Brüchigkeit analysiert, die sich in die Produktionsbedingungen seiner als heroische Kulturtaten konstruierten Werke eingeschrieben hat.
Anders als Schiller taugt Goethe, nicht zum literarischen Stichwortgeber der Befreiungskriege. Zu offensichtlich ist seine Bewunderung für Napoleon, zu gering seine Bereitschaft, sich im hohen Alter noch patriotisch zu erhitzen. Schiller konnte sich aufgrund seines unerwarteten Todes im Jahr 1805 nicht mehr selbst zur erwachenden Nationalbegeisterung äußern. Zwar soll ihm der korsische "Eroberer" und "Unterdrücker", den er an keiner Stelle seines Werkes explizit nennt, "durchaus zuwider" gewesen sein, doch ist seine Funktionalisierung für patriotische Zwecke ein postumes Rezeptionsphänomen. Gerade Schillers späte historische Dramen laden zu identifikatorischen Lektüren ein. Das von Christian Jakob Zahn vertonte Reiterlied aus Wallensteins Lager, das die Überwindung der Todesangst zur erhabenen, ich-steigernden Freiheitserfahrung verklärt, erfreut sich bei Soldaten und Theaterbesuchern über Generationen hinweg großer Beliebtheit [...] Die Schiller zugeschriebenen Merkmale bleiben über einen langen Zeitraum stabil und verbinden sich mit den verschiedensten ideologischpolitischen Gehalten. Das Bild des Dichters speist sich dabei sowohl aus der Sphäre weltlichen Heldentums wie der religiösen Verheißung. [...] Die Kanonisierung Schillers zum Nationalhelden wird durch die territoriale Streuung und fragmentierte Überlieferung seiner Lebenszeugnisse kaum gebremst. Vielmehr entsteht das Bedürfnis zur Pflege des materiellen Erbes erst aus der Dynamik der Kultgeschichte. [...] Die Erhebung Schillers zum Garanten militärischer und moralischer Überlegenheit nimmt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts offen chauvinistische Züge an. Kritik an den Klassikern erscheint in diesem Zusammenhang als Hochverrat, der das Heil der Nation gefährdet.
Über das Leben Voltaires, das in Paris 1694 begann und 1778 endete, sind wir dank einer ungeheuren Korrespondenz von reichlich 20 000 Briefen hervorragend unterrichtet. Sein Lebensweg, sein Zeitalter und die bestimmenden Ideen der Epoche sind darin dokumentiert. Der in der Religionswissenschaft gebräuchliche Begriff 'Kulturheros' muss für den notorischen Religionsspötter daher zunächst irritierend unpassend erscheinen, was die Überschrift zum Ausdruck bringt. Für den Intellektuellen im politischen, nicht im soziologischen Sinne ist dagegen bezeichnend, dass sein Name in der Öffentlichkeit schon Gewicht hat, wenn er ungefragt und ohne Auftrag zu einer Frage Stellung nimmt, die außerhalb seiner Zuständigkeit liegt, wobei er im Namen höherer Werte für die unterlegene Seite Partei ergreift. Nicht alle Geistesschaffenden sind also schon Intellektuelle in diesem Sinne, sondern nur da, wo sie "von ihrem beruflichen Wissen jenseits ihrer Profession einen öffentlichen Gebrauch machen". Als Ahnherr dieses Intellektuellentypus aber gilt Voltaire, dem es im vorgeschrittenen Alter gelang, auf beispielhafte Weise für Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten. [...] Um zu verstehen, wie Voltaire zum politischen Mythos werden konnte, sollen im Folgenden einige Problemstellungen aus seinen Schriften und seinem Wirken skizziert werden.
Peter I. als ambivalenter Kulturheros : zivilisatorischer Titan und/oder despotischer "Antichrist"
(2017)
An der Gestalt Peters I. scheiden sich seit Jahrhunderten die Geister. Peter I. ist und bleibt ein wirkungsmächtiger Mythos sowie eine nationale Kultfigur. Viele Aspekte seines Wirkens sind im russischen kulturellen Gedächtnis dem wissenschaftlichen Diskurs entzogen. Im kulturologischen und geschichtsphilosophischen Denken ist neben differenzierten Zugängen eine Opposition zwischen dem kraftvollen "Zivilisator" Russlands, einem sakralisierten Titanen einerseits und einem dämonischen Despoten oder "Antichristen" andererseits zu beobachten. In literarischen Texten kann dieser Dualismus mitunter dialektisch aufgebrochen und können seine Extreme dialogisch aufgehoben und enttabuisiert werden. Die große Faszination für die Konstruktion des Bildes von diesem Zaren geht aber wohl gerade von seinen Extremen aus. Weder seine Apologeten noch seine Kritiker können sich offenbar der potentiellen Suggestivkraft dieser historischen Persönlichkeit entziehen. Die Popularität Peters I. ist nicht nur durch seine fortdauernde Inszenierung und Präsenz im öffentlichen Raum und im kulturellen Gedächtnis Russlands ungebrochen, sondern auch durch den Umstand, dass bislang eklatante Tabubrüche in seiner Wirkungs- und Deutungsgeschichte ihm kaum etwas anhaben konnten. Dieser ambivalente Kulturheros ist nach wie vor für die nationale Identitätskonstruktion Russlands unverzichtbar.
Luther war nicht nur zu Lebzeiten, sondern weit über seinen Tod hinaus eine Instanz, die wie wenige andere Kirchenleute nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern umfassend als moralische, gesellschaftliche, politische und nationale Instanz galt. Anknüpfend an diese immense Bedeutung Luthers für die deutsche Kulturgeschichte, soll im vorliegenden Aufsatz die Geschichte dieser dezidiert deutschen Heroisierung bis in die Gegenwart nachgezeichnet werden. [...] Um diesen Prozess historisch zu begreifen, ist es zunächst erforderlich bis zu Luthers Selbststilisierungen und bis zu den Anfängen der Lutherverehrung zurückzugehen, um eine Genealogie des Heros Luther zu entwickeln. Nach einigen einleitenden Überlegungen dazu (1.) wird es (2.) am Beispiel des Reformationsjubiläums 1617 um die Frage gehen, wie kulturelle Heroisierung kulturelle Anti-Heroisierung und damit Parteilichkeitsbildung bedingen kann. Im Anschluss (3.) wird die Frage erörtert, wie durch gezieltes Anknüpfen an bestimmte Momente der Reformation auf dem Wartburgfest 1817 versucht wurde, der Parteibildung der freiheitlich-nationalen Bewegung in Deutschland eine kulturelle Dimension zu geben. Schließlich wird (4.) nach der Gegenwart und Zukunft des Heros Luther gefragt. Da die Deutung Luthers als Heros, wie wir sehen werden, eng einherging mit der Herausbildung des Nationalbewusstseins in Deutschland, steht zu vermuten, dass der Heros Luther in den letzten Jahrzehnten ins Wanken geraten ist. Ob dem so ist oder ob das heroische Konzept fortbesteht, wird dabei und den Beitrag abschließend ebenfalls zu erörtern sein.
Im geographischen Areal der ehemaligen Sowjetunion existiert ein fast dreihundertjähriges Wechselverhältnis zwischen dem Feld der Macht und dem Feld der Literatur (und Kunst). Das "Denkmal" fungiert als Medium dieses Wechselverhältnisses, als ein Relais, das das Oszillieren des Heroischen zwischen dem Politischen und dem Künstlerischen, vom Staatslenker zum Künstler und zurück ermöglicht. Im Folgenden verfolgt Zaal Andronikashvili die Entstehung und Rezeption des Kulturheros aus und im Denkmal in fünf Schritten. Im ersten Schritt geht er auf die Aporien des Denkmals als eines absolutistischen Repräsentationsmediums ein. Der absolutistische Monarch ist zwischen dem Anspruch auf die ewige Präsenz und der nekrotischen Semantik des Denkmals hin- und hergerissen: er ist einerseits lebendig und immer präsent, andererseits erhebt er diesen Anspruch in und durch die Maske verstorbener Heroen. Im zweiten Schritt geht er den Konsequenzen nach, die die Einführung monarchischer Repräsentationsformen im Medium der Vollplastik im orthodoxen religionskulturellen Kontext hat: Sie setzt ikonoklastische Ressentiments frei und aktualisiert idolatrische Gefühle. Das Denkmal wird semantisch mit den Qualitäten des ambivalenten - sowohl heil- als auch unheilspendenden - Heros aufgeladen. Im dritten Teil untersucht Andronikashvili die künstlerische Kritik an solchen absolutistischen Repräsentationsformen sowie Fragen der Repräsentierbarkeit eines Künstlers am Beispiel der Denkmal-Gedichte von Aleksandr Puškin. Diese ist zugleich ikonoklastisch und ikonodul. Als ikonoklastische Kritik prangert sie das Gemachte, Künstliche, Tote der Repräsentation an. Der Künstler eignet sich aber auch monarchische Repräsentationsformen an, selbst wenn er sie sakral (freilich nicht im religiösen Sinne, sondern als Freiheitskampf) umdeutet. Dadurch begründet der Künstler einerseits einen vom Monarchischen unabhängigen politisch-poetischen Raum, andererseits übernimmt er sowohl die heilspendende als auch die nekrotische Semantik des Heros. Im vierten Teil verfolgt Andronikashvili die Transformation der künstlerischen Rezeption des Denkmals als Metapher zum tatsächlichen Denkmal des Künstlers im Russland des 19. Jahrhunderts. Im letzten Schritt wird gezeigt, wie die ikonoklastische Rezeption der Avantgarde den Künstler von seinem (metaphorischen) Denkmalpostament stürzt und das Künstlerische im Zuge der Oktoberrevolution wieder dem Politischen unterordnet. Die dadurch entstandene Leerstelle des Künstlerischen wird wiederum von der politischen Führer-Repräsentation gefüllt, die nicht nur die Erbschaft monarchischer Repräsentation, sondern auch die der kulturheroischen Repräsentation antritt.